Der Bergpfarrer Staffel 15 – Heimatroman. Toni Waidacher
zu einem anderen Tisch, an dem ein paar Freundinnen von ihr saßen.
Tobias schien das nicht zu interessieren. Mit seinen Gedanken war er ohnehin ganz woanders.
Bei ihr…
Obwohl er durch die Magd ja wußte, daß Brigitte zurückgekehrt war, hatte ihn die Begegnung mit ihr doch mitgenommen. Als sie vor dem Tisch stand, war ihm nichts anderes eingefallen, als der Unsinn, den er dann von sich gegeben hatte. Kaum ausgesprochen, hatte er seine Worte schon bereut, und das war auch der Grund, warum er ihr nachgelaufen war.
Eigentlich hatte er sich für sein Benehmen entschuldigen wollen. Als sie dann aber auf der Bank saß und ihn so seltsam anschaute, da kam ihm der ganze Frust und Ärger wieder hoch. Sieben Jahre lang hatte er davon geträumt, sie wiederzusehen, ihr zu sagen, wie weh sie ihm getan hatte.
Und jetzt war der Augenblick gekommen, doch er hatte nicht die richtigen Worte gefunden, weil er viel zu aufgeregt war. So wurde aus der geplanten Aussprache nicht viel mehr als eine einseitige Schuldzuweisung, Vorwürfe, im Zorn ausgesprochen.
Tobias blickte erstaunt auf, als Pfarrer Trenker ihn ansprach. Der Bauer gehörte zur Kirchengemeinde Engelsbach, aber den Bergpfarrer kannte er natürlich.
»Ich würd’ mich gern’ einen Moment mit dir unterhalten«, sagte Sebastian Trenker. »Magst’ mit hinauskommen?«
Tobias nickte und folgte dem Geistlichen vor die Tür.
Dabei fragte er sich, was Pfarrer Trenker wohl von ihm wollte.
»Ich hab’ gestern eine junge Frau kennengelernt«, kam der gute Hirte von St. Johann ohne Umschweife auf das Thema. »Brigitte Granzinger – der Name sagt dir ja wohl was…«
Tobias zuckte die Schultern und nickte.
»Und heut’ abend habt ihr euch wiedergesehen. Brigitte hat mir erzählt, wie’s damals mit euch war«, fuhr Sebastian fort. »Sie ist mit großer Hoffnung heimgekehrt und glaubte, du würdest ihr verzeihen.«
Der Bauer verzog das Gesicht.
»Da macht sie sich’s ein bissel zu einfach«, sagte er.
»Du machst es dir einfach«, gab der Geistliche zurück. »Ich bin zwar net Zeuge eurer Unterhaltung gewesen, aber die Tatsache, daß Brigitte net mehr auf den Saal zurückgekommen ist, zeigt mir deutlich, daß es keine Aussprache war, die ihr hattet. Dein Gesicht, das du nachher am Tisch gezogen hast, sprach übrigens Bände.«
»Stimmt«, meinte Tobias, »ich wünschte, es wär nie zu dieser Begegnung gekommen.«
«Bist’ dir da ganz sicher?« fragte Sebastian. »Ich hab’ eher den Eindruck, du bist ärgerlich über dich selbst.«
Verblüfft starrte der Bauer ihn an. Die Menschenkenntnis des Geistlichen war unglaublich.
Oder konnte er Gedanken lesen?
»Tobias«, sagte der Bergpfarrer eindringlich, »es ist eine lange Zeit vergangen. Was immer auch geschehen ist, ihr habt euch einmal sehr gern’ gehabt. Brigitte weiß, daß es ein Fehler war, im Streit auseinander zu gehen, und sie würd’ sehr viel drum geben, wenn ihr euch wieder versöhnen könntet. Vor allem auch, weil sie länger im Wachnertal bleiben wird.«
»Für immer?« fragte Tobias überrascht.
»Das weiß ich net. Ob Brigitte für ganz hierbleibt, wird die Zukunft zeigen. Nein, sie hat hier zu tun. Eine Fernsehserie soll hier gedreht werden, vielleicht hast’ ja schon davon gehört, und Brigitte ist Produktionsassistentin in der Firma, die das Projekt durchführt. Es ist als net ausgeschlossen, daß ihr euch hin und wieder über den Weg lauft, und da wär’s doch für euch beide besser, wenn ihr euch unbefangen gegenübertretet.«
»Was raten Sie mir also?« fragte der Bauer, schon sehr viel zugänglicher geworden.
