Sophienlust Paket 3 – Familienroman. Patricia Vandenberg

Sophienlust Paket 3 – Familienroman - Patricia Vandenberg


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      »Wenn du wiederkommst, sollst du ihn nicht mitbringen, Tante Anita«, flüsterte Sibylle Anita beim Abschied ins Ohr. »Ich mag ihn nicht.«

      Der Wagen fuhr ab, die Sophienluster Kinder winkten fröhlich. Nur Denise von Schoenecker hatte erkannte, dass etwas nicht stimmte. Doch sie behielt ihre Gedanken für sich.

      *

      Valerie Isenberg war Bels Cousine. Sie war achtzehn, gertenschlank, bildhübsch, anspruchsvoll und sagenhaft verwöhnt. Sie rollte in einem offenen Sportwagen an, der mit mehreren Koffern und unzähligen Taschen bis in den letzten Winkel vollgestopft war.

      Valerie hatte sich nicht angemeldet. Trotzdem freuten sich Bels Eltern über das unvermutete Auftauchen dieses Irrwischs, wie sie Valerie zärtlich zu nennen pflegten.

      Da Bel an diesem Nachmittag ausgeritten war, fand Valerie bei einem ersten Streifzug durch das weitläufige Landhaus von Wetterhof den berühmten Pianisten allein auf der Terrasse, wo er in einem Buch blätterte und sich langweilte. Das ruhige Landleben ging Thilo Bach allmählich auf die Nerven. Er ließ das Buch auf die Erde fallen und ging dem Mädchen ein paar Schritte entgegen.

      »Es hat sich in der Familie herumgesprochen, dass Sie auf Wetterhof sind, großer Meister. Ich wollte mir dieses einmalige Erlebnis nicht entgehen lassen. Von Musik verstehe ich zwar nichts, aber ich schwärme trotzdem für Sie.«

      Thilo verbeugte sich schmunzelnd. »Welche Ehre!«

      »Ich bin Bels Cousine Valerie. Den altmodischen Namen verdanke ich einer Patentante. Hoffentlich stört es Sie nicht.«

      »Mir gefällt Ihr Name.« In seinen Augen konnte sie lesen, dass auch sie ihm gefiel. Irgendetwas knisterte in der warmen Luft dieses Herbstnachmittags, etwas, woran der Mann und das Mädchen Freude hatten.

      »Spielen Sie Tennis? Wie redet man einen Konzertpianisten eigentlich an?«

      »Einigen wir uns auf die Vornamen, beiderseits. Recht so?«

      »Hm.«

      »Wenn Sie mögen, können wir Tennis spielen, Valerie. Ich muss mich bewegen, sonst werde ich hier zu fett.«

      »Okay, Thilo. Ich ziehe mich um. In fünf Minuten.«

      Thilo Bach eilte in sein Zimmer und schlüpfte in seinen Tennisdress. Obwohl er keine Minute vergeudet hatte, erwartete Valerie ihn bereits auf dem tadellos gepflegten Platz im Park von Wetterhof. Ihr Rock war von unwahrscheinlicher Kürze, doch konnte sie sich das bei ihren Beinen leisten.

      Valerie war gut trainiert und eine ebenbürtige Gegnerin. Doch nach einer Weile brach sie mitten im Satz ab und erklärte, dass sie keine Lust mehr habe.

      »Mir ist heiß. Wollen wir schwimmen?«, rief sie aus.

      »Wenn es Ihnen Spass macht.«

      Wieder war sie beim Umkleiden bedeutend schneller als er. Er sah sie mit elegantem Kopfsprung ins Bassin springen, als er eben wieder aus dem Haus trat. Dieses junge ungestüme Mädchen ließ das Blut rascher in seinen Adern pulsieren.

      Sie tollten im Wasser wie Kinder. Einmal hielt er Valerie ganz fest. Ihr roter Mund war dicht vor dem seinen, die weißen Zähne schimmerten wie Perlen. Eben noch hatte sie gelacht und sich zu wehren versucht. Jetzt war sie plötzlich still und sah ihn mit ihren wunderschönen Augen voll an. War sie es, die ihn küsste? Hatte er sie an sich gezogen und seine Lippen auf die ihren gelegt?

      »Davon darf niemand etwas wissen«, flüsterte Valerie mit spitz­bübischem Lächeln. »Bel würde nämlich keinen Spaß verstehen. Ich kenne sie.«

      »Wenn du niemandem etwas sagst, wird es auch keiner erfahren, du süßer Fratz«, erwiderte Thilo und küsste sie noch einmal.

      »Ich kann schweigen wie das Grab«, versicherte Valerie und spritzte ihm ein bisschen Wasser ins Gesicht.

