Der Bergpfarrer Staffel 15 – Heimatroman. Toni Waidacher
diesen Weg entlang, und dann sind wir gleich da«, erklärte Sebastian Thomas Berghofer den Weg.
Sie hatten sich am Pfarrhaus getroffen und waren mit einem Wagen gefahren. Die beiden Schwestern saßen auf der Rückbank.
»Der Wald ist ja wirklich romantisch«, meinte Tommy und drehte kurz den Kopf zu Brigitte. »Eddy wird begeistert sein.«
Wirklich aus dem Häuschen geriet er aber, als sie vor dem Jagdschloß hielten. Schon durch die Bäume hatten sie die weißen Mauern sehen können.
»Ich werde verrückt!« rief Brigittes Kollege. »Daß es so was überhaupt noch gibt!«
Er schaute den Geistlichen an.
»Und das gehört wirklich Ihnen?«
Sebastian lächelte.
»Ja, ich hab’ es geschenkt bekommen.«
Während sie ausstiegen und langsam zum Tor gingen, erzählte er ihnen, wie es dazu gekommen war.
Das Schloß gehörte ursprünglich einem Baron Maybach, der zusammen mit seiner Frau bei einem Autounfall ums Leben gekommen war. Lange Jahre stand Hubertusbrunn verlassen dar und drohte, zu verfallen. Markus Bruckner wurde auf das Anwesen aufmerksam, und in seinen Bemühungen, St. Johann für den Tourismus attraktiver zu machen, malte er sich schon aus, in dem Schloß ein Spielcasino einzurichten. Wahrscheinlich sah er im Geiste bereits Nobelkarossen davor parken und elegant gekleidete Leute die Stufen hinaufschreiten.
Und die Chance, das zu verwirklichen, war groß. Hubertusbrunn stand auf Gemeindegrund, einen Besitzer gab es scheinbar nicht, und die Frist, bis das Jagdschloß in den Besitz der Gemeinde übergehen würde, weil sich niemand fand, der Anspruch darauf erhob, lief in Bälde ab.
Indes hatte der Bürgermeister die Rechnung ohne den Bergpfarrer gemacht. Sebastian Trenker ließ nichts unversucht und forschte nach Nachfahren des Barons
Er wurde tatsächlich fündig, denn just zu diesem Zeitpunkt brach die Magd eines Bauern ihr Schweigen. Bevor sie sich auf dem Hof verdingte, war sie als Kinderfrau im Schloß angestellt. Nach dem Tode des Ehepaares nahm sie sich derer Tochter an und gab sie als ihr eigene aus. Niemand stellte all die Jahre Fragen, und so wuchs Michaela, Baroneß Maybach, auf dem Hof auf, zusammen mit dem Sohn des Bauern.
Waren sie zunächst auch wie Bruder und Schwester, so blieb es doch nicht aus, daß sie sich ineinander verliebten. Indes war der Bauer dagegen, seinen Sohn einem Madl zu geben, das nichts hatte – nicht einmal eine richtige Herkunft.
Das war der Moment, in dem die Magd die Vergangenheit ihres Mündels enthüllte. Auch wenn es noch einige Widerstände zu überwinden gab, so winkte dem jungen Paar letztendlich das Glück, denn dafür sorgten die ›Mutter‹ der Baroneß und der gute Hirte von St. Johann gemeinsam. Michaela wollte das Schloß allerdings nicht behalten. Sie war zwar nicht mehr die arme Tochter einer noch ärmeren Magd. Aber alles Geld der Welt hätten sie nicht vom Hof ihres Mannes fortlocken können, und so machte sie dem Bergpfarrer Hubertusbrunn zum Geschenk.
Sebastian Trenker wollte es indes nicht für sich nutzen. Hier bot sich ihm die Chance, einen Lebenstraum zu verwirklichen. Aus dem Jagdschloß wurde eine Begegnungsstätte für Jugendliche aus aller Welt, die sich alleine durch Spenden und geringe Kostenbeteiligung trug.
»Ich bin platt!« sagte Tommy begeistert. »Brigitte, das ist die dollste Geschichte, die ich je gehört habe. Die müssen wir unbedingt einbauen!«
Er blickte Sebastian an.
»Und Sie, Hochwürden, müssen eine Rolle in ›Rosen und Tränen‹ spielen!«
»Ich?« Der Geistliche lachte. »Ich glaub’ net, daß ich mich zum Schauspielern eigne. Aber danke für das Angebot.«
Brigitte und Rosel lächelten, als sie Tommys enttäuschtes Gesicht sahen.
