RUN - Sein letzter Deal. Douglas E. Winter

RUN - Sein letzter Deal - Douglas E. Winter


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bin ein Geschäftsmann, und gut verstaut in der Brustinnentasche meiner Anzugsjacke, dem grauen Drei-Knopf-Anzug aus Leinen von der Stange, befindet sich der Grund, warum ich mich letzte Nacht mit Renny Two Hand getroffen habe: Ein Schlüssel, die Art von Schlüssel, die man an so gut wie jedermanns Schlüsselbund findet, die Art von Schlüssel, die zu einer Haustür passt oder einer Bürotür oder dem Briefkasten an der Wohnung.

      Dieser spezielle Schlüssel gehört zu einem Vorhängeschloss. Das Vorhängeschloss hängt an der Tür einer mietbaren Lagereinheit im dritten Stock von Moving Vault auf der Eisenhower Avenue in Alexandria. Im Inneren der Lagereinheit befinden sich übereinandergestapelt ein paar Kisten, deren Inhalt, zumindest bei den meisten der Kisten, mit blauem Textmarker geschrieben auf der Außenseite zu lesen ist. In der dritten Kiste von unten mit der Aufschrift LUFTENTFEUCHTER/BABYKLEIDUNG/ROLLKOFFER befinden sich Luftentfeuchter, Babykleidung und … ein grauer Samsonite-Rollkoffer.

      Am Dienstag werde ich den Lagerraum aufsuchen und einen grauen Samsonite-Rollkoffer dabeihaben. Ich werde den dritten Pappkarton öffnen. Ich werde meinen Rollkoffer, der leer sein wird, in dem Karton lassen und mit dem Rollkoffer aus dem Karton wieder gehen. Ich werde zur Huntington Metro Station fahren und auf dem Außenparkplatz parken. Ich werde in die Metro steigen, die Yellow Line bis zum Gallery Place nehmen, wo ich in die Red Line umsteige und bis zur Union Station fahre. Dort werde ich den Amtrak 120 nehmen, einen Metroliner, der um 16 Uhr abfährt, und ich werde mir eine Tasse Kaffee gönnen und ein paar Stunden in meinem Buch lesen bis ich die 30th Street Station in Philadelphia erreiche. Dort werde ich den Zug verlassen und ein Taxi zu einem Fischrestaurant namens Bookbinders nehmen, einem sehr belebten, hektischen Ort auf der Walnut, wo ich, während ich immer noch meine Sonnenbrille trage, der Dame an der Garderobe meinen Regenmantel und meinen Rollkoffer gebe und dafür einen Plastikanhänger bekomme, rund, mit einem Loch für den Haken und einer goldgeprägten Identifikationsnummer. Ich werde eine alte Freundin an der Bar treffen, die Leiterin des Anzeigenteils des Philadelphia Inquirer namens Lauren Auster, und wir werden ein paar Drinks zusammen nehmen und uns Geschichten erzählen, ein paar alte und ein paar neue, und wir werden lachen und nach einer gewissen Zeit werden wir uns an einen Tisch setzen und Shrimps-Cocktails und CaesarSalad und jungen Kabeljau bestellen, meinen rauchgeschwärzt und ihren gegrillt mit leichter Butter und Dill, und um 7:15 Uhr abends werde ich mir mit meiner Serviette die Lippen abtupfen und verlauten lassen, dass ich die Herrentoilette aufsuchen muss. Dort werde ich die zweite Kabine betreten, warten, ob ich vielleicht muss, und ich werde die Hosen runterlassen und mich hinsetzen und mein Geschäft verrichten. Ich werde eine Packung Wrigleys Juicy Fruit Kaugummis aufreißen und solange auf einem Streifen herumkauen, bis der Geschmack weg ist. Ich werde den Plastikanhänger aus meiner Tasche holen und ich werde den Kaugummi aus dem Mund nehmen, und dann werde ich den Kaugummi gegen den Anhänger pressen und ihn an die Wand hinter der Toilette kleben. Ich werde etwas Klopapier abrollen, mir die Hände abtrocknen, die Toilettenspülung betätigen und mich vom Acker machen. Ich werde zu meinem Tisch zurückkehren, den Kabeljau aufessen, mir einen Martell Cordon Bleu bestellen, eine Tasse Kaffee trinken, und wenn die Rechnung kommt, werde ich bar bezahlen, ein angemessenes Trinkgeld geben, und noch vor acht werde ich mit Lauren im Arm das Restaurant verlassen, und sie wird mir noch von ihrem aktuellen Freund erzählen. Und dann tauschen wir Küsschen und eine Umarmung aus und gehen getrennte Wege. Was bedeutet, dass ich ein Taxi zurück zur 30th Street Station nehme, um den Amtrak 127 zu erwischen, den letzten Metroliner des Tages zurück nach Süden, der um 8:14 Uhr abends abfährt.

      Während ich mit dem Zug zurück nach Washington fahre und mein Buch lese, wird ein anderer Restaurantbesucher seine Rechnung im Bookbinders bezahlen, und als er geht, wird er der Dame an der Garderobe seinen Plastikanhänger geben und seinen Regenmantel und seinen grauen Samsonite-Rollkoffer bekommen, und später, wenn er bei sich Zuhause ist, wird er den Koffer öffnen. In dem Koffer wird sich ein großes Ledertuch befinden, fein säuberlich zusammengewickelt und mit einer Schnur zugebunden. In dem Ledertuch werden zwei nagelneue, hübsch auf Kundenwunsch zugeschnittene Maschinenpistolen liegen, Heckler & Koch MP-5Ks mit sauberen Seriennummern, die er entweder benutzt oder weiterverkauft oder verschenkt oder sie sich stolz an die Wand in seinem Arbeitszimmer oder seinem Büro hängt. Kümmert mich wenig, denn sie sind im Voraus bezahlt worden.

