Dr. Daniel Staffel 9 – Arztroman. Marie Francoise

Dr. Daniel Staffel 9 – Arztroman - Marie Francoise


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haben keine Geheimnisse voreinander. Und um auf Ihre Frage zurückzukommen: Nikola hat diese Beschwerden seit einigen Tagen.«

      Dr. Daniel machte sich eine Notiz auf der neu angelegten Karteikarte.

      »Wie äußern sich diese Beschwerden?« wollte er dann wissen.

      Nikola zögerte einen Moment, bevor sie in Handzeichen antwortete.

      »Sie hat ziehende Schmerzen und Ausfluß«, übersetzte Kai für Dr. Daniel.

      Der Arzt machte sich eine weitere Notiz, dann stand er auf.

      »Kommen Sie, Fräulein Forster«, bat er mit einem freundlichen Lächeln. »Gehen wir ins Nebenzimmer, damit ich Sie untersuchen kann.«

      Nikola erhob sich, und auch Kai stand auf.

      »Ich glaube, die Untersuchung kann Ihre Verlobte auch ohne Ihren Beistand hinter sich bringen«, wandte Dr. Daniel ein.

      »Diese Entscheidung überlassen Sie wohl besser uns«, entgegnete Kai scharf. »Meine Verlobte hat nichts dagegen, wenn ich dabei bin.«

      Dr. Daniel sah Nikola an, doch diese hielt den Blick gesenkt.

      »Also schön«, meinte der Arzt und ging dem jungen Paar voran ins Untersuchungszimmer. Erst hier suchte er erneut Nikolas Blick. »Bitte, machen Sie sich frei, und nehmen Sie auf dem Stuhl Platz. Ich vermute, daß Ihnen gynäkologische Untersuchungen bekannt sind.«

      Die junge Frau nickte, doch als sie hinter den dezent gemusterten Wandschirm treten wollte, hielt Dr. Daniel sie noch einmal zurück.

      »In diesem speziellen Fall werde ich Ihnen besser vorher sagen, was ich tun muß«, meinte er. »Wenn Sie auf dem Stuhl liegen, können Sie mich nicht oder zumindest nicht so gut sehen, so daß Sie vielleicht nicht verstehen, was ich sage.« Er schwieg kurz. »Ich werde als erstes einen Abstrich nehmen. Das kennen Sie sicher von den jährlichen Krebsvorsorgeuntersuchungen, die Ihr Gynäkologe ebenfalls vorgenommen haben wird.«

      Wieder nickte Nikola und sah Dr. Daniel aufmerksam an, als er fortfuhr zu sprechen.

      Anschließend werde ich Gebärmutter und Eierstöcke abtasten. Letzteres wird vielleicht ein wenig unangenehm, möglicherweise sogar schmerzhaft sein, wenn eine Eierstockentzündung für Ihre Unterleibsbeschwerden verantwortlich ist.« Er lächelte sie beruhigend an. »Aber Sie können sicher sein, daß ich dabei sehr vorsichtig sein werde.«

      Nikola lächelte ebenfalls, doch Dr. Daniel hatte das Gefühl, als wäre ihr Lächeln ein wenig gezwungen. Er hatte allerdings keine Gelegenheit mehr, das näher zu ergründen, denn nun trat Nikola hinter den Wandschirm und machte sich frei, dann kletterte sie auf den gynäkologischen Stuhl.

      Kai stand in der geöffneten Zwischentür, so daß seine Verlobte ihn aufgrund ihrer halbliegenden Stellung zwar nicht sehen konnte, er selbst aber die Möglichkeit hatte, ihren Körper samt der Beine, die nun in speziellen Bügeln lagen, sehr eingehend zu betrachten. Dr. Daniel war von diesem Verhalten mehr als erstaunt, fast sogar abgestoßen. Er hatte des öfteren Männer hier drinnen. Meistens waren es werdende Väter, die die Herztöne des Ungeborenen hören oder es auf Ultraschall sehen wollten. Doch bisher waren alle Männer am Kopfende des gynäkologischen Stuhls geblieben, hatten vielleicht die Hand ihrer Frau gehalten, aber noch nie hatte Dr. Daniel einen Mann erlebt, der seine Partnerin in dieser Situation mit derart eindeutigen Blicken gemustert hatte.

      »Wenn Sie sich bitte hier hinten hinstellen wollen«, forderte Dr. Daniel ihn mit unüberhörbarer Bestimmtheit auf und wies dabei an das Kopfende des Stuhls.

      Nur sehr ärgerlich kam Kai diesem Befehl nach.

