Der Bergpfarrer Staffel 15 – Heimatroman. Toni Waidacher
sie sich an den Geistlichen.
Sebastian nickte.
»Ja, und es hat mir gut gefallen. Eine sehr schöne Geschichte. Abwechslungsreich, voller Dramatik und Romantik. Ich gratuliere Ihnen dazu.«
»Vielen Dank. Das freut mich.«
Sie schaute sich um. An die dreihundert Leute schienen auf dem Saal zu feiern. Ob Tobias auch darunter war?
Schwer festzustellen, bei der Menge, die ständig in Bewegung war. Die Leute liefen hin und her, und auf der Tanzfläche herrschte ein großes Gedränge.
Allerdings war die Wahrscheinlichkeit, Tobias hier zu treffen, groß. Der Tanzabend war die einzige Abwechslung für die Bauern, die die ganze Woche über hart arbeiten mußten. Bestimmt ließ er sich diese Gaudi nicht entgehen.
Als die Getränke serviert waren, und sie angestoßen hatte, forderte Pfarrer Trenker Brigitte zu ihrer großen Überraschung zum Tanzen auf.
»Ich hätt’ gar net gedacht, daß ein Geistlicher tanzt«, meinte sie.
»Warum net?« entgegnete er schmunzelnd. »Tanzen ist doch etwas sehr Schönes.«
Und sie staunte nicht schlecht, als die ›Wachnertaler Bu’am‹ einen flotten Foxtrott anstimmten, und Hochwürden sie gekonnt führte.
Brigitte war begeistert, und der nächste Tanz gehörte ihnen auch.
»Kompliment, Hochwürden«, sagte sie. »So einen guten Tanzpartner findet man selten.«
»Ich darf das Kompliment zurückgeben«, erwiderte der Bergpfarrer lächelnd.
Sie gingen zum Tisch zurück.
Auf halbem Wege stockte ihr Schritt. Brigitte schaute unsicher zurück.
Doch, sie hatte sich nicht getäuscht, an einem der Tische saß Tobias Rauchinger, und ihre Blicke begegneten sich.
*
Markus Bruckner belegte sie gleich mit Beschlag. Brigitte war viel zu konfus, um auf die Fragen des Bürgermeisters zu antworten. Automatisch nickte sie oder schüttelte den Kopf, antwortete mit Ja oder Nein. Dabei sah sie immer wieder zu dem Tisch hinüber, an dem Tobias saß, den sie aber nicht sehen konnte, weil er von einem Pfeiler verdeckt wurde.
Sie entschuldigte sich und stand auf. Sebastians Blick folgte ihr, als sie hinüberging. Ihr Herz klopfte zum Zerspringen, und sie spürte, wie ihr die Röte ins Gesicht stieg.
»Guten Abend, Tobias«, sagte sie mit zitternder Stimme.
Er hob den Kopf und sah sie an. Neben ihm saß eine junge Frau, die ihren Arm um seine Schulter gelegt hatte. Sie blickte Brigitte ebenfalls an. Neugier lag in ihren Augen.
Der Bauer räusperte sich.
»Guten Abend…«
Unschlüssig stand sie vor dem Tisch, machte eine entschuldige Handbewegung.
Er sah immer noch gut aus. Älter zwar, männlicher und reifer, aber äußerst attraktiv.
»Ich dachte, ich hätt’ mich getäuscht«, sagte sie verlegen.
»Wer ist denn das?« fragte die Frau neben ihm.
»Eine alte Bekannte«, erwiderte Tobias kurz und machte sich nicht die Mühe, sie einander vorzustellen.
Dann blickte er Brigitte an.
»Das ist wirklich eine Überraschung.«
Sie versuchte zu lächeln, aber es wollte ihr nicht recht gelingen.
»Kann ich dich einen Moment sprechen«, bat sie.
Er zuckte die Schultern.
»Ich wüßt’ net, was wir zwei zu besprechen haben«, entgegnete er.
»Wer ist denn das?« fragte die Frau an seiner Seite noch mal.
Diesmal klang ihre Stimme unwillig, gereizt. Brigitte wußte nicht, was sie von der Begegnung erwartet hatte, aber gewiß nicht, daß er so kurz angebunden war.
So abweisend!