      Ja, ich bin ein Geschäftsmann. Sagte zumindest Jules Berenger zu mir vor zwölf, dreizehn oder wer weiß wie vielen Jahren, als wir zusammen im Huddle House an der Little River Turnpike frühstückten und unsere lange Unterhaltung zu Orangensaft, Pfannkuchen, Spiegeleiern und viel schwarzem Kaffee führten, bevor ich ihm dann die Hand gab und bei ihm anheuerte, bevor ich einer der Jungs wurde. Ein Waffenschieber.

      Wobei das weder die Jobbezeichnung noch der Titel war. In Wirklichkeit wurde ich Handelsvertreter für VisionWorks, einer aufstrebenden Software-Firma. Ein paar Jahre später wurde ich Marketingleiter für BioInsights, einer aufstrebenden medizinischen Forschungseinrichtung. Dann wurde ich Marketingleiter für Line One, einen aufstrebenden Telefondienstleister. Diese ganzen Firmen gehören Jules oder zumindest jeweils ein Teil davon, und in diesen Branchen schuldet man seinen Kunden natürlich besonders viele Marketingbemühungen und ist daher viel auf Reisen im In- und Ausland.

      Früher oder später wurde ich, wie jeder junge, karrierebewusste Mensch, der was von seinem Job versteht, der Marketingleiter der eigentlichen Firma, UniArms in Alexandria, Virginia – der Kleinwaffen-Hauptstadt der freien Welt. Ich sah kein einziges Mal zurück, und wieso hätte ich das auch tun sollen?

      Ich lebe den amerikanischen Traum: Schönes Haus, schöner Rasen, schöner Wagen; keine Frau und keine Kinder, aber was soll's, schließlich gibt es Fiona. Ich verdiene ganz sauber meine Hunderttausend im Jahr, mit Lohnbescheinigung und allem Zipp und Zapp. Bezahle sogar meine Steuern, beschissene achtundzwanzig Prozent jedes Jahr, und mit jedem lächelnden Demokraten mehr, den sie ins Weiße Haus wählen. Dann bekommt der Staat … wie viel? Fünfunddreiviertel. Die Stadt kriegt auch ein halbes Prozent, ganz zu schweigen von der Grundsteuer und der Vermögenssteuer und jetzt dieser gottverdammten Recyclingsteuer. Dann ist da auch noch die Mehrwertsteuer. Wenn du dann noch deine monatlichen Beträge für deine Hypothek, deinen Autokredit, deine Telefonrechnung, Strom Gas, Wasser, Versicherungen, Kabelfernsehen und dann die Kreditkarten bezahlst, was bleibt dann noch? Nichts. Jeder will etwas von dir: die Bank, MasterCard und VISA und ganz besonders die Politiker.

      Wie ich schon sagte, es ist der amerikanische Traum.

      Ich bin also ein Geschäftsmann. Ich kaufe und verkaufe Waren auf dem freien Markt. Was hin und wieder unter der Hand läuft, erwähnen wir gar nicht erst. Dass diese Güter Kaliber und Mündungsgeschwindigkeiten haben, spielt für das Geschäft keine Rolle. Die Abholung und Auslieferung kann manchmal nur etwas schwierig werden. Die Lieferanten, die guten, die cleveren, machen Geschäfte. Die können es sich nicht leisten, es zu vermasseln. Mit Kunden ist das eine andere Sache.

      Und so funktioniert's:

      Die Leute brauchen Waffen. Aber die Leute kommen nicht an Waffen heran. Zumindest nicht alle und nicht immer. Was etwas seltsam klingen mag, immerhin kommt in Amerika auf jeden Mann, jede Frau und jedes Kind eine Schusswaffe.

      Sagen wir also, Sie wollen einen AMT Hardballer kaufen, eine billige .45er, miese Qualität, mit einem Rückstoß wie ein Pferd. Ich würde ja eher die Automatik mit längerem Schlitten für eine bessere Genauigkeit empfehlen, kostet Sie nur fünfundzwanzig Dollar mehr. Aber zuerst müssen Sie die Hardballer kaufen können.

      Wenn Sie in New York City leben, können Sie es vergessen. Sie dürfen dort keine Handfeuerwaffe besitzen. So lautet das Gesetz. Sie brauchen eine Erlaubnis dafür, und sofern Sie nicht das große Geld oder große Eier haben, brauchen Sie nicht mal den Antrag dafür ausfüllen. Aber wenn Sie, sagen wir, in Texas City leben, nun, dann können Sie sich eines dieser Babys besorgen und noch am selben Tag das Magazin mit sieben Schuss einschieben, wenn Sie wollen.

      Zumindest theoretisch. Sie müssen diesen Wisch ausfüllen, den die Feds Formular 4473 nennt, und sie eine Hintergrundüberprüfung machen lassen. Und sofern Sie sich nicht dazu entschließen, zu lügen, ein Vergehen, das mit mehreren Jahren Freiheitsstrafe belangt werden kann, dann werden Sie von der Festnahme und der Verurteilung und dem psychischen Problem erzählen müssen. Sofern Sie sich eben nicht dazu entschließen, zu lügen.


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