Wyatt Earp Paket 2 – Western. William Mark D.
Und Gregg nickte mehrmals hintereinander.
Yeah, sie konnten stolz sein auf ihren denkenden Bruder, die Harpers…
*
Nach Einbruch der Dunkelheit brachen sie auf.
Joe und Gregg zuerst, Clint und Charly ein paar Minuten später.
Es war nicht weit hinüber nach Dodge. Knapp fünfzig Meilen.
In Cimarron hatten sie schon mehr als die Hälfte hinter sich. Da sie scharf ritten, trafen sie, wie von Joe vorausberechnet, gegen elf am westlichen Stadtrand ein.
Verwundert musterten die beiden voranreitenden Tramps das seltsame Straßenschild der Hauptstraße: Die Dodger Frontstreet war nur auf der nördlichen Seite mit Häusern bestanden.
Die Südseite bildeten die Bahn, ein paar Depots – und an der Ecke zur Arkansas Bridge Street, das Marshals Office und das anschließende Jail.
»Sieht das merkwürdig hier aus«, krächzte Gregg und sah sich beklommen um.
Joes Augen flogen über die hellerleuchtete Häuserfront zur Linken.
Da war ja fast ein Saloon neben dem anderen! So viele Schenken hatten die beiden Dakota Men in ihrem Leben noch nicht nebeneinander gesehen.
»Heavens, wer will diese Ka-
schemmen denn alle besuchen?« fragte Gregg.
Joe zog die Schultern hoch.
»Keine Ahnung. Vielleicht sind die Leute hier alle durstig und machen abends eine Wanderung durch die einzelnen Bars.«
Dröhnendes Gehämmer von Musikkästen, die jaulend, da zu dicht aufeinanderstehend, ihre unrhythmischen Melodien in die Nacht hinaus stampften, girrendes Frauenlachen, vermischt mit brüllendem Gegröle aus rauhen Männerkehlen, Gläsergeklirr, Schreien, Fluchen und Pfeifen – alles vereinigte sich zu dem Song of Dodge, wie der Gambler Holliday es einmal genannt hatte.
Diese nicht einmal sehr große Stadt hatte etwas besonderes. Ganz zweifellos strahlte sie irgendwie magische Anziehungskraft auf die Menschen dieses Landes aus. Und der Hinweis einiger Historiker, das sei nur auf die Viehtrecks und die Verladestation zurückzuführen gewesen, muß mit der Bemerkung abgewiesen werden, daß es in den siebziger Jahren viele sogenannte Trail-Endstationen gab, auch am Arkansas. Aber keine blühte auf wie Doge City.
Nie wieder sollte die alte Treibherdenstadt diesen Glanz erleben, diesen Zustrom von Menschen, und nie wieder würde die Luft in ihren Straßen, die nach Rinder, Leder, Durham-Tabak, Pferden und Pulverrauch roch (so Doc Holliday!) ein Geruchsgemisch von ähnlich suggestiver Anziehungskraft auf die Menschen haben.
Vorm Marshals Office brannte ein Windlicht.
Joe sah es sofort – und sah auf der Fensterscheibe auch den großen Fünfzack, eingerahmt in ein Wappen, das er an der Brust des Marshals gesehen hatte.
Gregg starrte auf das im leichten Abendwind hin und her schaukelnde Licht und auf das große milchige Fenster mit dem Stern. »Was er wohl so früh in Garden City gewollt haben mag?«
Auch Joe hatte schon darüber nachgedacht.
»Keine Ahnung. Was ein richtiger Wolf ist, der streunt durch die Gegend. Vielleicht war er hinter irgendeinem armen Burschen her, der eine Kugel zu schnell abgegeben oder ein Messer zu rasch auf die Reise geschickt hatte. Diese Schufte sind immer hinter einem her.«
»Vielleicht wird er eines Tages auch hinter uns her sein, Joe.«
Der »denkende« Harper schüttelte den Kopf.
»Das werden wir nicht riskieren, Boy. Er wird keine Zeit mehr dazu haben. Jetzt, in dieser Stunde, sind die Männer in die Stadt eingeritten, die ihn auslöschen werden. Die ihn mit einem einzigen Messerstich oder einer Kugel vernichten werden.«
Er warf den Kopf ins Genick und sog die Dunstwolkenschleier, die aus dem Billuk Saloon strömten, tief und voller Behagen ein.
