OPERATION ARKTIS. William Meikle

OPERATION ARKTIS - William  Meikle


Скачать книгу
im Inneren des Zimmers, bis sie im Türdurchgang zu einer wurden, führten vom Haus über den Pfad ins Meer. Sie endete direkt am Ufer. Ein Kinderstiefel schaukelte im eisigen Schneematsch der Brandung auf und ab, der zehn Zentimeter rundherum pink gefärbt war.

      Banks, der seine Männer nicht bitten wollte, sich irgendetwas anzusehen, das er selbst nicht sehen wollen würde, trat auf die vordere Veranda des Hauses und näherte sich langsam der zertrümmerten Tür.

      »Hallo?«, rief er und kam sich sofort dämlich vor, denn es war offensichtlich, dass niemand hier war. Der Raum war mit Blut bespritzt, als hätte sich ein verrückter Künstler mit einem Topf roter Farbe hier ausgetobt und sie über Wände, Möbel und Teppiche gespritzt, ohne sich zurückzuhalten. Der Strom war aus, aber Banks brauchte keine Zusatzbeleuchtung, er konnte mit der Nachtsichtbrille mehr als genug erkennen. Es waren tatsächlich keine Leichen zu sehen, nur das Blut und die verschmierten Spuren, die ihm allein schon sagten, dass niemand hier überlebt hatte. Zwei der Blutspuren begannen bei einem großen Ledersofa, das vor dem Fernseher stand und der Boden hier war sogar noch dunkler. Das Sofa war an einigen Stellen zerfetzt, wie von Messern oder Klauen. Die dritte Blutspur, die schmaler war als die beiden anderen, führte von einem umgeworfenen Bettchen in der Ecke weg.

       Einem Kinderbett.

      Er konnte die gesamte Szene vor seinem geistigen Auge nachstellen, abgesehen davon, dass er sich nicht vorstellen konnte, welche Bestie in der Lage war, ein solches Blutbad anzurichten, ohne eine einzige Spur von sich selbst zu hinterlassen.

      »Verflucht ordentliche Bären«, murmelte er leise, als er hinausging und sich wieder seinen Männern anschloss.

      Hynd und Mac untersuchten bereits das nächste Haus, aber das hatte ganz offensichtlich dasselbe Schicksal erlitten. Es gab weitere Hinweise auf eine brutale, direkte Attacke und blutige Schleifspuren, dieses Mal zwei, die zur Wasserkante führten, wo ein paar zerrissene, blutige Kleidungsfetzen von denjenigen übrig geblieben waren, die man weggezerrt hatte. Hynd sah nach hinten zu Banks und schüttelte den Kopf. Er musste nichts sagen. Hier würden sie genauso wenig jemanden lebend antreffen.

      »Cap? Was soll diese Scheiße?«, fragte Nolan und Banks hörte das Zittern in der Stimme des Mannes. Er hatte gesehen, wie Pat Nolan allein die Attacke einer Gruppe mörderischer Bergbewohner in Afghanistan abgewehrt hatte, ohne mit der Wimper zu zucken, aber jetzt war er blass und zitterte wie ein verängstigter Junge.

      »Ich weiß, Kumpel«, sagte Banks leise. »Das ist echt übel. Aber das war ein Angriff von irgendeinem Tier … muss es einfach gewesen sein.« Er tätschelte Nolans Gewehr. »Richte das einfach auf alles, was auftaucht und schieß, bis es wieder verschwindet.«

      Nolan brachte ein dünnes Lächeln zustande, während Hynd und Mac zurückkamen und sich ihnen anschlossen.

      »Was zur Hölle geht hier vor?«, fragte Hynd, aber Banks hatte keine Antwort, die über das hinausging, was sowieso jeder sehen konnte.

      »Zuerst ein russisches Boot, das in Schwierigkeiten steckt und nun das üble Gemetzel hier? Ich weiß es nicht. Ich hab zuerst gedacht, dass die Walrosse das Opfer einer wahllosen Attacke eines Tieres geworden sind, aber ich glaube nicht an solche Zufälle. Haltet die Augen offen, Jungs. Das könnte echt übel werden.«

      Die nächsten zwei Häuser an der Küste waren genau wie die ersten: Kaputte Türen, kein Strom und blutige Schleifspuren als einziger Hinweis, auf das, was passiert war. Sie fanden keine Anzeichen einer Schießerei, und auch wenn Banks den Boden nach Spuren absuchte, besonders nach Stiefelspuren der russischen Armee, fand er nur verwirrende Kratzer und Spuren, fast wie von einem Vogel, andere sahen eher wie tiefe Scharten aus, die vielleicht von Klauen verursacht worden waren. Er hatte fast schon einen Angriff durch ein Tier zugunsten einer russischen Geheimmission, die schiefgelaufen war, ausgeschlossen, doch als er diese Spuren sah, war er sich plötzlich nicht mehr so sicher.

