Warrior & Peace. Stella A. Tack

Warrior & Peace - Stella A. Tack


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von dunklen Warzen übersät. Die blassen Lippen presste sie ständig zu einem schmalen Strich zusammen. Die Gute sah einfach immer genervt aus.

      Inzwischen hatte sich hinter mir eine lange Warteschlange gebildet. Die Leute traten ungeduldig auf der Stelle. Wie üblich warteten dämonische Geschäftsmänner in dunklen Anzügen auf ihre Erlaubnis, die Unterwelt betreten zu dürfen. Die meisten stammten von einem der Außenposten der Unterwelt oder reisten als Anwälte im Auftrag des Olymps. Die Götter verklagten sich nämlich mit Vorliebe gegenseitig, wegen … nun, wegen so ziemlich allem. Hinter den Anzugtypen wartete ein erschöpft aussehendes Pärchen auf zwei ausgeblichenen Plastikstühlen. Das Licht der Neonlampen über unseren Köpfen blinkte dabei die ganze Zeit, begleitet von einem nervigen elektronischen Summen. Eine blecherne Lautsprecherstimme plärrte indessen über Gladis’ Kopf unablässig Anweisungen: »Achtung! Ebene 8, bitte ein Putzteam zu den Sanitäreinrichtungen 1 bis 7. Zu viele verdammte Seelen sprengen die Rohre. Ich wiederhole, ein Putzteam nach Ebene 8.«

      »Miss Pandemos, hören Sie mir zu?« Die ungeduldige Stimme von Gladis riss mich aus der Betrachtung einer potthässlichen Plastikpflanze, die im Wind des eingeschalteten Ventilators flatterte.

      »Entschuldigen Sie, was?« Schuldbewusst sah ich die Furie an.

      Seufzend rückte diese ihre Brille abermals zurecht. Eine gespaltene Zunge zuckte aus ihrem Mund hervor, während die Lautsprecheranlage wiederholt um Verstärkung auf Ebene 8 bat. »Ich sagte: Name und Adresse der Eltern!«

      Ich stöhnte genervt. »Ach, kommen Sie, Gladis. Seit Jahren gehen Sie mir mit diesem Mist auf die Nerven! Sie arbeiten seit – wie lange? – fünfhundert Jahren für meinen Vater? Sie wissen ganz genau, wer meine Eltern sind. Lassen Sie den dummen Bürokram und geben Sie mir einfach den Besucherausweis. Ich bin ziemlich spät dran!«

      »Name und Adresse der Eltern!«, knurrte Gladis. Ihre Augen verdunkelten sich und quollen ein Stück aus den eingesunkenen Augenhöhlen hervor. Igitt.

      Die umstehenden Menschen traten vorsichtig einen Schritt zurück. Die hässliche Topfpflanze fiel bei dem Anblick prompt um und stellte sich tot. Seufzend griff ich unter die dunkle Kapuze, die mein Gesicht verdeckte, und wischte mir den Schweiß von der Stirn. Regel Nummer eins in der Vorhölle: Mache niemals eine Furie wütend. Leider schien ich ein ausgesprochenes Talent dafür zu haben.

      »Achtung! Achtung, Sicherheitsteam auf Ebene 8 erforderlich! Ausgebrochene Seelen bewerfen das Personal mit Fäkalien!«, dröhnte es dumpf aus dem Lautsprecher. Angestrengt unterdrückte ich den Impuls, meinen Kopf gegen etwas Hartes zu schlagen.

      »Schön«, stieß ich schicksalsergeben hervor. »Vater: Hades Pluton, Herrscher der Unterwelt. Anschrift: 666 Hellgate am Styx, Abaddon. Mutter: Aphrodite Venus, Göttin der Liebe. Anschrift: 45 Sunshine Street EC1A, London.« Bei der Erwähnung meiner Eltern verzog ich leicht gequält das Gesicht. Es brachte selten etwas Gutes mit sich, die Tochter zweier größenwahnsinniger Götter zu sein.

      Gladis tippte geschäftig meine Angaben in ihren uralten Computer, der zum Öffnen einer Datei nervtötende zehn Minuten brauchte. Mit diesem Ding konnte man locker jemanden erschlagen. Ich meine, sofern man es überhaupt schaffte, ihn hochzuhieven. »Sehr schön! Willkommen im Limbus, auch Vorhölle genannt, Miss Pandemos. Was für einen Antrag möchten Sie denn gerne stellen?«

      Zornig funkelte ich sie an. Hinter mir hüstelte einer der Anzugtypen. Idiot! »Ich wünsche einen Besucherausweis für den Olymp, zum allmonatlichen Gesundheitscheck«, diktierte ich ihr laut und deutlich. Ein prüfender Blick auf die Wanduhr über Gladis’ Schreibtisch ließ mich ungeduldig das Gewicht von einem Bein aufs andere verlagern. Der Minutenzeiger war abgebrochen und der schmalere für die Sekunden lief rückwärts, sodass ich nur vage am Stundenzeiger abschätzen konnte, dass es halb drei am Nachmittag sein musste. Mein Termin war um zwei gewesen. Verdammt! Mutter würde mir den Hals umdrehen. Gladis tippte immer noch geschäftig. »Sie wollen also in den Olymp? Haben Sie die Befugnis dazu, Miss Pandemos?«

      »Natürlich habe ich die Befugnis! Sie ist … Ohhh, verdammt!« Erschrocken hielt ich inne. Augenblicklich wurde mir heiß und kalt gleichzeitig. Ich hatte den dummen Zettel zu Hause liegen lassen! Nervös klopfte ich meine Hosentaschen ab. Nichts außer ein paar Centmünzen, einem Kaugummi und … igitt, einem alten Taschentuch. Ich wusste, ich hatte etwas vergessen. Aber wie gesagt, ich war einfach zu spät dran gewesen. Die Furie zog eine Augenbraue in die Höhe. Ihr Tippen auf den Computertasten wurde eine Spur langsamer. Ich knirschte mit den Zähnen.

