Sophienlust Paket 3 – Familienroman. Patricia Vandenberg

Sophienlust Paket 3 – Familienroman - Patricia Vandenberg


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Trotz der Bemühungen aller Sophienluster sonderte sie sich ab. Und ihre Eifersucht auf Jeremy war ganz offensichtlich. Sie ertrug es nicht, dass er sich den anderen Kindern anschloss.

      Daisy wich deshalb auch nicht von der Seite ihres Vaters und begleitete ihn überallhin. Roy wäre oft lieber allein gefahren, aber er wollte seine verzweifelte Tochter nicht vor den Kopf stoßen. Still hörte er ihr zu, wenn sie sich über Jeremys »Abtrünnigkeit« beklagte. Er wusste, dass er es mit ihr in der nächsten Zeit nicht leicht haben würde, dass er einer schweren Zeit entgegenging. Der Tod ihrer Mutter hatte Daisy vollkommen verändert. Am schlimmsten war, dass sie Jeremy immer wieder anfuhr, ihn mit Vorwürfen überhäufte und sichtlich zufrieden war, wenn er zu weinen anfing und nach seiner Mutter schrie.

      Renate, die Roy in allen Dingen treu zur Seite stand, half ihm auch dabei.

      »Ich fürchte«, meinte Roy, »dass Daisy auch daheim bei uns in Wales Jeremy immer wieder an den Tod seiner Mutter erinnern wird. Jedenfalls so lange, bis sie sich von dem Schmerz um ihre Mummy erholt hat.«

      »Wäre es in diesem Fall nicht besser, wenn Sie Jeremy hierlassen würden?«, schlug Renate sofort vor. Dabei klopfte ihr Herz zum Zerspringen. Würde Jeremy im Kinderheim bleiben, würde sie selbst weiterhin mit Roy Bennet in Verbindung bleiben. Dann könnte sie ihm brieflich über Jeremy berichten.

      »Sie meinen, er soll in Sophienlust bleiben? Glauben Sie, dass er gern hierbleiben würde?«

      »Ich bin fast sicher, Mister Bennet. Ich selbst habe noch drei Wochen Urlaub und würde mich um Jeremy kümmern.«

      »Ihr Vorschlag hat etwas Bestechendes«, erwiderte er. »Auch Mary würde damit einverstanden sein. Sie hat immer wieder gesagt, dass Jeremy ein besonders sensibles Kind sei und man sehr vorsichtig mit seiner Erziehung sein müsse. Alles, was er tat, tat er aus Freude. Das sollte auch so bleiben. Aber Daisy könnte unbewusst seine Seele vergiften. Wird aber Frau von Schoenecker damit einverstanden sein, dass Jeremy hierbleibt?«

      »Bestimmt wird sie das. Wir können sie gleich fragen. Sie ist im Augenblick bei Frau Rennert. Wollen wir zu ihr gehen?«

      Roy nickte. Zwar konnte er sich eine längere Trennung von seinem Sohn nur schwer vorstellen, doch er fand Renates Vorschlag trotzdem bestechend.

      Denise war sofort einverstanden. »Jeremy bleibt bestimmt gern hier«, meinte sie.

      »Jeremy ist bei den Ponys«, erklärte Schwester Regine, als man sie nach dem Kind fragte. »Nick hat ihm versprochen, ihn einmal reiten zu lassen.«

      »Da wird Jeremy in seinem Element sein. Daheim ist er auch schon auf einen Pferderücken gestiegen zum Entsetzen meiner Frau.« Roy wunderte sich fast, dass er so leicht über Mary sprechen konnte. Es tat ihm sogar gut, immer wieder ihren Namen aussprechen zu können.

      Jeremy strahlte, als er erfuhr, dass er für die nächsten Wochen in Sophienlust bleiben sollte. »Nur wegen Tommy bin ich ein ganz klein wenig traurig«, sagte er. »Aber Barri ist auch lieb. Sieh doch, Daddy, er ist immer in meiner Nähe.«

      Barri, der Bernhardiner, stupste das Kind liebevoll an. Es war, als hätte er Jeremys Worte verstanden.

      Daisy weinte vor Verzweiflung, als sie erfuhr, dass Jeremy in Sophienlust bleiben würde. »Daddy, das geht doch nicht!«, rief sie. »Jeremy muss doch bei Mummys Beerdigung dabeisein.«

      Doch Roy erwiderte: »Ich bin sogar froh, dass er nicht dabeisein wird, Daisy.«

      »Daddy, er wird uns alle vergessen. Jeremy wird nie wieder zu uns zurückwollen.«

      »Das ist doch Unsinn, mein Kind. Alle Kinder kehren nach einiger Zeit mit Freuden nach Hause zurück.«

      Daisy wollte das nicht einsehen. Als die Abschiedsstunde schlug, schluchzte sie laut.

