Dr. Daniel Staffel 9 – Arztroman. Marie Francoise

Dr. Daniel Staffel 9 – Arztroman - Marie Francoise


Скачать книгу
bist, dann wirst du das auch hinkriegen«, fiel Ivo ihm ins Wort. Wieder konnte Sándor nicht begreifen, was zu dieser schrecklichen Veränderung geführt haben konnte. Ivo war doch sonst nicht so unausstehlich!

      Laß dich nicht provozieren, dachte Sándor. Ivo ist betrunken. Er weiß nicht, was er sagt… zumindest meint er es nicht so.

      Doch da fuhr Ivo schon im gleichen provokanten Ton fort: »Aber wahrscheinlich bist du in dieser Klinik nichts weiter als ein kleiner Handlanger, der nur Betten spazierenfahren darf.«

      »Na schön«, entgegnete Sándor grimmig. »Ich hätte es dir gerne erspart, aber du willst es ja nicht anders.« Er nahm das Jod zur Hand und pinselte die Wunde aus.

      Ivo stöhnte auf und krallte sich mit beiden Händen in den Polstern des Autositzes fest. Währenddessen drückte Sándor die Wundränder zusammen und legte einen festen Verband an.

      »Au!« entfuhr es Ivo, dann sah er seinen Freund anklagend an. »Sándor, sei nicht so grob!«

      Ein wütender Blick aus Sándors dunklen Augen traf ihn. »Glaubst du vielleicht, daß du nach all dem Blödsinn, den du dir geleistet hast, und nach deinen nicht gerade freundlichen Worten von vorhin auch noch besondere Rücksichtnahme verdienst?« Er stand auf, dann fügte er barsch hinzu: »Und in die Klinik mußt du trotzdem, weil die Wunde genäht werden muß.«

      Er setzte sich hinter das Steuer und fuhr los.

      »Sándor«, meldete sich Ivo nach einer Weile kleinlaut zu Wort. »Es tut mir leid… ich meine, das mit dem halbwegs brauchbaren Krankenpfleger… und… und…«

      Sándor nickte nur. Im Moment war er nicht nur auf Ivo wütend, sondern auf sich selbst, weil er sich trotz aller guten Vorsätze doch hatte provozieren lassen. Der diensthabende Arzt würde ihn für das, was er da getan hatte, nicht gerade loben.

      Sándor hielt vor der Waldsee-Klinik an und half Ivo beim Aussteigen. Bereits in der Eingangshalle kam ihnen die Nachtschwester Irmgard Heider entgegen.

      »Wer hat heute Nachtdienst?« wollte der junge Krankenpfleger wissen.

      »Dr. Parker«, antwortete sie. »Soviel ich weiß, ist er gerade im Untersuchungszimmer der Chirurgie.«

      Dorthin brachte Sándor nun auch seinen Freund. Dr. Jeffrey Parker, der hier in der Klinik eigentlich als Anästhesist arbeitete, grinste ihn an.

      »Na, Sándor, haben Sie Sehnsucht nach der Arbeit?« wollte er wissen. »Sie können gern hierbleiben und mir helfen. Heute ist hier sowieso die Hölle los.«

      »Mein Freund ist vom Rad gestürzt«, erklärte Sándor, ohne auf die Worte des Anästhesisten einzugehen. Normalerweise mochte er Dr. Parker sehr gern, aber im Moment hatte er nicht nur Angst vor der Reaktion des Arztes, wenn dieser erst mal sah, wie er Ivos Bein versorgt hatte, sondern er war auch über Ivos Verhalten gekränkt und darüber hinaus schrecklich müde. Immerhin hatte er gestern einen ziemlich anstrengenden Dienst gehabt.

      »Na, dann wollen wir uns mal ansehen, was genau passiert ist«, meinte Dr. Parker.

      »Er hat sich hauptsächlich Schürfwunden zugezogen«, entgegnete Sándor. »Nur die Verletzung am Bein muß wohl genäht werden.« Er schwieg kurz. »Ich habe schon mal Erste Hilfe geleistet.«

      Vorsichtig nahm Parker den Verband ab, dann sah er Sándor ernst an.

      »Erste Hilfe nennen Sie das?« Er schüttelte den Kopf. »Mein lieber Sándor, ich würde das eher als Körperverletzung bezeichnen. Los, gehen Sie hinaus, und warten Sie dort auf mich.«

      Der junge Krankenpfleger gehorchte mit gesenktem Kopf. Er wußte ja selbst, daß das, was er getan hatte, nicht richtig gewesen war.