      Bis sie am fünften Haus angekommen waren, war offensichtlich, dass die gesamte Siedlung dasselbe Schicksal ereilt hatte, auch wenn es hier zum ersten Mal Spuren von Gewehrfeuer gab, das aber aus dem Haus selbst gekommen zu sein schien. Der Besitzer hatte offenbar eine Schrotflinte gehabt, eine große, wenn man von der Streuung ausging. Aber falls er irgendetwas getroffen hatte, gab es keine Anzeichen von vergossenem Blut, außer seinem eigenen. Dieses Mal musste Banks eine Menge Hinweise analysieren, auch wenn er sich keinen Reim darauf machen konnte.

      Der Angreifer hatte sein Opfer weggeschleift, denn der dicke Mann lag im Eingang, Fetzen von Kleidung und Fleisch wie eine Decke unter ihm verteilt. Von seinen Beinen war nichts mehr übrig, außer Knochen und Fettgewebe – scheint ein begeisterter Fleischfresser zu sein – sein Schritt und der Bauch waren aufgerissen, die Rippen aufgebogen, als wären sie explodiert, Innereien, Herz und Lunge waren entnommen worden, genauso säuberlich, wie die Muskeln der Oberschenkel, beinahe mit chirurgischer Präzision. Alles, was die Attacke übrig gelassen hatte, war das Gesicht. Der Mund in einem nie endenden Schrei geöffnet. Die Augen, blutrot, schienen fast aus den Höhlen zu treten.

      Banks trat näher, um sich die Wunden genauer ansehen zu können, und er wünschte sich, er hätte sich bei den Walrossen ebenso die Zeit genommen. Die langen Oberschenkelknochen waren zerkratzt und fast zerfetzt, so als wäre das Fleisch grob abgerissen worden. Nachdem er genauer hingesehen hatte, wusste er auch wieder, woran ihn dieser Anblick erinnerte – an Leichen, die er im Himalaja gesehen hatte, von Priestern, die man unter freiem Himmel in einer Himmelsbeerdigung für die Krähen und Geier abgelegt hatte. Die abgeschlachtete Leiche zu seinen Füßen sah sehr ähnlich aus, wenn man betrachtete, was davon übrig war … ein Aasfresser hatte sich daran gelabt, oder eher mehrere.

      »Mein Wissen über die Gegend hier ist lückenhaft, Cap«, sagte Hynd leise, »aber ich kann mich nicht an irgendein Wildtier erinnern, dass auf dieses Weise angreift oder frisst.«

      Banks stand auf und vermied es dabei, in irgendwelche blutigen Überreste zu treten. Er schüttelte den Kopf.

      »Ich auch nicht. Aber was immer es ist, wir können keine Zeit damit verschwenden, danach zu suchen, denn wir stehen unter Zeitdruck. Wir sollten uns schnellstens zu dem russischen Boot aufmachen und genau unter die Lupe nehmen, was es dort zu sehen gibt.«

      Der kleine Hafen in der Mitte des Dorfes war so still, wie der Rest der Siedlung und keines der beiden Boote, die an dem kurzen Kai festgemacht waren, würden noch weit kommen, außer auf den Grund des Hafens. Sie hatten beide Löcher auf Höhe der Wasserlinie, und das Holz war zersplittert, als wären sie von außen aufgerissen worden.

      Banks ließ den Blick über das finstere Wasser schweifen, das zwischen ihnen und dem russischen Schiff lag. Im Mittelmeer hätte man die kurze Entfernung einfach schwimmen können, doch hier wäre es Selbstmord; der sichere Tod innerhalb von Minuten im eiskalten Wasser.

      »Plan B«, sagte Banks. »Das ist ein Fischerdorf und es gibt hier bestimmt irgendwo noch andere Boote oder Schlauchboote. Wir müssen eines finden, und zwar schnell. Zwei Teams; Sarge, du nimmst McCally und Briggs mit und siehst dir die Rückseite der Gebäude an, an denen wir vorbeigekommen sind. Checkt die Schuppen, Ladeflächen von Pick-ups, Wohnwagen … alles, wo man ein Boot oder Gummiboot finden könnte. Nolan, du bleibst bei Mac und mir. Wir treffen uns in zwanzig Minuten wieder hier.«

      »Und was geschieht, wenn wir kein Boot finden?«, fragte Mac.

      Banks lächelte finster.

      »Dann höhlen wir deine Wampe aus und benutzen dich als beschissenes Kanu.«

      Banks machte sich schnell in Richtung Norden auf, Nolan und Mac waren direkt hinter ihm. Das erste Gebäude, das sie inspizierten, stand gegenüber dem Kai auf der anderen Seite der Uferstraße. Es war das örtliche Postbüro. Im Gegensatz zu den übrigen Häusern sah es so aus, als hätte es alle Attacken schadlos überstanden. Banks sah, dass es ein Betonfundament hatte und Ziegelmauern, außerdem eine Eingangstür, die aussah, als würde sie einiges aushalten; Stahl und Glas, mindestens zwei Zentimeter dick. Was immer die Siedlung attackiert hatte, hatte sich offensichtlich über die leichteren Opfer in den Holzhäusern auf beiden Seiten hergemacht.

      Er klopfte laut an die abgeschlossene Tür,


Скачать книгу