Wyatt Earp Paket 2 – Western. William Mark D.
Burschen, denen es eine Ehre zu sein hatte, einen Knock-out aus den Fäusten des Dodger Marshals einzustecken, kamen geduckt heran.
Wyatt reichte ihnen die Hände, dann sah er wieder den Sheriff an.
»Dan Bradley – oder nicht?«
Der Sheriff nickte. »Freut mich, daß Sie sich meiner noch erinnern, Wyatt. Sehen Sie, damals war ich ein kleiner Wicht, und heute bin ich selbst Sheriff. Sheriff von Santa Fé! von der wichtigsten Stadt des Westens!«
Er sah sich im Kreis seiner Deputies um und fügte dann rasch, als er deren betretene Gesichter sah, hinzu:
»Well, ich bin natürlich noch kein so berühmter Mann wie sie, Marshal, aber das kann ja noch werden!«
Wieder schlug er seine dröhnende, nicht ganz echte Lache an und wandte sich dann der Tür zum Nebenraum zu.
»Kommen Sie, Wyatt. Hier gibt’s noch Nebenräume. Es ist noch so eng und primitiv hier wie oben bei Ihnen in Dodge! Früher bei Brock war das noch anders. Der legte auch keinen Wert auf Platz. Ich brauche Platz, verstehen Sie?«
Wyatt nickte, obgleich er absolut nicht verstand.
Bradley entkorkte eine Flasche, aber Wyatt lehnte den Drink ab.
Bradley steckte sich eine Zigarette an und lachte.
»Yeah, ich erinnere mich, Sie haben ja schon damals nicht getrunken. – Damned, Wyatt Earp in Santa Fé! Ich kann es kaum glauben! Was hat Sie hergeführt? Kann ich Ihnen helfen? Wie sieht’s in Dodge aus? Ist Bat Masterson noch bei Ihnen?«
»Yeah«, unterbrach ihn der Missourier etwas mißmutig.
Bradley lehnte sich mit einem Ruck über den Tisch.
»Und Doc Holliday – wie geht’s ihm?«
»Gut.«
»Ich habe damals den einen Abend dazu benutzt, ihm im Long Branch Saloon beim Pokern zuzusehen. Allmächtiger, war das ein Spieler! Er hatte die beiden Jenkins Brothers damals gegen sich. Die geriebensten Kartenhaie, die ich je gesehen habe. Sie waren vor vier Monaten auch in Santa Fé! Damned, hat Holliday sie abfahren lassen! Es war eine wahre Freude, dabei zuzusehen!«
Er redete viel und laut, der junge Sheriff. Offensichtlich machte es ihm Freude, sich selbst reden zu hören.
Und sehr schnell brachte er auch das Gespräch auf eine Person. Er sprach von seinen Erfolgen als Verbrecherjäger, von seinem Ansehen in der Stadt bei den Bürgern, von seinen Erfolgen bei den Frauen und von all den Dingen, die er neu eingeführt hatte.
»Sehen Sie, zum Beispiel hier das größere Office, das ist ein Fortschritt, Wyatt. Das müssen Sie zugeben. Der Sheriff von Santa Fé kann doch nicht in einer kleinen Holzbude sitzen…«
Zum erstenmal seit einer halben Stunde unterbrach ihn der Marshal.
»Ich weiß nicht, Bradley. Ich glaube, daß es gar nicht darauf ankommt, was für ein Büro ein Gesetzesmann hat. Viel wichtiger erscheint mir, was er leistet.«
Bradley fuhr hoch und blähte sich auf.
»He, wie meinen Sie das?« Dann lachte er wieder dröhnend los. »Es ist Ihr Glück, daß Sie Wyatt Earp sind! Ich reagiere blitzschnell! Well, ich weiß, daß Sie einer der schnellsten Männer im Westen sind – aber – nun ja, was heißt, was er leistet? Denken Sie etwa, ich leiste nichts? Dann sind Sie auf dem Holzweg. Nie zuvor hat ein Sheriff von Santa Fé soviel geleistet wie ich. Ich…«
»Wie war das mit Brock?« fragte Wyatt wie nebenbei.
Der Sturmlauf des jungen hartgesichtigen Gesetzeshüters war unterbrochen. Er setzte sich nieder und legte die merkwürdig unförmigen Hände mit den krallenartigen Fingern zusammen.
