Wyatt Earp Staffel 9 – Western. William Mark D.
Nein! Wieso?«
»Sie stöhnten so laut, daß ich befürchtete, es ginge mit Ihnen zu Ende.«
Da erhob sich Meredith. »Was wollen Sie?«
Ein winziges Lächeln huschte um die Lippen des Fremden.
»Tatsächlich, ich glaubte, es ginge Ihnen schlecht.«
»Schlecht? Nein. Es geht mir gut.«
»Sie sind schweißgebadet.«
»Ich?«
Meredith ging zum Spiegel.
»Ja, Sie haben recht.« Dann fuhr er herum. »Und was geht das Sie an, Mann! Verschwinden Sie. Sie können mir nicht helfen!«
»Wie Sie meinen«, entgegnete der Fremde und verlor seinen spöttischen Ton auch jetzt nicht.
Die Tür wurde wieder geschlossen.
Meredith starrte auf die kunstvoll nachgezogene Holzmaserung der Türfüllung und glaubte, das Gesicht des Fremden noch dort zu sehen.
Blitzschnell griff er in den Gurt und schleuderte sein Messer ins Holz.
Federnd blieb es da stecken.
Irgendwo im Haus schlug eine Uhr.
Der Texaner zuckte zusammen. Dann zog er die Taschenuhr.
Halb zwölf.
Dreißig Minuten noch. Armselige dreißig Minuten!
Die Hälfte der Stunde war schon vergangen.
Wieder nahm er seine Wanderung durch das Zimmer auf.
Ich muß üben! Mein Arm ist steif. Oder nein: mein Gelenk! Es ist wie eingerostet!
Er griff zum Colt und riß die Waffe hoch.
Es ging so schnell wie sonst auch. Und dennoch schien es ihm, als habe er doppelt solange dazu gebraucht.
Ich war doch schneller! Viel schneller. Das ist ja irrsinnig langsam.
Freddy Bruns ist wenigstens so schnell.
Und Jimmy Tegeratt ist schneller! Todsicher!
Wieder starrte er auf sein Bild im Spiegel.
»Drecksfratze!« fauchte er dem unschuldigen Quecksilberglas entgegen. »Elende Drecksfratze! Jetzt fällst du auseinander! Aus! Tot…«
Schwere Schweißperlen quollen aus seiner Stirn und rannen ihm durch die dünnen Brauen salzig in die Augen.
Er wischte sich mit dem Ärmel übers Gesicht und stieß einen Fluch aus.
Dann warf er sich plötzlich auf den Boden und rollte zur Seite ab.
Den Colt in der vorgestreckten Faust.
Ich muß schnell sein! Rasend schnell! Schnell wie nie zuvor. Dann habe ich eine Chance!
Und während er sich das noch sagte, kam bereits der andere bleierne Gedanke auf einer parallellaufenden Gedankenbahn, der ihm erneut
die niederschmetternde Gewißheit brachte, daß er keine Chance gegen dieses Aufgebot hatte.
Es klopfte wieder.
Er sprang hoch, den Colt in der vorgestreckten Faust.
»Was ist los?« krächzte er.
Die Tür wurde geöffnet.
Laura Higgins!
Erst sah sie ihn verwundert an, dann lachte sie verächtlich, warf die Tür ins Schloß und lehnte sich daneben an die Wand, wobei sie den rechten Fuß anzog.
»Wie sehen Sie aus?«
Gil war wie vor den Kopf geschlagen.
Daß sie ihn so sehen mußte!
Zu seinem lähmenden Ärger stellte er fest, daß es ihm immer noch nicht gleichgültig war.
Sie hatte sich übrigens auf eine frappante Weise verändert.
Die Whiskystimmung schien innerhalb dieser kurzen Zeit völlig verflogen zu sein.
Sie trug ein anderes Kleid, weiß, mit schwarzem Besatz, einem blauen Schal und einem silbernen Gürtel. Ihr Gesicht war frisch gepudert und ihre Frisur ordentlich.
Um ihre vollen Lippen lag das spöttische Lächeln, das er gestern nacht in der Alhambra-Bar so bewundert hatte.
Insgeheim hatte er diese Frau angebetet.
»Was wollen Sie?« krächzte er.
»Daß Sie den Revolver wegstecken und sich das Gesicht abwaschen. Und versuchen, ein vernünftiger Mensch zu sein. Auch in der letzten Viertelstunde ist ein richtiger Mann ein richtiger Mann.«
In der letzten Viertelstunde?
Er riß die Uhr aus der Tasche und ließ den Deckel springen.
Fünfzehn Minuten vor zwölf!
Wie ein Hammerschlag traf es ihn.
Himmel, noch fünfzehn Minuten. Auch die halbe Stunde war also schon wieder zur Hälfte verstrichen.
Immer noch hatte er die Uhr in der Hand.
Der große Zeiger sprang weiter.
Vierzehn Minuten vor zwölf.
Gnadenlos und unaufhaltsam verrann die Zeit.
»Was wollen Sie, Laura Higgins?« kam es ein drittes Mal heiser von seinen Lippen.
Er ging um das Bett herum und ließ sich auf der anderen Seite auf der Kante nieder – der Frau den Rücken zuwendend.
»Ich hätte vielleicht eine Idee.«
Sie hatte es in die Stille hineingesagt, und es klang wie dröhnendes Glockenläuten.
Sie war gekommen und hatte eine Idee. Laura Higgins hatte eine Idee, nicht irgendeine Frau!
Wenn sie eine Idee hatte, mußte es eine gute Idee sein.
Dies und die Tatsache, daß sie noch einmal zu ihm gekommen war, ließ ihn augenblicklich freier atmen.
»Stehen Sie auf, Gil Meredith. Und waschen Sie sich endlich das Gesicht.«
Das Gesicht! Er durfte es auf keinen Fall vor ihr verlieren. Jetzt erst recht nicht.
»Sie müssen fliehen«, sagte sie, als er sie ansah.
»Fliehen?«
Das hatte sie gesagt. So einen läppischen Gedanken nannte sie eine Idee.
»Ja«, lachte sie. »Zum Gunfight sind Sie doch gar nicht mehr in der Lage. Sie haben doch Ihr Pulver an Mut gestern verschossen.«
»Was fällt Ihnen ein!« keuchte er. Und wieder sprangen die dicken Tropfen auf seine fahle Stirn.
»Sie wollen also nicht fliehen?«
»Nein!«
Das Lachen schwand aus ihrem Gesicht.
»Ich hatte es auch nicht erwartet, Meredith. Und nun reißen Sie sich endlich zusammen.«
»Sie haben gut reden…«
»Unsinn. Ich kenne Männer, die solchen Situationen ständig gegen-überstehen.«
»Ach, reden Sie doch keinen Unsinn!«
»Unsinn?« Ihre linke Braue fuhr hoch in die Stirn. »Es ist kein Unsinn. Ich kenne einen Mann, der in einer solchen Viertelstunde unten am Spieltisch säße und die ach so kostbare Zeit mit einem einträglichen Spiel verbringen würde.«
»Unsinn!«
»Nicht die leiseste Spur von Angst oder Ungeduld, Schwäche oder Nervosität würden Sie ihm anmerken.«
»So einen Mann möchte ich sehen!«
»Doc Holliday«