Wyatt Earp Paket 2 – Western. William Mark D.
der Ortschaft Vascolin gefunden, die aus fünf ganzen Häusern bestand.
Barring sah den Marshal – und zog sofort den Colt.
Das war sein Pech. Mit zerschossener Hand landete er im Jail des Sheriffs von Vascolin.
»Ich lasse ihn morgen abholen«, hatte Wyatt Earp gesagt und sich sofort auf den Heimritt gemacht.
Jetzt brachte er seinen Tupfschimmel in den Stall und sah nach seinem Rappenhengst, der in der ersten Box stand. Und wie immer, wenn er allein im Stall bei seinen Tieren stand, überkam ihn für einen Augenblick der wehmütig stimmende Gedanke an seinen unvergleichlichen Schwarzfalben, den ihm niemand anders als der große Bandenboß Ike Clanton unten in Flaminias zusammengeschossen hatte.
Er verließ den Stall, durchquerte den kleinen Hof und trat durch die Hintertür ins Haus.
Als er seinen Hut auf den Wandhaken geworfen hatte, steckte er sich eine Zigarre an und wollte kurz nach dem Bruder sehen, über dessen Besuch er sich so gefreut hatte.
He! Wo war er denn?
Morgan war wie Wyatt kein Freund von Alkohol und auch kein Mensch, der nicht vom Pokertisch wegzubringen war. Zudem mußte er doch zum Umfallen müde sein.
Der Missourier sah sich in dem verwaisten Office um.
Nichts.
Auf dem Tisch lag Bat Mastersons erloschene holländische Ritmesterzigarre.
Wyatt nahm seinen Hut und verließ das Office durch die Hoftür.
Ein sonderbares Gefühl hatte ihn beim Anblick der leeren Pritsche in dem kleinen Raum erfaßt.
Ein Gefühl, das er genau kannte und das ihn nie getrogen hatte.
Es ist etwas passiert!
Wo ist Morg?
Er suchte ihn in der Frontstreet, blickte kurz unten in den eleganten Spielsalon des Dodge House Hotels, wo die hübsche Francis Durriage an der Theke stand – die, wie Wyatt wohl wußte, dem Bruder nicht eben mißfiel.
Die junge Frau sah zur Tür und wurde flammendrot, als sie den Mann erkannte, der hereinkam.
Wyatt Earp! Ihr heimlicher Schwarm. Gab es doch für sie, nirgends im County und überhaupt nirgendwo im Westen einen Mann wie ihn!
Aber er machte sich nichts aus ihr. Ginger Priestley, ihre Freundin, hatte ihr erzählt, daß der Marshal mehr Interesse an Jenny Bonames, der Tochter eines großen Ranchers im Süden der Stadt hätte. Und dann hieß es seit einiger Zeit, daß die schöne Nellie Cashman unten im fernen Tombstone sein Herz erobert hätte.
Francis Durriage nahm die Hände von den beiden Gläsern, die sie gerade hatte wegstellen wollen, wischte sie rasch an der Schürze ab und kam dem Missourier entgegen.
»Mr. Earp…!« Sie sah ihn aus großen bernsteinfarbenen Augen an.
Der Marshal blickte über sie hinweg und durchforschte den Raum.
»Morgan war nicht hier?«
Die Enttäuschung färbte das Gesicht der hübschen Frau augenblicklich einen Ton blasser. Sie senkte den Kopf.
»Morg? Nein, ich habe ihn nicht gesehen.«
Wie hatte sie auch hoffen können, daß er ihretwegen gekommen war! Morg war ja heute gekommen…
Wyatt entschuldigte sich und ging wieder.
Er suchte anderthalb Stunden, immer wieder blickte er zwischendurch ins Office.
Aber Morgan blieb verschwunden.
Er blieb die ganze Nacht verschwunden.
Gegen sechs stand Wyatt auf, wusch sich im Hof am Brunnen und stieß in der Tür mit Bat Masterson zusammen.
»Hallo, Boß…«
»Hallo, Bat!«
»Morg schläft noch?«
Wyatt schüttelte den Kopf und nahm das blaue Handtuch von seiner muskulösen Schulter.
»Nein, er ist überhaupt nicht da. Ich dachte, Sie wüßten vielleicht, wo er steckt?«
»Ich…? Nicht da? Damned! Ich wurde heute nacht von Tub Miller geholt, ein paar Boys waren dabei, seine Kühe zu sortieren. Wir haben sie mit ziemlich viel Mühe und teuren Patronen vertrieben. Als ich zurückkam, war hier alles dunkel…«
Als der Earp-Bruder gegen Mittag noch nicht im Office war, stand der Marshal an der Tür und sah mit düsterem Blick auf die Straße.
»Ich habe es sofort gewußt, als ich das leere Bett sah. Er ist verschleppt worden.«
»Verschleppt worden…?« stotterte Masterson. »Heavens! Wer sollte ein Interesse daran haben, ihn zu verschleppen?«
»Keine Ahnung.«
Drüben auf den Stepwalks kam vom Dodge House her ein großer schlanker Mann im elegant geschneiderten grauen Anzug. Er hatte einen federnden Schritt und hielt im Mundwinkel eine lange russische Zigaret-te.
Doc Holliday!
Wyatt öffnete die Tür.
Holliday wandte den Kopf.
Die beiden Männer gingen aufeinander zu und trafen sich in der Straßenmitte.
»Hallo, Marshal!«
»Hallo, Doc.«
»Was ist mit Morg los?«
Wyatt zog die Brauen zusammen.
»Wie kommen Sie denn darauf?«
»Weil Sie ihn bei Francis Durriage gesucht haben und weil Sie auch in die anderen Saloons geguckt haben – und weil Sie ein ziemlich saures Gesicht machen.«
Wyatt blickte die Straße hinunter nach Osten.
»Er ist verschwunden.«
Holliday rieb sich das Kinn.
»Ob es da nicht jemand auf Sie abgesehen hatte?«
»Das nehme ich auch an.«
Da kam unten aus dem Wagenabstellplatz ein grauhaariger Neger angerannt.
»Marshal! Marshal! Kommen! Joseph sein verschwunden! Vollkommen in Luft…«
Die beiden Männer kamen sofort mit.
Im Hof stand eine weinende Frau.
»Marshal, er ist weg. Verschwunden. Es gefiel ihm schon lange nicht mehr daheim. Seit sein Vater tot ist, wuchs ihm die Arbeit über den Kopf. Wir haben sieben Kinder im Haus, Joes Geschwister. Und er mußte sich halb totschuften… Er ist weg.«
Wyatt sah sich im Hof um.
»Kann er hier nirgends mehr sein?«
»Wo denn? Es fehlt doch jede Spur von ihm.«
»Im Haus?«
»Wir haben alles abgesucht.«
Doc Holliday bückte sich und hob etwas auf.
Einen Knopf. Er zeigte ihn der Frau. Es war ein heller lederbezogener Knopf.
Die Frau schlug die Hände vor den Mund.
»Von seiner Jacke! Ich habe ihm den Knopf selbst angenäht, ich hatte ihn noch von dem Engländer, der hier mal seine Wagen stehen hatte, damals, als die Einwanderer hier durchzogen…«
Holliday blickte den Marshal an.
Wyatt sah auf den Knopf und ging quer durch den Hof.
Der Neger stand an der Stalltür. Als Wyatt auf ihn zukam, wich er zur Seite.
Holliday blieb mitten im Hof stehen.
»Haben Sie auch Pferde?«
Der Neger schüttelte den Kopf.
Nein, Massa, Doc. Nicht Pferde hier.