»Kommen Sie, ich führe Sie herum«, sagte Sebastian und schloß die Tür auf.
Die Besucher schauten sich ausgiebig um. Hin und wieder steckten Brigitte und Tommy die Köpfe zusammen und überlegten und beratschlagten. Schließlich nickten sie zufrieden.
»Einige der Folgen spielen in einem Schloß, wo der spätere Heimkehrer als Verwalter tätig ist«, erklärte Brigitte Granzinger. »Hubertusbrunn ist geradezu ideal dafür. Allerdings…«
»Ja?«
»… es müßten ein paar Umbauten vorgenommen werden«, sagte sie. »Aber selbstverständlich wird nach Abschluß der Dreharbeiten alles wieder so hergerichtet, wie’s jetzt ist.«
»Wie lange, rechnen Sie, werden S’ hier drehen?« fragte Sebastian.
Brigitte sah Tommy an.
»Vierzehn Tage…«, meinte er.
»Eher drei Wochen«, meinte sie. »Um sicherzugehen.«
»Hm, das ist ein Problem. Die nächsten Gruppen kommen zwar erst wieder im September. Aber bis dahin sollte ein bissel renoviert werden. Ich fürcht’, das kollidiert mit Ihrem Zeitplan.«
»Ich mache Ihnen eine Vorschlag, Hochwürden«, sagte Brigitte. »Wir übernehmen das Renovieren, wenn wir hier fertig sind, umsonst und zusätzlich zu der Summe, die wir Ihnen als Nutzungsgebühr zahlen werden.«
»Das wär’ ja wunderbar«, freute sich der Geistliche. »Aber geht denn das? Ich mein’, der Aufwand, die Zeit.«
»Unsere Jungs sind Spitze«, meinte Tommy. »Die machen das im Handumdrehen.«
»Und was die Kosten dafür angeht, die werd’ ich uns’rem Chef schon schmackhaft machen«, versprach Brigitte. »Wenn der das hier erstmal sieht, kann er gar net anders, als einverstanden zu sein.«
»Dann wär’ das ja geklärt!« Sebastian Trenker nickte zufrieden.
Sie gingen wieder hinaus und spazierten durch den Park, schauten die Sportanlagen an und den kleinen Weiher, der hinter dem Schloß lag.
»Da kann man nur eins sagen – herrlich romantisch!«
Brigitte atmete tief durch. Natürlich hatte sie bestimmte Vorstellungen gehabt, bevor sie hergekommen war. Aber die wurden alle übertroffen.
*
Am nächsten Tag traf die Vorausmannschaft ein. Brigitte und Tommy fuhren am Vormittag nach St. Johann, um die Leute zu empfangen und unterzubringen. Für die Lagebesprechung hatten sie einen Raum im Hotel angemietet, wo sie gleichzeitig beköstigt wurden. Zwar war schon vieles im Vorfeld, von München aus, geklärt worden, aber Brigitte und Tommy hatten dennoch alle Hände voll zu tun.
Natürlich sorgte die Ankunft der Filmleute für Aufregung, und wenn auch noch nicht eine einzige Kamera aufgebaut war, so kamen die Dörfler doch immer wieder zusammen, schauten neugierig und waren stolz darauf, daß ihr Ort Mittelpunkt einer Fernsehserie werden sollte.
Ein paar Tage später kam Brigitte spätabends, müde und zerschlagen, in Waldeck an. Den ganzen Tag war sie unterwegs gewesen mit den Bauern, auf deren Höfen gedreht werden sollte, um die letzten Details abzuklären. Morgen wollte sie zu einer Almhütte hinauf, um sich mit dem Senner zu unterhalten. Und in der nächsten Woche sollten dann der Regisseur und die Schauspieler eintreffen. Dann würde es in St. Johann erst richtig rund gehen. Zu dem Troß gehörten nämlich auch noch Kameraleute, Tontechniker, Beleuchter, Maskenbildner und eben alles, was für eine aufwendige Produktion notwendig war.
Rosel und Tommy empfingen sie mit einem leckeren Abendessen. Brigitte warf die Schuhe von sich und streckte die Beine aus.
»Mensch, bin ich aufgeregt«, rief sie aus.
Ihr Kollege lächelte. Er kannte diesen Zustand nur zu gut. In der Endphase, wenn die Produktion kurz bevorstand, packte sie immer dieses Fieber.
Klappte alles so, wie man es geplant hatte? Hatte man mögliche Pannen bedacht? Gab es im letzten Moment ungeahnte Komplikationen?
Es war ein Zustand, den sie alle haßten und gleichzeitig herbeisehnten!