Dr. Daniel Staffel 9 – Arztroman. Marie Francoise
ist schön«, meinte Dr. Daniel und streichelte väterlich über ihr dunkles Haar. »Die Müdigkeit wird jetzt auch bald vergehen. Es war nur eine ganz leichte Narkose, die Sie bekommen haben.«
Nikola nickte, dann bedeutete sie Dr. Daniel, daß sie etwas aufschreiben wolle. Er reichte ihr Block und Stift. Nikolas Hand zitterte ein wenig, trotzdem war ihre Schrift gut lesbar.
»Habe ich eine sehr schlimme Krankheit?« wollte sie wissen.
»Es ist bestimmt nichts, was man mit Medikamenten nicht behandeln könnte«, antwortete Dr. Daniel. »Unser Chefarzt wird den Abstrich, den ich vorhin genommen habe, noch heute untersuchen. Ich denke, daß wir spätestens morgen früh das Ergebnis besprechen können.« Er zögerte. »Vom medizinischen Standpunkt her bestünde eigentlich keine Notwendigkeit für Sie, über Nacht in der Klinik zu bleiben. Wenn Sie also in ein paar Stunden nach Hause möchten, hätte ich nichts dagegen einzuwenden.«
Nikola schüttelte den Kopf, griff wieder nach Stift und Block und schrieb. Ich möchte hierbleiben. Sie zögerte und setzte dann mit sichtlicher Beklommenheit hinzu: Es sei denn, Sie brauchen das Bett anderweitig.
»Nein, Fräulein Forster«, versicherte Dr. Daniel sofort. »So waren meine Worte von vorhin nicht gemeint, ganz im Gegenteil. Ich bin sogar froh, wenn Sie noch ein paar Tage bleiben, weil ich auch Ihre Verletzungen gern im Auge behalten würde. Das Angebot, nach Hause zu gehen, habe ich Ihnen nur gemacht, weil ich weiß, daß sich die meisten Menschen nicht darum reißen, im Krankenhaus zu bleiben.«
Nikola lächelte ein wenig, dann tastete sie nach Dr. Daniels Hand und drückte sie ein wenig. Der Arzt verstand. Nikola fühlte sich hier sicher und geborgen – und sie hatte Vertrauen zu ihm. Das waren die besten Voraussetzungen, um ihr helfen zu können.
*
Ivo Kersten erwachte mit hämmernden Kopfschmerzen. Das durch die großen Fenster hereinfallende Licht tat ihm in den Augen weh, und sein Magen fühlte sich an, als hätte irgend jemand damit Fußball gespielt. Stöhnend wollte sich Ivo auf die andere Seite drehen, doch dabei begann sein ganzer Körper erst recht zu schmerzen.
Er blinzelte mühsam und versuchte zu ergründen, wo er war. Das Zimmer war fremd, und das fahrbare Nachttischchen neben seinem Bett sah nach Klinik aus.
»Na endlich«, erklang in diesem Moment eine Stimme von der Tür her.
Ivos Hände fuhren an seinen schmerzenden Kopf.
»Nicht so laut«, flehte er, dann blinzelte er wieder und erkannte seinen besten Freund. »Sándor. Wie kommst du denn hierher?«
»Zufällig arbeite ich hier«, antwortete der junge Krankenpfleger, dann setzte er sich auf die Bettkante. »Du schaust ganz entsetzlich aus, wenn ich dir das in aller Deutlichkeit sagen darf.«
Ivo nickte vorsichtig. »Genauso fühle ich mich auch.« Er versuchte sich zu erinnern, was am Abend zuvor geschehen war. »Ich war in dem neuen Bistro und habe dort Cognak getrunken.«
»Ja, und das nicht zu knapp«, entgegnete Sándor, dann reichte er Ivo ein Glas in die Hand. »Hier, trink das aus. Das ist gut gegen deinen Kater.«
»Was ist das?« fragte Ivo argwöhnisch.