      »So, und nun zu Ihnen«, meinte Dr. Parker und sah Ivo an. »Sind Sie vielleicht in einen Cognaksee gefallen?«

      Ivo errötete tief. »Ich… ich vertrage keinen Alkohol.«

      »Was nicht unbedingt eine Antwort auf meine Frage ist«, stellte Dr. Parker trocken fest. »Ich werde Ihr Bein nur vereisen, weil mir das Risiko zu groß ist, Ihnen zu der Alkoholkonzentration in Ihrem Blut auch noch ein Lokalanästhetikum zu verabreichen. Möglicherweise spüren Sie es ein bißchen, wenn ich die Wunde nähe.«

      »Das halte ich schon aus«, versicherte Ivo tapfer. Sein Kopf war noch immer vom Alkohol benebelt, trotzdem machte er sich nun Gedanken um seinen Freund. »Wird Sándor Schwierigkeiten bekommen?«

      Dr. Parker nickte. »Ja. Er darf eine solche Wunde nicht einfach mit Jod auspinseln. Im übrigen war der Verband falsch angelegt. So etwas sollte einem Krankenpfleger nicht passieren.«

      »Sándor wollte das nicht tun«, entgegnete Ivo im plötzlichen Bemühen, seinem Freund zu helfen. »Ich war… so aggressiv und… ungerecht. Ich habe ihn richtig provoziert. Vermutlich war er einfach wütend auf mich… und das zu Recht.« Er senkte den Kopf. »Bitte, vergessen Sie das Ganze… bestrafen Sie Sándor nicht.«

      »Mal sehen«, wich Dr. Parker aus, dann kümmerte er sich erst mal um die Wunde. Anschließend ließ er Ivo von der Nachtschwester auf die Station bringen.

      »Warum muß ich hierbleiben?« wollte Ivo wissen.

      »Weil ich Sie unter Kontrolle haben will, bis Sie wieder nüchtern sind«, entgegnete Dr. Parker, dann machte er sich auf die Suche nach Sándor. Der junge Krankenpfleger saß wie ein Häufchen Elend auf einer der weißen Plastikbänke in der Eingangshalle.

      »Was Sie sich da geleistet haben, war ein starkes Stück«, begann Dr. Parker ohne Umschweife. »Wie ich vorhin schon sagte – mit Erster Hilfe hatte das, was Sie getan haben, wenig zu tun, und so eine Schlamperei bin ich von Ihnen eigentlich nicht gewohnt. Sie sind sonst nämlich ein überaus guter Krankenpfleger, also kann ich davon ausgehen, daß Sie genau wissen, welche Fehler Sie gemacht haben.«

      Sándor nickte, dann gestand er leise: »Ich war wütend auf Ivo. Er war so… streitsüchtig, und obwohl ich mir fest vorgenommen hatte, mich nicht von ihm provozieren zu lassen…« Er zögerte einen Moment, dann begann er von vorn. »Ivo hat offensichtlich Probleme, und als ich ihn gestern abend in angetrunkenem Zustand getroffen habe, habe ich ihn mit zu mir genommen. Mitten in der Nacht ist er heimlich abgehauen, und als ich ihn endlich fand, fuhr er mir mit dem Rad davon. Nach seinem Sturz wollte ich ihn gleich hierherbringen, aber…« Er schwieg mit gesenktem Kopf. »Das alles ist wohl keine Entschuldigung.«

      Dr. Parker setzte sich neben ihn. »Ihr Freund hat schon ein gutes Wort für Sie eingelegt, trotzdem kommen Sie mir nicht ganz ungestraft davon. Sie werden außerhalb Ihrer Dienstzeit einen Erste-Hilfe-Kursus absolvieren, sich die Teilnahme schriftlich bestätigen lassen und mir diese Bestätigung vorlegen.«

      Der junge Krankenpfleger begriff. Dr. Parker würde über die Sache kein weiteres Wort verlieren.

      »Danke«, murmelte Sándor.

      Der Anästhesist stand auf. »Fahren Sie jetzt nach Hause. In zwei Stunden fängt Ihr Dienst an. Vielleicht können Sie sich zuvor noch ein bißchen aufs Ohr hauen.«

      Auch Sándor erhob sich. »Und Ivo?«

      »Der bleibt vorerst hier.« Dr. Parker lächelte. »Machen Sie sich keine Gedanken, ich passe schon auf, daß er nicht wieder entwischt.« Er schwieg kurz. »Sie werden morgen sicher Gelegenheit haben, mit ihm über seine Probleme zu sprechen… wobei er dann vermutlich noch eines mehr haben wird – einen mordsmäßigen Kater nämlich.«

      »Den mit Sicherheit«, meinte Sándor, verabschiedete sich von Dr. Parker und fuhr nach Hause.

      *

      Kai Horstmann hatte es sich natürlich nicht nehmen lassen, seine Verlobte an diesem Morgen persönlich in die Waldsee-Klinik zu bringen. Am liebsten wäre er auch bei der geplanten Untersuchung dabeigewesen, doch nach dem gestrigen Tag, den er sich ganz überraschend freigenommen hatte, wollte ihm sein Chef nur noch zubilligen, daß er eine Stunde später ins Büro kommen könnte.

      »Ich hoffe, du wirst auch ohne meine Hilfe zurechtkommen«, bedeutete


Скачать книгу