BLUT - Der Vampirkiller von Wisconsin. Robert W. Walker

BLUT - Der Vampirkiller von Wisconsin - Robert W. Walker


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sie versuchten, die Teile wieder zusammenzusetzen, die Leichen ordentlich aufzureihen. Aber sie sagte: »Na ja, der Arm wurde von einem Schneidwerkzeug abgelöst, einem großen, so wie’s aussieht, aber auf jeden Fall wäre er nicht dahin gefallen, wo er war, im genauen Winkel, wie er abgetrennt wurde. Wer immer ihn dorthin gelegt hat, tat das mit einiger Sorge um die Anatomie und legte ihn so nahe wie möglich an das Gelenk, gerade nach außen gestreckt. Zuerst dachte ich, dass vielleicht der Killer ihn dorthin gelegt hat, wieder angefügt sozusagen. Aber das hab ich schnell aus zwei Gründen verworfen.«

      »Welche Gründe?« Er war offensichtlich fasziniert.

      »Erstens: Das andere fehlende Teil, die Brust, lag auf halber Strecke zum gegenüberliegenden Ende des Raums und die zweite baumelte noch an einem Hautfetzen. Wenn der Killer ein so großes Interesse daran gehabt hätte, Humpty Dumpty wieder zusammenzusetzen, dann hätte er das mit allen Teilen gemacht, nicht nur dem Arm.«

      »Guter Punkt.« Er wusste, was zwanghaftes Verhalten war.

      »Was den zweiten Grund angeht, ich habe den aufgewirbelten Staub an der Stelle gesehen, wo der Arm ursprünglich hingeworfen worden war. Er ist gegen die Wand geprallt, hat ein paar leichte Spritzer hinterlassen und auf dem Boden eine weitere Spur. Deshalb bin ich davon ausgegangen, dass er bewegt wurde.«

      Vom Hotel ins Krankenhaus zu kommen dauerte nur 20 Minuten. Es war in einen Universitätskomplex eingebunden. Sobald sie drin waren, mussten sie lange Korridore durchqueren und dann eine Treppe hinabsteigen in das Leichenschauhaus darunter. Es sah genau aus wie Hunderttausende solcher Orte, die in Krankenhäusern im ganzen Land versteckt waren. Eine Art Vorhölle auf Erden für die sterblichen Überreste, bis man die Todesursache feststellen, eine Sterbeurkunde unterzeichnen und die Leiche der Familie übergeben konnte.

      Boutine blieb direkt vor der Tür zum Leichenschauhaus stehen. Seine dröhnende Stimme schien an diesem Ort der Stille fehl am Platz. »Mach schnell. Wir müssen um 16 Uhr wieder in Virginia sein.«

      »Okay, aber ich hab gedacht, du schließt dich uns an.«

      »Nein, ich hab mir überlegt, mit ein paar Angehörigen zu reden. Mal sehen, was die mir über das Mädchen sagen können.«

      »Viel Glück.«

      »Dir auch.« Er schüttelte ihre Hand, hielt sie aber noch ein wenig länger und sagte: »Letzte Nacht hast du exzellente Arbeit geleistet, aber das weißt du selbst, stimmt’s?«

      »Schadet nichts, es mal von dir zu hören. Trotzdem ist das ein wenig voreilig. Bisher haben wir gar nichts.«

      Sie drückte die Tür auf, dahinter beugten sich der örtliche Leichenbeschauer und sein Assistent über die Leiche; sie hatten schon angefangen, einige Tests zu machen.

      »Ahhh, Dr. Coran … wie nett, dass Sie zu uns stoßen.« Dr. Stadtlers Stirn war mit Altersflecken bedeckt, genau wie seine Hände.

      Sie erwiderte unterkühlt: »Ich war recht lange auf.« Dass Stadtler Stunden vor ihr den Tatort verlassen hatte, wurmte sie immer noch beide.

      Er schürzte die Lippen unter der Maske und nickte, seine Augen studierten sie genau. »Ich weiß vielleicht nicht so viel wie das FBI, verehrte Frau Dr. Coran« – es ging ihr auf die Nerven, wenn man sie verehrte Frau Doktor nannte – »aber ich weiß, dass wir Ärzte eine Menge übersehen bei schlechtem Licht.«

      Offensichtlich hatte er sich auf diesen Moment gefreut, dachte sie. »Und was haben Sie gefunden, Dr. Stadtler, das ich übersehen habe? Oder wovon Sie glauben, dass ich es übersehen habe.«

      Es war eine Autopsie ohne Blut, die erste, deren Zeuge sie war. Sie trat näher an die Leiche. Die leicht geschlitzten Augen waren ihr mittlerweile vertraut.