      In der Umkleidekabine riss er sie in seine Arme und bedeckte ihr Gesicht, ihr Haar, ihre Schultern und ihre Arme mit leidenschaftlichen Küssen.

      »Bel kann jeden Augenblick kommen«, warnte Valerie ihn. »Sei nicht so unvernünftig.«

      Er hatte es sich eben auf einem Liegestuhl bequem gemacht, als Bel erschien.

      »Wie war’s?«, fragte er. »Eines Tages werde ich wohl auch noch Reitunterricht nehmen.«

      »Nur, wenn du magst, Thilo. Zum eiter muss man geboren sein. Was ist? Warst du schon im Wasser?«

      »Allerdings, und zwar mit mir!« Valerie trat aus der Kabine und küsste ihre Cousine auf beide Wangen. »Da staunst du, nicht wahr?«

      Bel freute sich aufrichtig. »Fein, dass du da bist. Die Überraschung ist dir gelungen. Wie gefällt dir meine Cousine, Thilo?«

      »Ganz gut«, behauptete er. »Wir haben schon zusammen Tennis gespielt.«

      »Sie kann mehrere Personen pausenlos in Atem halten«, erklärte Bel arglos und fröhlich. »Dafür ist sie bekannt. Schwimmt jemand noch einmal mit?«

      Valerie, die jetzt ein leichtes Kleid trug, hob die Schultern. »Bin schon trocken und angezogen, Bel. Wie ist es mit Ihnen, Meister?«

      Thilo sprang auf. »Natürlich schwimme ich mit dir, Bel.«

      Valerie sah mit unergründlichem Gesichtsausdruck zu, wie die beiden sich im Wasser tummelten. Es ging dabei nicht ganz so turbulent zu wie zuvor zwischen ihr und Thilo Bach.

      Beim Abendessen wurde der Flirt fortgesetzt. Thilo saß zwischen den beiden Mädchen. Unter dem Tisch haschte er nach Valeries Hand, während er mit Bels Mutter über sein letztes großes Konzert in Paris plauderte. Er fand das Leben an diesem Herbstabend auf dem Land einmalig schön und langweilte sich gar nicht mehr.

      *

      Ein Brieflein von Sibylle flatterte ins Haus. Thilo beschloss, seine kleine Freundin bereits am nächsten Tag zu besuchen.

      »Komm mit uns«, forderte Bel ihre Cousine auf. »Dieses Kinderheim ist sehenswert. Du wirst staunen.«

      »Interessiert mich überhaupt nicht«, erklärte Valerie mit krausem Näschen. »Ich werde mich anderweitig amüsieren. Viel Vergnügen im Waisenhaus.«

      Thilo gelang es ebenfalls nicht, Valerie zu überreden. Vielleicht passte es ihr nicht, dass sie in Bels Gegenwart das hübsche Spiel mit dem Feuer, das Thilo und sie in aller Heimlichkeit betrieben, kaum fortsetzen konnte.

      In Sophienlust wurden die Gäste mit Herzlichkeit empfangen, obwohl sie nicht die einzigen Besucher waren.

      »Sibylles Tante ist hier«, berichtete Nick, der den Wagen bemerkt hatte und die Begrüßung übernahm. »Sie ist mit Billchen im Musikzimmer.«

      »Dann wollen wir auch zuhören. Das stört hoffentlich nicht.«

      »Nein, gar nicht. Leider ist meine Mutti heute nicht hier.«

      Nick begleitete Thilo und Bel. Die anderen Kinder, die das Auto umringt hatten, blieben zurück. Auch Nick ging wieder ins Freie, sobald die Gäste vor dem Musikzimmer angekommen waren.

      Thilo Bach hörte von drinnen Sibylles Spiel. Er legte den Finger auf die Lippen und drückte lautlos die Klinke herunter. Auf Zehenspitzen betrat er zusammen mit Bel das Zimmer. Das Kind saß am Flügel, Anita Germersheim in einem Sessel unweit des Fensters.

      Erst als Billchen die kleinen Hände von den Tasten nahm, machte sich Thilo bemerkbar. »Hallo, du hast schon wieder eine Menge dazugelernt. Vielen Dank für deinen Brief, Sibylle.«

      Der Drehschemel wirbelte herum. Mit einem Jubelruf sprang Sibylle auf und ließ sich von Thilo auffangen.

      Der Künstler küsste das Kind auf die glühenden Wangen. »Hoffentlich stören wir nicht«, sagte er dann leise. »Ist es Ihnen recht, dass wir Sibylle heute besuchen, gnädige Frau?«

      Anita war blass geworden. Sie starrte Thilo Bach an, als wäre er ein Geist.

      »Möglicherweise hat Ihnen Ihre Nichte erzählt,


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