BLUT - Der Vampirkiller von Wisconsin. Robert W. Walker

BLUT - Der Vampirkiller von Wisconsin - Robert W. Walker


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      Jessica ging schnell hinaus, sie konnte es kaum erwarten, die klare, kühle Luft in der freien Natur Wisconsins zu atmen. Sie füllte ihre Lunge damit, während ihre Ausrüstung und Beweisstücke ins Auto geladen wurden.

      Die Stille der Nacht schien fast undurchdringlich, kroch wie kaltes Blei in ihre Knochen. Die Dunkelheit des tiefen Waldes war komplex und geheimnisvoll. Es war ein isolierter Ort, sowohl friedlich als auch gefährlich. Sie musste an die unzähligen Jägercamps denken, die sie mit ihrem Vater bei der Jagd auf Rotwild besucht hatte. Das Endergebnis der Jagd war ein ausgeweideter Kadaver, und als sie das angestrengte Stöhnen und den Lärm der Männer im Innern hörte, die das tote Mädchen von ihren Fesseln losmachten, dachte sie an den Horror, den sie irgendwie für all diese Stunden zur Seite geschoben hatte. Sie konnte Männern wie Lumley kaum einen Vorwurf machen, dass sie sie ansahen, als wäre sie ein Ghul.

      »Wir können los, Jess.« Otto brachte ihren Mantel vom Wagen und legte ihn über ihre Schultern. »Du zitterst«, sagte er.

      »Danke. Hab gar nicht gemerkt, wie kalt es ist.«

      Wenige Augenblicke später lehnte sie sich in die weichen, sauberen Polster hinten in Stowells Polizeiwagen. Stowell griff ins Handschuhfach und bot ihr einen Schluck aus einer Flasche Jack Daniel’s an. Sie nahm zögerlich einen, aber erst, nachdem Otto zustimmend genickt hatte.

      Sheriff Stowell wendete den Wagen und wäre fast in einen Graben gefahren, bevor er auf den überwucherten Waldweg steuerte, der sie wieder zum Highway bringen würde. Otto nahm ihr den Whisky ab und trank selbst zwei Schlucke, bevor er ihn mit einem »Danke« an Stowell zurückgab.

      »Sheriff Stowell hat zugesagt, die grausameren Aspekte des Verbrechens unter Verschluss zu halten, Jess«, sagte Otto, während sie eigentlich nur in sanftem Schlummer wegdösen wollte, jetzt wo der Wagen sacht über den Waldweg schaukelte.

      »Gut«, brachte sie heraus.

      »Aber ich hab ihm als Gegenleistung was versprochen.«

      Sie blinzelte, ihre Neugier war geweckt: »Er bekommt einen ausführlichen Bericht, sobald ich …«

      »Er will wissen, ob sie vor der Verstümmelung sexuell missbraucht wurde.«

      Stowell selbst sagte: »Candy war kein schlechter Mensch. Sie hat es nicht verdient, so zu sterben.«

      »Sie kannten sie?«

      »Sie hatte Vorstrafen.«

      »Prostitution?«

      »Ja.«

      »Kannten Sie sie daher?«

      »Ich hab manchmal außerhalb der Arbeit Zeit mit ihr verbracht; ihr einen Job besorgt; sie dazu gebracht, ihr Leben in den Griff zu kriegen. Und jetzt das …«

      Stowell schilderte ihr weitere Details von Annie »Candy« Copelands Leben. Als sie fast 19 war, hatte sie zwei Monate in einem Imbiss in Wekosha als Kellnerin gearbeitet. Davor hatte sie auf der Straße gearbeitet und mit ihrem Zuhälter gelebt. Noch früher, als idealistische Highschool-Schülerin, hatte sie ehrenamtlich im örtlichen Krankenhaus gearbeitet, als Candy Striper, wie die freiwilligen Helferinnen in einem Krankenhaus aufgrund ihrer rot-weiß-gestreiften Kleider genannt wurden. Daher hatte sie ihren Spitznamen Candy.

      »Was ist mit ihrer Familie?«, fragte Jessica.

      Stowell Stimme hatte den Klang eines Mannes, der in seinem Berufsleben schon einen Menge Leid gesehen hatte. »Man hat sie behandelt wie Dreck. Der Stiefvater hat sie missbraucht, die Mutter hat weggeschaut, und als sie versucht hat, sich zu wehren … da ist sie zu mir gekommen … und sie haben sie rausgeworfen. Sie landete auf der Straße. Das System hat für das Mädchen noch nicht mal ansatzweise funktioniert, also hab ich getan, was ich konnte, und das war nicht viel.«

      »Stowell und ich werden mit dem Zuhälter reden«, sagte Boutine.

