Der Bergpfarrer Staffel 15 – Heimatroman. Toni Waidacher
waren, einen augenzwinkernden ›Kommentar‹.
»Frau Granzinger«, begrüßte er Brigitte.
»Ich freu’ mich, daß Sie hergekommen sind. Sind S’ gestern abend gut nach Haus’ gekommen?«
Die junge Frau nickte und stellte dem Geistlichen ihre Schwester und Thomas Berghofer vor.
»Hochwürden, wär’s möglich, daß ich Sie nachher kurz spreche?« fragte sie dann.
Der Bergpfarrer nickte.
»Freilich. Ich wollt’ mich ohnehin noch mit Ihnen in Verbindung setzen.«
»So voll wie hier ist’s in Engelsbach aber nie«, flüsterte Rosel, als sie sich eine Bank suchten.
Tatsächlich waren kaum noch Plätze frei, und es kamen immer mehr herein. Das Stimmengemurmel verstummte, als ein Glöckchen ertönte, und Pfarrer Trenker mit zwei Ministranten vor den Altar trat.
Das Nachfolgende erstaunte Brigitte.
Ihre Abneigung gegen Kirchenbesuche rührte aus der Erfahrung ihrer Jugend her. Sie erinnerte sich mit Schaudern, daß der Geistliche immer vom Fegefeuer und der Hölle gesprochen hatte, in der alle Sünder früher oder später landen würden.
Ganz anders hingegen Pfarrer Trenker!
Hochwürden predigte das Wort Gottes, so wie er es verstand, sprach von der Liebe und Güte des Herrn, und anstatt mit demütig gesenktem Kopf zu lauschen, wirkten die Leute frei und unbefangen. Die Gemeinde amüsierte sich über die Späße des Geistlichen, und so mancher Lacher hallte von den Mauern des ehrwürdigen Gebäudes wider.
»Mensch, der Pfarrer ist ja eine Wucht«, flüsterte Tommy, der zwischen den Schwestern saß. »Können wir den nicht irgendwie in die Drehbücher einbauen?«
Den Gedanken hatte Brigitte tatsächlich auch gehabt. Allerdings war sie skeptisch.
»Die Idee ist net schlecht«, gab sie zurück. »Aber ich fürcht’, Hochwürden wird sich net darauf einlassen.«
»Frag’ ihn doch mal.«
Sie schmunzelte.
»Mal sehen.«
*
Nach der Messe verabschiedete Sebastian die Gläubigen wieder an der Tür. Rosel und Tommy waren schon vorausgegangen, Brigitte wartete, bis der Geistliche die Tür wieder hinter sich schloß.
»Wollen wir in die Sakristei gehen?« schlug er vor.
Sie nickte und folgte ihm.
In dem Raum, der alle möglichen Funktionen hatte, warteten die zwei Buben, die Sebastian bei der Messe assistiert hatten. Alois Kammeier war derweil dabei, die Kerzen zu löschen und die Gesangsbücher einzusammeln.
»So, ihr habt eure Sache sehr gut gemacht«, sagte Sebastian zu den Ministranten und zückte seine Geldbörse. »Da, aber net gleich wieder für Eis oder Bonbons ausgeben, sonst beschweren sich eure Mütter bei mir, daß ihr schon vor dem Mittagessen genascht habt.«
Die beiden bedankten sich und verließen mit einem glücklichen Lächeln die Sakristei. Der Bergpfarrer entledigte sich des Meßgewands und zog sein Jackett über.
»Was haben S’ denn auf dem Herzen, Frau Granzinger?« fragte er.
»Ich wollt’ fragen, ob ich vielleicht heut’ nachmittag das Jagdschloß besichtigen kann«, antwortete sie.
»Freilich«, nickte der Bergpfarrer. »Allerdings müßt’ ich mitfahren. Das Ehepaar, das dort als Hausmeister tätig ist, befindet sich für ein paar Tag’ in Urlaub, und Vikar Moser, der sonst da ist, mußte kurzfristig zu seinen Eltern fahren. Aber das ist alles kein Problem. Ich könnt’ Ihnen gegen drei Uhr alles zeigen. Wollen Sie herkommen?«
»Ja«, nickte Brigitte. »Das paßt mir auch gut.«
Sebastian sah sie einen Moment an.»Ich hab’ gestern abend noch mit Tobias gesprochen«, sagte er dann. »Ihre Begegnung ist wohl net so verlaufen, wie Sie gehofft haben…?«
»Leider net.« Sie schüttelte den Kopf. »Tobias war… sehr brüsk. Deshalb bin ich dann gleich gefahren. Es tut mir sehr leid, daß ich mich net mehr verabschiedet hab’.«
»Schon gut. Sie hatten sicher andere Dinge im Kopf.«
Er holte tief Luft.