      »Kann ich die Bescheinigung denn sehen?«, fragte Gladis süßlich, was meinen ohnehin schon strapazierten Nerven den Rest gab. Knurrend knallte ich meine schwarz behandschuhte Faust gegen die gläserne Trennscheibe zwischen uns. »Verdammt noch mal, nein! Ich habe den Passierschein vergessen, aber Sie wissen genau, dass ich die Berechtigung für den Olymp habe, Gladis! Geben Sie mir einfach den blöden Wisch!«

      Gladis zog ungerührt eine faltige Augenbraue nach oben. Die Haut auf der gesamten linken Gesichtshälfte rutschte dabei nach unten. »Mäßigen Sie Ihren Ton, Miss Pandemos. Ansonsten sehe ich mich gezwungen, den Sicherheitsdienst zu rufen.«

      »Sie scherzen wohl?!«, blaffte ich und blickte der alten Furie finster in die Augen. Nun, zumindest sah sie das Aufblitzen meiner dunklen Sonnenbrille. »Geben Sie mir einfach den Ausweis oder ich sage meinem Vater, er soll Sie rauswerfen!« Okay, ich sollte womöglich die Klappe halten, doch mit jeder Sekunde, die ich hier unten mit unnötigem Papierkram verplemperte, kam ich noch später zu meinem Termin im Olymp. Die Götter waren bei so etwas ganz und gar nicht cool. Es würde mir einen Haufen Ärger einbringen. Die Neonleuchten über uns blinkten hektisch, während auf meinem Gesicht kalter Schweiß ausbrach. Ich musste wirklich dringend zu diesem Gesundheitscheck. Die blecherne Ansagestimme verkündete indessen, dass eine Fahndung nach fünf flüchtigen Seelen, Sterbezeit circa 17. bis 18. Jahrhundert, herausgegeben wurde. Hilfreiche Informationen sollten bitte in der Vorhölle abgegeben werden.

      Gladis stieß ein ungeduldiges Knurren aus, das ihre hundert Falten bedrohlich zum Zittern brachte. »Sie drohen mir, Miss Pandemos? Schön, ich habe sie gewarnt. Vielleicht flößen Ihnen zwei Tage in Downtown ein paar Anstandsregeln ein.« War sie zuvor noch extrem langsam gewesen, so drückte sie jetzt blitzschnell den roten Knopf neben ihrem Tisch.

      »Was? Nein! Was tun Sie da?«, fragte ich, doch es war zu spät. Der Raum bebte. Die Warteschlange kam unruhig in Bewegung, einige Anstehende strauchelten. Das Wasserglas neben Gladis klirrte und ein paar Brocken Putz fielen von der Decke. Schnell hielt ich mich am Tresen fest, als das Ruckeln genauso plötzlich wieder aufhörte. Wie aus dem Nichts knallte eine breite Tür mitten in den Warteraum hinein. Durch die Erschütterung bröckelte weiterer Putz von der Decke und prasselte auf die Köpfe der Umstehenden nieder. Die Warteschlange zog sich noch einen Schritt zurück, als die Tür aufgerissen wurde und zwei bullige Höllenhunde den Raum betraten.

      Ich stöhnte. »Nicht die Hunde.« Speichel tropfte den Bestien von den verfilzten Mäulern. Ihre rot glühenden Augen waren starr auf mich gerichtet. Ein fieses Knurren erfüllte das schäbige Büro, als die Hunde ihr räudiges Fell schüttelten und zu wachsen begannen. Binnen Sekunden hörte man das Brechen von Knochen und das Reißen von nassem Fleisch. Klauen formten sich zu Händen. Fell zu Haut und Läufe zu Beinen. Seufzend kratzte ich mich am Kopf und starrte auf die beiden Sicherheitsmänner, Milon und Kroton, die wie zwei Berge ungeschlachter Muskeln vor mir standen und die Zähne fletschten.

      »Wow! Hey, Milon! Kroton! Schon lange nicht mehr gesehen, wie gehts euch zweien? Gladis und ich hatten nur eine kleine Meinungsverschiedenheit, es besteht also kein Grund zur Aufregung.« Bedächtig ging ich einen kleinen Schritt rückwärts, die Hände kapitulierend erhoben. Höllenhunde sind … na ja, man konnte sie wohl als Security der Unterwelt bezeichnen. Sie waren stark, schnell, zäh und beinahe unmöglich umzubringen. Allerdings zählten Dinge wie überlegtes Handeln oder regelmäßige Waschtage nicht wirklich zu ihren Stärken. Jeder Befehl wurde befolgt, egal, wie hirnrissig er auch sein mochte. Unschuldig riss ich die Augen auf und entschied spontan, dass Flucht eindeutig besser war als Knast. Scheiß auf den Gesundheitscheck! Ich würde ihn nachholen. Flink drehte ich mich auf den Fersen um und nahm Reißaus. Zumindest versuchte


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