      Stadtler fuhr in einem übermäßig selbstgefälligen Tonfall fort, in den sich ein wenig Verachtung gemischt hatte. »Die Füße des Mädchens, unterhalb der Seile …«, eine wohlkalkulierte Pause, »… sind aufgeschlitzt.«

      Sie ärgerte sich über sich selbst, dass sie das übersehen hatte. »Die Achillessehnen, ich weiß.« Die Lüge erwischte Stadtler und seinen Assistenten kalt. »Aber dafür macht man ja eine Autopsie, um sicherzugehen.«

      Sie hatte absolut nicht auf die Füße geachtet, abgesehen davon, dass sie gefesselt waren.

      »Ja, nun«, murmelte Stadtler wie ein Schachspieler, dessen König in die Ecke gedrängt wurde, »beide Sehnen wurden durchtrennt.«

      »Was es ihr unmöglich machte, zu stehen, geschweige denn, vor ihrem Angreifer zu fliehen.« Sie holte sich eine Schürze, eine Haube und eine Maske aus einem Schrank in der Nähe. Bei einer Autopsie gelten nur minimale Hygienebestimmungen. Es war sehr unwahrscheinlich, dass der »Patient«, so tot wie er war, ansteckend sein konnte. Während Jessica sich fertigmachte, dachte sie erneut an die Tortur des Mädchens. Selbst wenn sie die Chance zur Flucht gehabt hätte, hätte sie sich wegschleppen müssen, sich auf dem Boden entlangziehen wie eine zweiarmige Eidechse. Sie fragte sich, ob der Killer zugesehen hatte, wie sie herumkroch, bevor er sie am Seil an den Balken aufgehängt hatte. Unwahrscheinlich. Es hatte keine Spuren gegeben, um das zu untermauern. Wieso dann die Sehnen durchschneiden? Eine weitere Vorsichtsmaßnahme gegen die polizeilichen Ermittlungen, um Verwirrung zu stiften?

      Ein Polizist aus Wekosha war auch im Autopsiesaal und hatte noch kein Wort gesagt. Sie erkannte ihm vom Tatort am Tag zuvor. Vermutlich war er es, der den Arm an Ort und Stelle gelegt hatte. Sie lächelte ihn zaghaft an, bevor sie sich hinter der Maske versteckte. Er stellte sich von sich aus vor. »Dr. Coran, ich bin Captain Vaughn. Wekosha und die County Sheriffs arbeiten gemeinsam an diesem Fall.«

      »Gute Idee.« Sie sah sich zuerst die Wunden um die durchtrennten Sehnen an. Sich bei einer Autopsie von den Füßen vorzuarbeiten, so hatte sie ihr Handwerk in Bethesda vom möglicherweise besten Mann im Business gelernt, Dr. Aaron Holecraft. Holecraft hatte sich mittlerweile mehr oder weniger zur Ruhe gesetzt, aber er würde sich durchaus mit einer ehemaligen Studentin über einen verblüffenden Fall unterhalten. Sie musste ihn unbedingt wegen des Vampirmordes in Wekosha kontaktieren, sobald sie wieder in Quantico war. Schließlich hatte Holecraft während seiner Karriere so einige Folt 9 gesehen.

      Die Wunden waren von Stadtlers Assistenten gründlich gereinigt worden. »Haben Sie Bilder gemacht von den Sehnen, bevor Sie sie säuberten?«, fragte sie den Assistenten.

      Stadtler antwortete stattdessen. »Wieso? Haben Sie etwa keine gemacht, verehrte Frau Doktor?«

      »Ich bin mir nicht sicher, ob der Fotograf gestern welche gemacht hat, nein.«

      »Wir werden Ihnen jedenfalls gern welche zur Verfügung stellen«, sagte Stadtler, als habe er einen kleinen Sieg errungen.

      Der langweilig aussehende, pummelige Vaughn sagte: »Wir überprüfen jede MGS-Akte, die wir haben.«

      Sie ließ sich die Buchstaben durch den Kopf gehen und fragte, ohne ihre Arbeit zu unterbrechen: »Mental gestörte Sexstraftäter?«

      »Ja, Ma’am.«

      »Zeitverschwendung, Captain.«

      »Was?«

      »Das Verbrechen hat nichts mit Sex zu tun, zumindest nicht im konventionellen Sinne.«

      »Was? Aber sie wurde nackt aufgehängt und es gab Spuren von … Sperma in ihr, oder?«

      »Okay, okay.« Ihr wurde klar, dass sie ihn nicht hätte provozieren sollen. »Machen Sie weiter mit Ihrer Suche. Verhaften Sie jeden in Ihren Akten, der sich mal einer Elfjährigen unsittlich gezeigt hat.«

      »Aber Sie denken, wir verschwenden unsere Zeit?«

      »Ja, das denke ich.«

      »Wir müssen trotzdem allen Hinweisen nachgehen.«

      »Verstanden. Können wir jetzt hier ein wenig Ruhe haben?« Jessica hatte einen harscheren Ton angeschlagen, als sie eigentlich wollte. »Das ist eine Autopsie und wir nehmen alles auf, um später ein Protokoll zu schreiben, nehme ich an, sehr verehrter Dr. Stadtler?«

      Stadtler runzelte die


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