»Es ist für Sie beide net einfach«, fuhr er fort. »Tobias scheint immer noch sehr gekränkt zu sein, und ich weiß net, ob er seine Meinung noch mal ändert. Ich hab’ jedenfalls versucht, ihm zuzureden, daß er darüber nachdenkt, ob es net doch einen Weg gibt, daß Sie sich ganz normal begegnen können.«
Brigitte spürte ein Würgen im Hals. Ein dicker Kloß bildete sich, der nicht verschwinden wollte. Ihre Augen füllten sich mit Tränen.
Sebastian sah sie prüfend an.
»Sie lieben ihn noch immer, net wahr?« fragte er.
Sie nickte stumm und wischte sich über das Gesicht.
»Ich war jung damals«, sagte sie leise. »Ich wollt’ einfach nur fort. Brigitte und ich, wir haben uns’ren Vater gepflegt und wenn wir’s auch gern’ getan haben, so mußten wir doch auf vieles verzichten. Wir beide hatten Träume und Pläne, was uns’re Zukunft anging, und zumindest ich wollte nachholen, was ich versäumt hatte.«
Sie blickte den Geistlichen schuldbewußt an.
»War das ein Fehler? War ich zu egoistisch?«
Der gute Hirte von St. Johann schüttelte den Kopf.
»Niemand kann von dem Weg abweichen, den das Schicksal einem vorherbestimmt hat«, erwiderte er. »Sie sind den ihren gegangen, auch wenn Sie dabei geliebte Menschen zurücklassen mußten. Gewiß hatte auch Tobias seine Träume von einer Zukunft mit Ihnen. Daß sie geplatzt sind, ist aber net Ihre Schuld, Brigitte.«
»Danke, Hochwürden«, lächelte sie. »Ihre Worte bedeuten mir sehr viel.«
Rosel und Tommy warteten vor der Kirche. Sie hielten sich an den Händen und schauten glücklich aus.
»Wenigstens meine Schwester hat ihr Glück gefunden«, sagte Brigitte, als sie ihnen entgegen gingen.
Sie reichte dem Geistlichen die Hand.
»Bis heut’ nachmittag, Hochwürden, und noch mal vielen Dank.«
»Keine Ursache. Sie wissen ja, daß Sie sich jederzeit an mich wenden können, und das gilt natürlich net nur für den Fall, daß es mit dem Filmprojekt Probleme geben sollte.«
Er verabschiedete sich von ihr und den beiden anderen und ging zum Pfarrhaus hinüber.
»Hast du ihn darauf angesprochen?« fragte Tommy, als sie den Kiesweg hinuntergingen.
Brigitte wußte im ersten Moment nicht, was er meinte.
»Na, ob er eine Rolle übernehmen würde.«
»Ach, das hab’ ich ganz vergessen«, erwiderte sie. »Aber das kannst du ja heut’ nachmittag übernehmen. Pfarrer Trenker zeigt uns Hubertusbrunn.«
»Und was machen wir bis dahin?«
»Wie wär’s, wenn wir zum Mittagessen ins Wirtshaus gehen?« schlug Brigitte vor. »Da sparen wir uns nämlich eine Fahrt.«
»Gute Idee«, nickte Tommy.
»Schon, aber zu Haus’ steht das Essen im Kühlschrank«, wandte Rosel ein.
»Das wird ja nicht schlecht«, meinte er. »Außerdem macht es mir Spaß, euch auszuführen – geht nämlich alles auf Geschäftskosten.«
Da es noch recht früh war, fanden sie einen freien Tisch im Kaffeegarten des Hotels. Die Mittagskarte bot eine große Auswahl an frischen Gerichten, und es fiel ihnen schwer, sich zu entscheiden. Schließlich wählten sie die Spezialität des Hauses: Fangfrische Forelle, auf ›Müllerinnen-Art‹