»Mit Brock? Wie soll es gewesen sein? Er – er war eben Sheriff hier…«
»Und ziemlich lange, nicht wahr?«
»Yeah.« Bradley zog die Schultern hoch. »Doch, ja, ein paar Jahre waren es schon.«
»Und jetzt?«
»Was jetzt? Wissen Sie vielleicht nicht, was passiert ist?«
Wyatt stellte sich unwissend.
»Was ist passiert?«
Bradleys Gesicht wurde plötzlich noch härter, fast schien es Wyatt so, daß es auch einen Schein dunkler wurde.
»Brock sitzt in Fort Worth.«
»Ah…?«
»Yeah. Er ist zu lebenslänglicher Zwangsarbeit verurteilt worden.«
»Weswegen?«
»Wegen Raubes –?und Mordes.«
Wyatt nahm eine seiner großen schwarzen Zigarren aus der Tasche, biß die Spitze ab und riß ein Zündholz an. Dann lehnte er sich zurück.
Bradley stand auf und ging mit unruhigen, schlecht abgemessenen Schritten auf und ab. Während er sprach, begleitete er seine Worte unentwegt mit theatralischen Gesten.
»Well, ich sehe, daß Sie erstaunt sind. Wir waren es auch, das kann ich Ihnen schwören, Earp. Aber eines steht fest: Ich habe immer gewußt, daß er nicht in Ordnung war. Ich habe es gewußt und auch dem Mayor gesagt.«
»Ach…?« Wyatt zog die dunkel geschwungene Braue des linken Auges hoch in die Stirn. »Sie haben es dem Mayor gesagt?«
»Ja, damals schon, als sie ihn griffen…«
»Wer griff ihn?«
»Nun, eigentlich gestellt hat ihn niemand. Er kam ja selbst zurück, nachdem er das Gold weggeschafft hatte.«
»Aha.«
Bradley zog die farblosen Brauen hoch, die über der Nasenwurzel zusammengewachsen waren.
»Weshalb interessiert Sie der ganze alte Kram? Es ist vorbei. Brock hatte damals zwölf Jahre bekommen. Und als er vor einiger Zeit versuchte, aus dem Straflager auszubrechen, hat er einen Wächter ermordet. Jetzt hängt er fest – für immer.«
Wyatt lauschte dem Klang dieser letzten Worte nach. Fast schien es ihm, dem empfindsamen Mann so, als schwinge in ihnen ein winziger Ton von Zufriedenheit und sogar Freude mit.
War es nur die Freude darüber, daß der Mann, der hier in der Reihe der Sternträger wirklich einen großen Namen gehabt hatte, endgültig vernichtet war?
War es die Zufriedenheit über den eigenen Erfolg? Über den Aufstieg vom kleinen, letzten Deputy zum Sheriff von Santa Fé?
Wyatt sog bedächtig an seiner Zigarre und forschte durch den Tabakrauch in dem harten, schon von scharfen Falten gezeichneten Gesicht des jungen Sheriffs.
Zweifellos hatte dieser Mensch eine ganz beachtliche Energie, sonst hätte er es nie in seinen Jahren zu diesem Job bringen können.
Aber wie – wie war er Sheriff von Santa Fé geworden?
Der Missourier stellte diese Frage nicht.
Er erhob sich und meinte, daß er anderntags vielleicht noch einmal reinschauen wolle, ehe er die Stadt verlassen würde.
Bradley nickte und meinte wort-reich, es würde ihn sehr freuen.
Wyatt war schon an der Tür, als er diesen Worten nachhorchte.
Diesmal spürte er es ganz genau: sie waren nicht echt.
Im Gegenteil: Sheriff Bradley legte nicht den geringsten Wert darauf, ihn noch einmal hier in seinem Office zu sehen.
Weit nach Mitternacht erhob sich der Georgier vom Spieltisch.
Der Bankierssohn saß mit bleichem Gesicht da und starrte auf seine schlanken Hände, die leise zitternd auf dem grünen Filzbezug lagen. Dicke Schweißperlen saßen auf seiner Stirn.
Holliday hatte sich eine seiner langen russischen Zigaretten angezündet, nahm einen Schluck von