      »Daisy, du brauchst dir doch keine Sorgen um Jeremy zu machen. Renate ist doch bei ihm.«

      »Ich mag sie aber nicht, Daddy, weil sie sich immer zwischen uns drängt.« Daisy wischte ihre Tränen mit dem Taschentuch fort. Sie weigerte sich auch, sich von allen zu verabschieden. Mit verstocktem Gesicht saß sie in dem Leihwagen und wartete ungeduldig darauf, dass ihr Daddy endlich einstieg. Als Roy sich noch einmal von Jeremy und Renate verabschiedete, schaute sie schnell beiseite. Sie drehte sich auch nicht ein einziges Mal um, als der Wagen durch das Parktor fuhr.

      Jeremy schmiegte sich an Renate, als das Auto nicht mehr zu sehen war. »Ich habe dich lieb, Tante Renate«, gestand er leise. »Nicht wahr, du fährst später mit mir nach Hause?«

      Renate nickte unter Tränen. Die Anhänglichkeit des kleinen Jungen rührte sie. Ein Lächeln erhellte ihre Züge bei dem Gedanken an Roy. Er hatte sie gebeten, ihm so oft wie möglich über Jeremy zu berichten, und sie hatte ihm das mit Freuden versprochen. Gleich morgen würde sie zum erstenmal an ihn schreiben.

      »Schwester Renate, nicht wahr, Sie fahren jetzt mit uns zum Tierheim Waldi u. Co?«, fragte Heidi. Sie war selig, dass Jeremy noch in Sophienlust blieb. »Jeremy möchte doch so gern alle Tiere dort kennenlernen. Er glaubt nicht, dass es dort ein ganz winziges Pferdchen gibt.«

      »Gut, dann fahren wir sofort los!«, rief Renate munter

      *

      Fast ganz Alvery war auf den Beinen, als die bei der furchtbaren Flugzeugkatastrophe tödlich verunglückten Frauen zu Grabe getragen wurden.

      Die meisten Toten waren Mütter, die ihre Männer mit den Kindern zurückgelassen hatten. Keiner der Männer schämte sich der Tränen, die ihnen bei der Trauerfeier über die Wangen liefen.

      Daisy ging neben ihrem Vater direkt hinter dem Sarg ihrer Mummy. Krampfhaft hielt sie die Hand ihres Daddys, der sie jedoch nicht einmal zu bemerken schien.

      Roy spürte zwar die Wärme der Kinderhand, aber er fand darin keinen Trost. Wieder hatte er dieses seltsame Gefühl, das alles nicht wirklich zu erleben. Sein Blick hing wie gebannt an dem mit Blumen überladenen Sarg. Auch die anderen Särge waren mit Blumen und Kränzen reich geschmückt.

      Keiner der Trauernden bemerkte die tief hängenden Wolken und den feinen Nieselregen, der sich mit ihren Tränen vermischte. Hin und wieder hörte man lautes Schluchzen oder hemmungsloses Kinderweinen. Nur Daisy konnte nicht weinen. Sie war noch immer wütend auf Jeremy, weil er durchaus in diesem Kinderheim hatte bleiben wollen. Sie nahm sich vor, ihm niemals zu verzeihen, dass er seine Mummy auf ihrem letzten Weg nicht begleitete.

      Plötzlich blickte Daisy erschrocken ihren Daddy an. Sie hatte einen ganz merkwürdigen Laut von ihm gehört. Nun sah sie, dass ihr Daddy weinte. Jetzt erst lösten sich auch ihre Tränen. Sie fing laut zu schluchzen an.

      Als der Pfarrer seine lange Rede hielt, in der er sämtliche Toten mit liebevollen Worten bedachte, goss es in Strömen. Daisy fror plötzlich entsetzlich. Ihre laut klappernden Zähne brachten Roy schließlich in die Wirklichkeit zurück. »Daisy, mein kleines Mädchen, es ist gleich vorbei.«

      »Ja, Daddy.« Sie schmiegte sich an ihn. »Nun sind wir beide ganz allein.«

      »Ja, nun sind wir allein.« Roy fiel nicht einmal auf, dass Daisy Jeremy aus ihren Gedankengängen ausgeschlossen hatte.

      Die Särge wurden in die Grube hinuntergelassen, die Angehörigen, Freunde und Bekannten warfen Erde auf die Särge. Roy warf einen dunkelroten Rosenstrauß auf Marys Sarg. Dann wandte er sich ab und ging mit Daisy an der Hand davon. Er hatte einfach nicht mehr die Kraft, sich von allen die Hand drücken zu lassen. Er wollte allein sein mit seiner unerträglichen Seelenpein.

      Völlig durchnässt stiegen Roy und seine Tochter ins Auto. Daisy wickelte sich weinend in die Wolldecke. »Ich möchte auch in den Himmel zu Mummy, Daddy. Ich will bei ihr sein!«, weinte sie laut.

      »Daisy, Gott hat es so gewollt«, erwiderte Roy geistesabwesend. Er dachte daran, dass daheim kein Mensch auf sie wartete. Die alte Barbara, die sonst immer zu ihnen gekommen war, lag seit drei Tagen mit einer Lungenentzündung im Krankenhaus.

      Der Regen wurde immer heftiger. Als Roy die Farm erreichte, fiel der Regen so dicht, dass Roy kaum einen Meter weit sehen


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