      »Und dem Stiefvater.«

      »Die sind Kollegen und arbeiten im Imbiss«, sagte Otto.

      Sie kannte den Ablauf. Erst mal bei denen nachfragen, die sie gekannt hatten, die sie regelmäßig sahen; wer hatte sie zuletzt lebend gesehen, wann und wo und mit wem? Zuerst werden die Verwandten, Freunde und Kollegen verdächtigt, und dann kann man sich von da vorarbeiten. Alle werden befragt, und durch jede Antwort erhält man eine neue Einsicht und eine mögliche neue Spur oder einen Anhaltspunkt, wie sie ums Leben kam.

      »Also willst du, dass ich dir heute Nacht noch sage, ob sie vergewaltigt wurde oder nicht?«

      »Ein guter Tipp genügt, Dr. Coran«, sagte Otto.

      »Für einen Tipp brauche ich erst eine Laboranalyse, Otto, das solltest du wohl am besten wissen.«

      »Was ist deine Einschätzung?«, fragte Otto in seiner besten Kommandostimme und drückte ihre Hand, als wollte er sie von der Wichtigkeit seines Deals mit Stowell überzeugen.

      Sie atmete tief ein und ließ einen einzigen Seufzer vernehmen. »Meine Einschätzung lautet – und es ist auch nicht mehr als das –, dass dieser Kerl kein sexuelles Interesse an ihr hatte, zumindest, was normale Sexualität betrifft.«

      »Normale Sexualität?«, fragte Stowell, dessen Knöchel sich am Steuer weiß verfärbt hatten. Sie merkte, dass er mehr als ein väterliches Interesse an Annie Copeland hatte. Hatte er eine Affäre mit ihr gehabt?

      »Geschlechtsverkehr.«

      »Aber ich habe gesehen, wie sie eine Spermaprobe genommen haben.«

      Sie wusste, worauf er hinauswollte. »Ja, ich hab Sperma gefunden, aber …«

      »Sperma ist ein Beweis für …«

      »… aber es ist nicht über den Muttermund hinaus eingedrungen …«

      »Das können Sie nur vom Hinschauen sagen?«

      »Es war kalt da drin, und das Sperma, das ich gefunden habe, war geliert, fast als ob …« Sie verstummte.

      Otto drückte wieder ihre Hand und drängte sie, weiterzureden. »Als ob?«

      »Wie das Blut an den Wunden, draufgeschmiert, nachdem das Mädchen tot war, als sollten wir es so finden.«

      »Verdammtes Dreckschwein«, murmelte Otto.

      Stowell schwieg einen Moment abwesend, bevor er sagte: »Wer auch immer das getan hat, wollte also nur das eine von ihr?«

      »Das stimmt, Mr. Stowell«, sagte sie. »Er wollte nur ihr Blut.«

      »Danke, Dr. Coran«, sagte er, bevor er sich wieder in Schweigen hüllte und die grüne Beleuchtung des Armaturenbretts sein zermartertes Gesicht beleuchtete.

      Jessica sah zu Boutine, der neben ihr auf dem Rücksitz saß. Boutine biss sich auf die Oberlippe, bevor er sprach: »Stowell wird tun, was er kann, um den Vampiraspekt unter Verschluss zu halten. Keine Informationslecks – zumindest für 24 Stunden.«

      Ihr wurde klar, Boutine hatte ihnen ein wenig Zeit verschafft. Sie wussten beide, der Fall zog so viel Aufmerksamkeit auf sich, dass die kleinstädtische Polizei, die Trooper und Stowells County Office innerhalb dieses Zeitrahmens davon überwältigt werden würden.

      »Du siehst furchtbar aus, Otto«, flüsterte sie – kaum zu glauben, dass ihr der Gedanke über die Lippen gekommen war. »Es tut mir leid; ich wollte nicht so offen sein. Ich sehe sicher auch nicht besser aus.«

      Er hatte weiter ihre Hand gehalten und nahm sie jetzt beide in seine, massierte sie.

      »Du siehst gut aus, wie immer.«

      »Meineid vor Zeugen, Otto?« Sie zog ihre Hände weg und sah kurz im Rückspiegel Stowell in die Augen.

      Sie brauchten beide etwas Schlaf. Keiner von ihnen hatte sich seit über 24 Stunden ausruhen können. Sie lehnte sich wieder ins Polster des Sitzes, schloss die Augen und erinnerte sich an den Anruf, den sie zu Hause bekommen hatte und in dem sie aufgefordert worden war, sich bereitzuhalten. Gott, war das nicht erst gestern gewesen? Zu


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