»Daß du ihr die Hand reichst«, erwiderte Sebastian, »und mit der Brigitte redest. Über alles, was dir auf dem Herzen liegt. Du wirst’ seh’n, danach schaut die Welt viel schöner aus.«
Tobias Rauchinger lächelte schief.
»Vielen Dank für den Rat, Hochwürden«, sagte er. »Ich hoff’, daß ich Gelegenheit hab’, ihn zu beherzigen.«
*
»Ich bin wohl mit falschen Vorstellungen hergekommen«, bekannte Brigitte Granzinger, als sie am nächsten Morgen beim Frühstück saßen.
Nach einer fast schlaflosen Nacht war es eine Erleichterung für sie, mit ihrer Schwester und dem Kollegen darüber sprechen zu können.
»Ich versteh’ den Tobias net«, sagte Rosel. »Nach so langer Zeit sich noch so anzustellen! Ich mein’, natürlich war er damals gekränkt. Aber das ist doch schon so lang’ her. Da sollte man annehmen, daß er net mehr nachtragend ist.«
»Vielleicht bedeutet das aber auch, daß er dich immer noch liebt…«, meinte Tommy.
»Das glaub’ ich ganz sicher net«, schüttelte Brigitte den Kopf. »Pfarrer Trenker hat erzählt, daß Tobias die Herzen der Madln reihenweise bricht, der zieht sich net in ein Schneckenhaus zurück und leckt seine Wunden. Mich wird er ganz schnell vergessen haben, und als ich jetzt plötzlich wieder vor ihm stand, da kam seine ganze Wut hoch, die er all die Zeit hinuntergeschluckt hat.«
Sie zuckte die Schultern.
»Ich werd’ ihm halt aus dem Weg geh’n, solang’ ich hier bin.«
Sie schaute die beiden an.
»Habt ihr wenigstens einen schönen Abend gehabt?«
Rosel lief rot an, und Tommy grinste.
»Es war sehr schön«, antwortete er und legte seinen Arm um Rosel. »Wir wollen kein Geheimnis daraus machen.«
Brigitte lächelte.
»Daß du meine Schwester aber net enttäuschst!« warnte sie.
Er beugte sich zu Rosel und gab ihr einen Kuß auf die Wange.
»Nie im Leben!«
»Ich freu’ mich für euch«, sagte Brigitte glücklich und sah auf die Uhr. »Zeit für den Kirchgang.«
Ihre Schwester sah sie erstaunt an.
»Was sind denn das für Töne?« fragte sie. »Früher bist’ recht selten am Sonntag in die Kirche gegangen.«
»Da mußte ich ja auch«, erwiderte Brigitte. »Heut’ kann ich selbst entscheiden.«
»Unser Pfarrer ist…, na ja, ein bissel seltsam«, meinte Rosel.
»Wieso?«
»Pfarrer Eggensteiner hat vor einem Jahr die Gemeinden übernommen. Aber mit seiner Art hat er sich net viele Freunde gemacht. Seit kurzem gibt’s in Engelsbach aber einen jungen Vikar, der bei den Leuten besser ankommt.«
»Eigentlich möcht’ ich lieber nach St. Johann fahren«, sagte Brigitte. »Zum einen will ich Tobias net begegnen, zum anderen möcht’ ich noch mal mit Pfarrer Trenker reden. Wenn’s möglich ist, würd’ ich mir gern’ mal das Jagdschloß anschauen.«
Rosel nickte und sah Tommy an.
»Fährst du auch mit?«
»Na klar«, lächelte er. »Ich will schließlich mit dir zusammensein.«
Brigitte sah die beiden verträumt an.
»Ach ja«, seufzte sie, »irgendwie ist die Liebe doch was sehr Schönes.«
»Ich hoff’, du hast den Gedanken daran net ganz aufgegeben«, sagte Rosel.
»Ich weiß net«, zuckte die Schwestern die Schultern, »ich hab’ das Gefühl, daß ich darin kein Glück hab’. Also stürz’ ich mich in die Arbeit, damit ich auf and’re Gedanken komme.«
Sie fuhren zu dritt nach St. Johann. Die Glocken riefen schon zur Messe, als sie das Auto an der Straße parkten.