»Entschuldigung«, stammelte sie. »Ich wollt’ net stören.«
»Hast du aber«, rief die Frau ihr hinterher, als sie sich umdrehte und davonging.
»Ist alles in Ordnung?« fragte Pfarrer Trenker, als sie an den Tisch kam und nach ihrer Tasche griff.
»Ja, ja«, nickte sie. »Ich muß nur mal einen Moment an die frische Luft.«
Claudia und Max kamen gerade vom Tanzen zurück.
»Was hat sie denn?« erkundigte sich die Journalistin.
»Da drüben sitzt jemand, der ihr mal sehr viel bedeutet hat«, antwortete Sebastian. »Und ich glaub’, er bedeutet ihr immer noch sehr viel. Aber das Wiedersehen war wohl net so, wie die Brigitte es sich vorgestellt hat.«
Mit dieser Vermutung hatte er den Nagel auf den Kopf getroffen.
Brigitte Granzinger atmete die frische Luft tief ein. Auf dem Saal war es unerträglich heiß. Hinzu kam die Hitze, die in ihr aufgestiegen war, als ihr klar wurde, daß es eine Dummheit war, zu hoffen, Tobias würde sie mit offenen Armen empfangen.
Langsam ging sie die Straße hinunter. Außer ihr hatten zahlreiche andere Gäste denselben Gedanken gehabt, draußen frische Luft zu schnappen. Sie standen zu zweit oder zu mehreren herum und unterhielten sich. Brigitte kannte niemanden von ihnen und setzte sich auf eine Bank, die abseits stand. Von hier aus schaute sie auf das Hotel und dachte, daß es besser gewesen wäre, wenn sie Tobias nicht angesprochen hätte.
Nichts von dem, was sie sich vorgestellt hatte, war eingetreten. Das Wiedersehen war ein einziges Fiasko gewesen, und Brigitte schalt sich im Nachhinein, daß sie so dumm war, anzunehmen, Tobias könne ungebunden sein und nur auf sie gewartet zu haben. Die Frau neben ihm hatte sie eines Besseren belehrt, abgesehen davon hätten Pfarrer Trenkers Worte gestern nachmittag sie schon warnen müssen.
Es sah jedenfalls nicht so aus, als wenn Tobias sie groß vermißt hätte, oder daß er gar auf seinem Hof saß und Trübsal blies. Wahrscheinlich hatte er sie sowieso längst vergessen.
Mit einem Mal schien ihr alles so unsinnig. Das Filmprojekt – sie hatte es nur so vorangetrieben, um einen Grund zu haben, wieder hierher zu kommen. Nun hatte es sich als Trugschluß erwiesen, ihre Rückkehr könne wieder etwas in Gang setzen, was vor sieben Jahren so abrupt abgebrochen wurde.
Als wenn man Gefühle auf Eis legen könne und sie wieder auftauen, wenn man sie brauchte!
Brigitte war so in Gedanken versunken, daß sie die Gestalt nicht bemerkte, die aus dem Eingang des Saales getreten war und sich von der Seite her näherte. Erst als Tobias fast direkt vor ihr stand, schaute sie auf.
»Ich muß schon sagen – du bist immer wieder für eine Überraschung gut«, meinte er. »Damals wollt’ ich’s net glauben, daß du deine Ankündigung wahrmachst und fortgehst. Und dann hätt’ ich nie gedacht, daß du jemals wieder zurückkommst. Da sieht man wieder, wie man sich täuschen kann.«
Brigitte antwortete nicht gleich.
»Es tut mir leid, wenn ich dich durch mein Auftauchen aus der Fassung gebracht haben sollte«, sagte sie schließlich. »Ich hoff’, du konntest trotzdem die Neugier deiner Freundin befriedigen.«
»Die Franzi ist net meine Freundin«, erwiderte er mit einer wegwerfenden Handbewegung. »Und aus der Fassung gebracht hast’ mich heut’ abend auch net. Irgendwie hab’ ich damit gerechnet, daß du herkommen würdest, nachdem du gestern schon auf dem Hof warst.
Da, muß ich allerdings zugeben, da hast’ es tatsächlich geschafft, daß ich ein bissel durcheinander war.«
Er schaute auf sie herab. Allerdings stand er im Licht einer Straßenlaterne, so daß sie sein Gesicht nicht richtig erkennen konnte.
»Wie geht’s dir?«
Er