Wyatt Earp Staffel 9 – Western. William Mark D.
er zurückkam, saß der Georgier hinter einer Gazette, die er aufmerksam las.
Als der Marshal seinen Stuhl zurückzog, sah Holliday auf.
»Hören Sie, da steht etwas Interessantes. – Im Morgengrauen des Donnerstag floh aus dem Colorado-Expreß der zu lebenslänglicher Zwangsarbeit verurteilte Posträuber und Mörder John Tancred (angegebener Name). Vermutlich stammte er aus Ohio. Er hat zwischen Fort Scott und Horton den Overlanddriver James Havelock erschossen und zusammen mit seinen Komplicen eine Goldladung aus der gestürzten Postkutsche geraubt. Er wurde ergriffen und vom Gericht in Fort Scott zur Zwangsarbeit auf Lebenszeit in Sescattewa, Camp II, verurteilt. In der Nacht zum Donnerstag wurde er auf der Railwayroute Wichita – Dodge City der Grenze Colorados in Begleitung zweier Gesetzesmänner zugeführt. Unweit der Stadt Dodge City gelang es dem Verbrecher, Sheriff Hawkins und seinen Begleiter zu überwältigen. Im selben Zugabteil befanden sich zur Zeit des Überfalles auch die Gattin und die neunzehnjährige Tochter des Gouverneurs. Der Mörder sprang mehrere Meilen hinter Dodge aus dem fahrenden Zug und entkam. Er ist groß, hat graue Augen, braunes Haar, trägt braunes Lederzeug und ist ein gefährlicher Revolverschütze.«
Der Marshal rieb sich das Kinn. »Unser Mann.«
»Zweifellos. Er brauchte ein Pferd, und Justins Farm liegt dem Schienenstrang nach Westen am nächsten.«
Wyatt Earp hatte unterwegs schon einmal die Vermutung ausgesprochen, daß der Mann von der Bahn gekommen sein könnte.
»Jetzt wissen wir wenigstens etwas von ihm.«
»Viel ist es tatsächlich nicht, aber die Story könnte stimmen.«
Das Frühstück wurde aufgetragen.
Anschließend zündete sich der Marshal eine Zigarre an und blickte auf die kleine Landkarte, die Doc Holliday auf dem Tisch ausgebreitet hatte.
Holliday nahm ein Zigarettenetui hervor und sah den Gefährten an. »Denken Sie etwa an den Cowboy?«
»Wyatt nickte. »Wie kommen Sie darauf?«
»Weil Sie nicht auf die Karte sehen, und weil Sie vorhin, als Sie vom Sheriff kamen, noch einmal drüben auf dem Vorbau waren, wo Sie den Toten fanden…«
Am Rezeptionstisch hatte ein Junge gestanden, der eine kleine Whiskytonne hereingeschleppt hatte.
Es war der kleine Bill Huston, der Tancred um den Dollar betrogen hatte.
Die Sache mit dem Dollar hatte er längst vergessen gehabt, und er hatte seinem Freund Garcia die Whiskytonne draußen nur abgenommen, um Wyatt Earp und Doc Holliday
sehen zu können, die drinnen im
Boardinghouse sitzen sollten.
»Du bringst den Whisky?« fragte der Wirt.
»Ja.«
»Wo ist der kleine Garcia denn, der ist wohl wieder krank?«
»Nein, der ist draußen am Wagen von Mr. Fuller…«
»Und weshalb kommst du mit dem Whisky? Garcia bringt ihn mir immer herein, und ihm habe ich die zehn Cent dafür versprochen.«
»Ich will die zehn Cent nicht, Mr. Garringer.«
Der Kopf des Jungen wandte sich zur Seite, seine Augen suchten die beiden Männer drüben am Fenstertisch.
Eben zündete sich Wyatt Earp die Zigarre an.
Da hörte Billy die Worte des Georgiers.
Und er rannte zum Schrecken des Wirtes auf den Tisch der beiden Dodger los.
»Bill, was fällt dir ein! Wirst du wohl hierbleiben! Du elender Strolch!«
Der Wirt lief ihm mit schwerfälligen Schritten nach.
Aber der Junge hatte den Tisch schon erreicht.