      »Ich bin medizinisch sehr interessiert«, behauptetet er ziemlich unglaubwürdig, »deshalb hätte ich gern gesehen, was Sie da tun.«

      »Ich denke, Ihre Anwesenheit hier sollte eher dem Zweck dienen, daß Sie Ihrer Verlobten eine seelische Stütze sind«, entgegnete Dr. Daniel. »Diese Lage ist für Frauen nicht sehr angenehm, und wenn man dann noch nicht einmal hören kann, was um einen herum vorgeht, stelle ich mir das zusätzlich als sehr belastend vor.«

      »Ja, vermutlich haben Sie recht«, stimmte Kai zu, dann trat er aus dem Schatten der Zwischentür zu Nikola und griff mit einem zärtlichen Lächeln nach ihrer Hand.

      Dr. Daniel rückte nun mit seinem fahrbaren Stuhl näher und richtete die Lampe so, daß er

      gut sehen konnte. Was er entdeckte, erschreckte ihn zutiefst. Unwillkürlich stand er auf und warf Nikola einen langen Blick zu. Er konnte in ihren Augen lesen.

      »Ist etwas?« fragte Kai sofort.

      »Nein, nein, alles in Ordnung«, entgegnete Dr. Daniel rasch. Er sah Nikola wieder an. »Ich habe vorhin nur vergessen zu sagen, daß Sie sich nach Möglichkeit entspannen sollten.«

      Die junge Frau nickte und warf Dr. Daniel gleichzeitig einen dankbaren Blick zu.

      Der Arzt setzte sich wieder, betrachtete die erheblichen Verletzungen im Intimbereich seiner Patientin und nahm dann sehr vorsichtig den Abstrich. Nikola zuckte zusammen, und Dr. Daniel fühlte sich zum ersten Mal in einer solchen Situation etwas hilflos, weil er keine Möglichkeit hatte, die junge Frau mit Worten zu beruhigen… ihr noch einmal zu versichern, daß er vorsichtig sein würde.

      Dr. Daniel stand auf und tat so, als würde er Gebärmutter und Eierstöcke abtasten. Er bemerkte Nikolas erstaunten Blick und lächelte ihr beruhigend zu.

      »Sie können sich wieder ankleiden«, meinte er.

      Dieser Aufforderung kam Nikola nur zu gern nach.

      »Was fehlt meiner Verlobten denn nun?« wollte Kai wissen, während er zusah, wie Dr. Daniel den Abstrich unter dem Mikroskop betrachtete.

      »Das kann ich jetzt noch nicht sagen«, antwortete er und richtete sich auf. »Die Abstrichuntersuchung war negativ, das heißt, daß keine Pilzinfektion für die Unterleibsbeschwerden verantwortlich sein kann. Für eine

      endgültige Diagnosestellung sind weitere Untersuchungen nötig, die ich aber nicht hier

      in der Praxis durchführen

      kann.«

      Unwillig runzelte Kai die Stirn. »Was soll das heißen?«

      »Das heißt, daß ich Ihre Verlobte in die Waldsee-Klinik überweisen werde, deren Direktor ich im übrigen bin«, entgegnete Dr. Daniel.

      »Das ist doch nur Geldschneiderei!« ereiferte sich Kai. »Sie wollen an Nikola lediglich verdienen und…«

      »Das reicht!« fiel Dr. Daniel ihm scharf ins Wort. »Solche infamen Unterstellungen muß ich mir von Ihnen nicht gefallen lassen! Was ich tue, geschieht einzig und allein zum Wohl meiner Patienten.« Er ließ diese Worte einen Moment lang auf Kai wirken, dann fuhr er ruhiger fort: »Ich vermute bei Ihrer Verlobten eine Chlamydien-Infektion. Um diese sicher zu diagnostizieren, ist eine sogenannte Pelviskopie nötig – eine Untersuchung des tiefen Beckens. Im Rahmen dieser Untersuchung kann ich Abstriche von den Eileitern nehmen, und da Sie medizinisch ja sehr interessiert sind, werden Sie sich unschwer vorstellen können, daß eine derartige Untersuchung nur in Vollnarkose durchgeführt werden kann.«

      Kai atmete tief durch. »Also schön.« Er sah Dr. Daniel an. »Wie stellen Sie sich das genau vor? Ich meine… ich bin berufstätig…«

      »Ich glaube nicht, daß Fräulein Forster auf Ihre ständige Begleitung angewiesen sein wird«, fiel Dr. Daniel ihm ins Wort. »Im übrigen ist sie in der Waldsee-Klinik in den besten Händen.«

      Man konnte Kai ansehen, daß ihm diese Wendung der Dinge überhaupt nicht paßte. Offensichtlich widerstrebte es ihm, Nikola auch nur eine Sekunde mit dem Arzt allein zu lassen, und Dr. Daniel konnte sich eigentlich keinen Grund dafür denken – es sei denn, Kai wäre für die Verletzungen, die er bei Nikola gerade entdeckt hatte, selbst verantwortlich, doch diesen Gedanken schob Dr. Daniel einstweilen von sich. Es war für ihn kaum vorstellbar, daß ein Mann der Frau, die er liebte, so etwas antun könnte.

      *

      Ivo


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