»Riechst du was, Gregg?«
Der Bursche mußte seinen Blick gewaltsam von dem Marshals Office losreißen.
»Damned, ich gäbe was drum, Joe, wenn wir schon wieder weg wären. Die Stadt – ist mir unheimlich.«
»Da!« Joe stieß ihn an. »Mach die Augen auf. Da siehst du die berühmteste Schenke des ganzen Westens.«
Neben einem größeren Haus war ein kleiner Saloon, der allerdings einen sauberen Eindruck machte. Vorn links auf der großen Scheibe stand mit gewaltigen roten Lettern:
LONG BRANCH SALOON
Gregg hatte den Kopf gewandt, und seine Lippen murmelten fast andächtig: »Long Branch Saloon!«
Dann fiel ihm der Löwe ein, der ja in dieser Höhle sitzen sollte.
»Zounds! Doc Holliday! Er sitzt da drin! Und hier ist es hell wie in einem Zimmer! Jedes Fenster dieser verdammten Straße scheint erleuchtet zu sein. Komm, wir verziehen uns da hinüber an den dunklen Bau hinter den Schienen.«
Der andere schüttelte den Kopf.
»Ich denke nicht daran. Da kann es gefährlich sein. Hier nicht. Du hast die falsche Betrachtungsweise, Boy. Da drüben wohnt Wyatt Earp – und hier Doc Holliday. Wir sitzen mitten drin. Sicher wie in Abrahams Schoß. Was kann uns hier passieren?«
Er rutschte aus dem Sattel und band sein Pferd an dem großen vierkantigen Zügelholm der Schenke
an.
Gregg folgte ihm und blickte mit weiten Augen durch das Fenster in den Saloon.
Da schien alles sehr ruhig vor sich zu gehen, obgleich der Schankraum zum Brechen voll war.
Joe holte sein Rauchzeug aus der Tasche und drehte sich in aller Gemütsruhe eine Zigarette, so als stünde er daheim an einem Weidenzaunpfahl.
Als das Zündholz aufflammte, zuckte Gregg zusammen.
»Du hast schlechte Nerven, Boy. Vielleicht hätten wir dich doch auf die Schule in Quincy schicken sollen, wo man Reverend oder Lawyer wird. Gar nicht schlecht. Vielleicht können wir eines Tages sogar einen Anwalt brauchen…«
Er war von einem euphorischen Berauschtsein erfaßt, der Bandit Joe Daniel Harper. Nun war er in Dodge, mitten in dem Dodge des berühmten Sheriffs Earp! Er stand vor dem Spielsaloon, in dem der große Gambler Holliday seine Karten mischte, wählte und auf den grünen Samt warf. Und er, der Desperado Joe Daniel Harper, war mit einem Vorsatz in die Stadt gekommen, den kein anderer Mann vor ihm gehabt hatte.
Es waren viele Männer nach Dodge gekommen, um mit dem Marshal »abzurechnen«, andere waren nur deshalb gekommen, weil sie sehen wollten, wie schnell er tatsächlich zog – aber alle waren sie geschlagen worden.
Und das war das Besondere an Joe Harper. Er war gekommen, weil er den großen Wyatt Earp aus seiner eigenen Stadt entführen wollte!
»Wollen wir tatsächlich hier in der Festbeleuchtung auf Clint und Charly warten?«
»Natürlich. Das heißt, zumindest unsere Pferde lassen wir hier, denn hier stehen sie sicher.«
Langsam gingen sie dann die Straße wieder zurück, schlenderten über die überdachten Stepwalks, die sich von einem Haus zum anderen zogen, bis sie fast das Ende der Frontstreet erreicht hatten.
»Santa Fé soll größer sein«, sagte Joe, der sich immer noch nicht von seinem berauschten Gefühl hatte lösen können.
»Ich wollte, ich wäre oben auf dem Pineridge Plains«, krächzte der andere. Dann blickte er über die Straße, die am Fluß entlang nach Westen führte.
Hufschlag mehrerer Pferde war zu hören.
»Das sind sie«, stieß Gregg aufgeregt hervor.
»Unsinn«, knurrte Joe. »Sie können noch nicht hier sein. Ich habe Clint gesagt, daß er sich Zeit lassen soll. Wenn er gegen halb zwölf da ist,