»Mr. Earp! Ich habe Ihnen etwas zu sagen! Er hat mir einen Dollar gegeben, der Fremde. Und den hatte er gerade von Leonid Callaghan bekommen. Ich habe es gehört.«
»Callaghan?« fragte der Marshal überrascht. Hieß nicht so der Tote, den er auf dem Vorbau gefunden hatte.
»Ja, das ist doch der Wellington Cowboy. Vielleicht hat ihn der Fremde niedergeschossen. Weil er nur einen Dollar für die lange Wache bekommen hat. Und vielleicht auch aus Zorn wegen mir…«
»Wegen dir?«
Da hatte der Salooner den Jungen erreicht, packte ihn an der Schulter und wollte ihn wegzerren.
»Entschuldigen Sie, Gentleman, der Bengel ist…«
»Warten Sie!« Wyatt Earp zog den Jungen zu sich heran. »Wie heißt du?«
»Bill Huston.« Der Bursche hatte nicht gewagt, auch den Marshal zu belügen.
»So, Bill, ich glaube, daß du mir wirklich etwas zu erzählen hast. Erzähle es, aber wahrheitsgetreu!«
Da berichtete der Junge, was er gestern abend auf der Frontstreet erlebt hatte.
»Und du hast ihn also um diesen Dollar betrogen?«
Da log der kleine Bill zum erstenmal: »Ich wollte ihn ja nicht betrügen, Marshal. Ich hatte nur plötzlich Angst bekommen vor ihm. Er sah aus wie ein Bandit.«
»Hör zu, Bill, bringe den Dollar rasch deinem Freund, dessen Namen du benutzt hast. Ich werde mich nachher bei ihm erkundigen.«
Als der Junge weg war, erhoben sich die beiden und zahlten die Zeche.
Der Hausknecht hatte ihre Tiere schon gesattelt.
Sie verließen die Mainstreet und ritten nach Norden aus der Stadt heraus.
Der kleine Billy Huston hatte ihnen eine weitaus bessere und genauere Beschreibung des Flüchtlings gegeben, als es die Zeitung hatte tun können.
»Wir bleiben weiter in der Richtung?« fragte Holliday.
»Nein, aber ich lege keinen Wert darauf, daß man in der Stadt erfährt, wohin wir wirklich geritten sind.«
»Wohin reiten wir dann wirklich?«
»Zwei Meilen nach Norden. Sehen Sie die Hügel da vorn? Wenn wir die hinter uns haben, streifen wir nach Nordwesten hinüber. Das ist eine weite Ebene, die man von oben aus gut übersehen kann. Wenn Tancred nicht auf der Overlandstraße geblieben ist, müssen wir seine Spur noch sehen.«
Schon als sie die Hügel anritten, hielt der Marshal seinen Rappen an und blickte nach Westen.
Dicht an dem kleinen silbern blitzenden Rinnsal zog sich ein dunkler Strich durchs hohe Büffelgras.
Holliday, der dem Blick des Freundes gefolgt war, zog sofort sein Nelsonrohr aus der Satteltasche und richtete es nach Westen.
»Zounds! Sie haben wirklich das Auge eines Indianers, Wyatt. Da ist die Spur eines einzelnen Reiters.«
»Sie kann natürlich von irgendeinem harmlosen Cowboy stammen, der sich da den Weg zu seiner Weide abkürzen wollte, aber sie kann auch von Tancred sein.«
»Was wollen Sie tun?«
»Wir reiten nach Westen!«
Holliday schwieg. Er wußte aus mancher Erfahrung, daß der sechste Sinn des Marshals so stark ausgeprägt war, daß man sich direkt darauf verlassen konnte.
Als sie die kleine Ansiedlung auftauchen sahen, bemerkten sie einen Mann, der sie erwartet zu haben schien.
Er winkte und humpelte ihnen entgegen.
Es war der alte Swanwick.
»Hallo!«?rief er schon von weitem. »Ist Wyatt Earp dabei?«
Die beiden blickten einander verwundert an.
Der Blick des Gamblers glitt bereits argwöhnisch über den Alten hinweg auf den Hof.
Da war der Greis bei ihnen und sah den Marshal forschend