Wyatt Earp Staffel 9 – Western. William Mark D.
Imperial.
Er kam aus dem Revolver des Ohiomans und traf den dickleibigen Cowboy Leonid Callaghan in den Leib.
Röchelnd taumelte er zurück und brach an der Holzwand der Schenke, in der seine Kameraden an der Theke standen, in sich zusammen.
Noch hatte niemand bemerkt, was geschehen war.
Drüben fiel wieder ein Schuß.
Der Horseman sah sich um, zog sich dann aufs Pferd und trabte, nach vorn gebeugt, dicht an der Pferdereihe entlang davon.
*
Wyatt Earp blickte auf, als drüben der Schuß fiel.
Aber er konnte von seinem Posten aus nichts erkennen.
»Doc!«
Der Gambler blickte sich um.
»Was war das?«
»Keine Ahnung.«
»Stehen Lopez’ Leute da auch?«
»Kommt mir auch spanisch vor.«
»Bleiben Sie hier. Ich muß das wissen!«
Wyatt robbte flach am Boden zurück, rutschte zum Vorbau und war wieder bei den beiden Wagen.
Gedeckt durch sie erreichte er die Straßenmitte, lief noch weiter zurück und kam dann unbemerkt von den Banditen auf die andere Straßenseite.
Da gab es auch wieder Schenken, und in den vom Fensterlicht erhellten Rechtecken standen keine Leute mehr.
Sie hatten sich wohlweislich in Sicherheit gebracht. So leicht konnte eine verirrte Kugel ein sogenannter »Langläufer« oder ein »Bumerang« einen treffen.
Der Marshal jedoch mußte durch die Lichtfelder. Und zwar rasch.
Er ging mit etwas schleppendem Schritt, vorgeneigt wie ein bedeutend älterer Mann vorwärts.
Die Banditen drüben beachteten ihn nicht.
Wyatt hatte die Gassenmündung, in der vorhin der Junge mit dem Dollar verschwunden war, überquert, behielt drüben die Ecke vor der Spielhölle im Augenwinkel und betrat den nächsten Vorbau.
Drüben standen so viele Pferde, daß er die untere Hälfte des ohnehin dort dunkleren Vorbaus nicht erkennen konnte.
Da war aber der Schuß gefallen.
Und jetzt entdeckte der Missourier durch die Lücke, die von zwei Pferdeleibern gebildet wurde, den kauernden Körper an der Wand der Schenke.
Er ging weiter.
John Tancred, der Mörder, hatte in diesem Augenblick bereits den westlichen Stadtrand erreicht.
Wyatt Earp überquerte nach weiteren hundert Yard die Straße und kam in die Pferdereihe. Dicht hinter den Tieren ging er zurück, bis er auf der Höhe des Mannes war, der jetzt unter einem der Saloonfenster zu hocken schien.
Wyatt drängte sich durch die Pferde, genau an der gleichen Stelle, an der der Ohioman vor wenigen Minuten noch gestanden hatte, entdeckte er den Mann vor dem Vorbau und zog den Revolver.
»Steh auf, Brother!«
Der Mann auf dem Vorbau rührte sich nicht.
Da spannte der Marshal den Hahn. »Aufstehen!«
Rico Lopez drüben fuhr zusammen, zuckte hoch und jagte blindlings eine Kugel in die Straße.
»Der Marshal ist da drüben!«
»Unsinn!« belferte But Käler. »Er steckt da hinter dem zweiten Regenfaß!«
»Halt’s Maul!« brüllte Lopez seinen Genossen an.
»Ich sage dir, daß ich seine Stimme gehört habe!«
Da trat der Missourier dicht an den Vorbau heran.
»Komm, Amigo«, sagte er leise.
Aber es war so still geworden auf der Straße, daß der Bandenführer die Worte gehört hatte.
»Er ist mit dem Satan im Bund!« schrie er, warf sich zu Boden, rollte sich unter den Vorbau und kläffte von dort: »In Deckung, Boys! Ich habe es gesagt: Wyatt Earp ist hinter uns! Er narrt uns! In Deckung!«
Diese Situation nutzte der Mann aus Georgia in seiner unnachahmlichen Manier glänzend aus.
Er jagte einen Kugelhagel auf die Treppe, sprang hoch, schoß aus beiden Revolvern, erreichte die Tür der Schenke und feuerte weiter.
Hal Elverson, der Vetter des Bandenführers, war von dem Heulen der Geschosse aufgeschreckt worden, schrie wie ein Irrer und stieß den Colt auf Holliday zu.
Der riß ihn mit einer Kugel um.
But Käler sah Elverson fallen.
Mit zusammengepreßten Zähnen knirschte er: »Zurück, Männer, wir sind umzingelt! Es ist eine Falle.«
»Jawohl, eine Falle!« rief Holliday und war schon im Eingang der Schenke.
Ference Rattingan jumpte hinter der anderen Treppenseite hoch und schoß.
Seine Kugel bohrte sich in den Türrahmen.
Holliday, über dessen Deckung das Licht aus der Schenke flutete, stieß auch ihn mit dem Revolver zurück.
Die Türscheiben oben waren zerschmettert, das dicke Holz unten deckte den Spieler gut. Und die Tramps starrten ins grelle Licht.
»Komm raus aus dem Mauseloch, Rico!« rief Holliday höhnisch dem Bandenboß unter dem Vorbau zu. »Die Leute des Marshals räuchern dich sonst da unten aus!«
Schwitzend vor Wut und Angst robbte Lopez zurück, so weit, bis er das seitliche Hoftor des Saloons erreicht hatte.
Drinnen im Hof standen ihre Pferde.
Er duckte sich tief nieder, lauschte zur Mainstreet hinüber und hörte Gib Maugham brüllen:
»Boß, was jetzt? Wir sind eingekreist!«
Lopez öffnete das Tor und rannte zu seinem Schimmel.
Hastig zerrte er das Tier hinter sich her zu seiner Pforte, die in eine Parallelgasse zur Mainstreet führte.
Da sprang er in den Sattel.
Aber ach – es war eine Sackgasse, er mußte in die Seitenstraße zurück.
Da schoß er eine halbe Minute später aus der Enge der Häuser heraus und hing links neben dem Pferdeleib.
Das klirrende Lachen des Georgiers folgte ihm.
»Da flieht er hin, der große Rico Lopez!«
Die Flucht ihres Chiefs hatte die Tramps stark niedergedrückt.
Nur Gib Maugham und But Käler robbten trotz ihrer Verletzungen unter dem Vorbau zum Hoftor, wo sie ihre Pferde wußten.
»Marshal! Machen wir sie fertig?« rief Holliday.
Wyatt Earp hatte inzwischen entdeckt, daß der Mann auf dem Vorbau tot war.
Wie hatte er da getroffen werden können?
Wer hatte ihn erschossen?
Der Vorbau war hier menschenleer. Und auch auf der Straße und der gegenüberliegenden Seite war nirgends ein Mensch zu sehen.
Der Marshal blieb dicht an der Häuserwand und näherte sich der Ecke.
Da sah er einen der Banditen langsam hochkommen.
Hinten floh jetzt Lopez auf dem Schimmel; zu weit für jeden Colt.
Holliday, der als einziger den Marshal entdeckt hatte, hielt die Tramps in Schach.
Dann stand der Marshal hinter ihnen auf der Straße.
»Wir sollten sie fertigmachen!« kam eine dröhnende Stimme wie Donnerschlag plötzlich von hinten an die Ohren des Desperados. »Aber sie sind schon fertig! Vorwärts!