»Ein altes Hausmittel meiner ungarischen Großmutter«, antwortete Sándor. »Damit hat sie meinem Vater seine Jugendsünden ein bißchen erträglicher gemacht, und auch mir selbst hat es schon gute Dienste geleistet.« Er sah zu, wie Ivo vorsichtig an der Flüssigkeit schnupperte. »Du sollst nicht nur dran riechen, sondern austrinken. Das Zeug schmeckt zwar grauenhaft, aber es hilft.«
Ivo nahm einen kleinen Schluck und verzog angewidert das Gesicht. »Was ist das? Gift?«
Sándor mußte lachen. »Das wäre natürlich auch ein Mittel gegen die Nachwehen des Alkohols. Aber keine Angst, mein Junge, ich will dich nicht vergiften, sondern dir helfen. Und nun stell dich nicht so an. Austrinken, hab ich gesagt.«
Mit Todesverachtung leerte Ivo das Glas. »Also, viele Jugendsünden hat dein Vater bestimmt nicht begangen.«
»Täusch dich nur nicht. Wenn man meiner Großmutter glauben darf, dann hat er so mit zwanzig, einundzwanzig manche ganze Nacht durchzecht. Erst als er hier in Steinhausen meine Mutter kennenlernte und sie mit nach Ungarn nahm, wurde er angeblich ruhiger.«
»Wenn seine Mutter ihm danach jedesmal dieses Zeug eingeflößt hat, glaube ich das gern«, urteilte Ivo. Vorsichtig faßte er an seinen Kopf. »Aber es scheint tatsächlich zu helfen. Das Dröhnen läßt schon ein bißchen nach. Nur mein Magen fühlt sich noch etwas flau an.« Mit möglichst wenigen Kopfbewegungen blickte er sich im Zimmer ein wenig um. »Warum bin ich eigentlich hier? Hatte ich etwa eine Alkoholvergiftung?«
»Das nun nicht gerade, aber du bist vom Rad gestürzt«, antwortete Sándor.
»Meine Güte, ich habe wirklich einen totalen Filmriß«, gestand Ivo. »Habe ich… irgend etwas angestellt?«
»Wie man’s nimmt«, entgegnete Sándor, dann erzählte er, was in der vergangenen Nacht vorgefallen war. Er ließ nichts aus – nicht einmal seine Erste-Hilfe-Leistung, die eher eine grobe Mißhandlung gewesen war.
»Parker hat mich zu einem
Erste-Hilfe-Kurs verdonnert«, schloß er, dann zuckte er die Schultern. »Dafür wird mein Ausrutscher wenigstens unter uns bleiben.« Ein wenig beschämt senkte er den Kopf. »Es tut mir leid, daß ich so grob zu dir
war.«
Gelassen winkte Ivo ab. Ich weiß nichts mehr davon, also vergiß es. Außerdem war ich ja zumindest mitschuldig an deiner Entgleisung. Ich war in dieser Nacht wohl nicht gerade umgänglich.«
»So könnte man es ausdrücken«, meinte Sándor, dann suchte er den Blick seines Freundes. »Nun aber raus damit, Ivo. Was war der Grund für dein Verhalten?«
»Ich habe Kopfschmerzen«, wich der junge Mann aus. »Laß mich noch ein bißchen schlafen.«
Doch Sándor schüttelte den Kopf. »Du hast bereits fünfzehn Stunden geschlafen. Das ist in meinen Augen mehr als genug. Im übrigen kommen deine Kopfschmerzen nur von dem ungewohnten Alkoholgenuß, und da hilft dir der Schlaf auch nichts. Komm schon, Ivo, ich bin dein bester Freund – dachte ich wenigstens immer. Wenn du mit mir nicht sprechen kannst, mit wem dann?«
Ivo seufzte. »Ja, du bist mein bester Freund, aber…« Resigniert winkte er ab. »Ach, was soll’s? Anne hat mich sitzenlassen, ich bin seit gestern arbeitslos, und daraufhin wurde mir natürlich auch noch die Firmenwohung gekündigt. Reicht das nicht aus, um sich zu betrinken?«
»Voll und ganz«, stimmte Sándor zu, dann schüttelte er betroffen den Kopf. »Meine Güte, da hat’s dich ja wirklich erwischt.«
»Die Kündigung wäre eigentlich nur halb so schlimm«, gestand Ivo niedergeschlagen. »Ich bin nicht wählerisch, was die Arbeit betrifft. Irgendwo werde ich schon wieder unterkommen, aber das mit Anne… das hat mich echt getroffen. Vor einer Woche haben wir noch über einen gemeinsamen Urlaub gesprochen, und gestern kam sie plötzlich an und sagte, sie würde mich nicht mehr lieben – einfach so… ohne Streit, ohne daß ein anderer Mann im Spiel wäre. Ich war wie vor den Kopf gestoßen.«
Sándor senkte den Kopf. Gerade jetzt wollte er Ivo nicht sagen, daß er die Beziehung zwischen ihm und Anna schon immer mit gemischten Gefühlen betrachtet hatte. Ivo war treu wie Gold, Anne dagegen – sie war für eine dauerhafte Beziehung einfach nicht geschaffen. Irgendwie hatte Sándor mit einem so abrupten Ende gerechnet, und auch die Art, wie Anne Schluß gemacht hatte, paßte genau in das Bild, das er sich von ihr gemacht hatte.
»In diesem Urlaub… da wollte ich sie fragen, ob sie meine Frau werden will«, meldete sich Ivo leise zu Wort.
Seine traurige Stimme schnitt Sándor ins Herz und unwillkürlich fragte er sich, weshalb so anständige Burschen wie Ivo meistens an solche Biester wie Anne gerieten. Dabei wurde Sándor wieder einmal bewußt, welch ein Glück er selbst mit seiner Eva-Maria hatte.
»Hör