RUN - Sein letzter Deal. Douglas E. Winter
Nehmen wir Kruikshank zum Beispiel. Sie nennen ihn CK. Zwei Buchstaben. Und wofür könnte das stehen? Clark Kent? Calvin Klein? Captain Kid? Chung King?
Nein, nein, nein, und nein.
Es geht das Gerücht, die Abkürzung stünde für Cop Killer. CK redet nicht darüber, kein Wort. Es sei denn, er wird gefragt. Dann sagt er dir, dass er darüber nicht reden will.
Ich nenne ihn Cuke, Gurke. Das gefällt ihm.
Cool, sagt er. Cool wie 'ne Gurke.
Nun, CK ist unser typischer Fall von Unzurechnungsfähigkeit, das, was dabei herauskommt, wenn man einen Force-Recon-Unteroffizier mit einem Pitbull Terrier kreuzt. Lebt allein in einem Hochhaus-Appartement, Wohnzimmer, zwei Schlafzimmer, Küche und nicht ein einziges verdammtes Möbelstück, es sei denn, man zählt den Fernseher dazu, was ich nicht tue. Hängt sich Led-Zeppelin-Poster und Fotos von Pornostars an die Wände. Schläft auf einer Matratze, isst braunen Reis und Snickers. Glaubt an Gott und Telefonsex. Läuft täglich außer sonntags sieben Meilen. Er besitzt drei Anzüge, und die sind identisch, er hat sie im gleichen Laden gekauft, zur gleichen Zeit, diese grauen, irgendwie unauffälligen Dinger.
CK trägt eine Smith & Wesson Model 29 bei sich – die Dirty-Harry-Pistole, .44er Magnum, angeschrägter Zylinder, schwer ausgeführter Revolverlauf, mit Bohr- und Gewindelöchern für die Montage eines Zielfernrohrs, mit einer 22-Zentimeter-Mündung, die reine Show ist, der stahlblaue Penis und so. Aber wie sie immer in diesen Fernsehwerbespots mit den Messern sagen, die durch Bierdosen schneiden können: Aber das ist noch nicht alles! CK gibt seinen Kanonen Namen. Als wären es Hunde oder Kinder. Deshalb heißt die .44er Elvis, und er hat zwei Browning Hi-Powers, die er Siegfried und Roy nennt.
Einmal, als wir in Atlanta als Strohmänner herumhingen, erzählte mir dieser alte Knacker namens Smitty, dass die ganze CK-Sache totaler Quatsch sei. Dass CK noch nie auf jemanden geschossen hätte, außer vielleicht in seinen Träumen. Ausgeschlossen, dass er jemals einen Cop umgebracht hätte.
Pass auf, Kleiner, hatte Sonny mir gesagt. Der Mann ist ein Schwätzer, kein Macher.
Natürlich war Smitty auch so ein Fall für sich, die Art von Kerl, die sich von einer Lüge zur nächsten hangeln und damit durchkommen. Und er hatte CK nicht an jenem Tag in Norfolk erlebt. Dem Tag, an dem Mikey starb. Kurz nachdem Mackie the Lackey CK fragt:
Wie spät ist es?
Genauso spät wie vor zehn Minuten, als du mich schon mal gefragt hast, sagt CK zu Mackie. Plus zehn Minuten.
Mackie, der damit beschäftigt war, sich Fusseln aus der Leistengegend zu puhlen, schaut auf und sagt:
CK, erklär mir das doch noch einmal. Du weißt schon, diese Sache mit dem großen Geschworenengericht und wer mit wem geredet hat und warum dieses kleine A-loch Mikey besser die Fresse halten sollte.
Und natürlich gibt es dafür eine Erklärung, aber ich muss sie nicht noch einmal hören, denn letzten Endes geht es gar nicht darum, was Mikey getan hat. Es geht schlicht und ergreifend darum, dass es passiert ist. Der Kerl hatte einen Job, und man erwartete, dass er ihn tat. Ende der Geschichte. Ich will nicht hören, dass man ihn verarscht hat oder die alte Leier, dass er knapp bei Kasse war. Der Kerl hatte einen Job, und der Job hatte ein paar Regeln. Also hatte er sich an diese Regeln zu halten, was bedeutet, dass man nie, aber auch niemals mit den Cops redet. Ich meine, wenn wir uns nicht mal mehr an die Regeln halten, dann sind wir nur noch Tiere.
Wir sitzen also da und warten auf Mikey, und da spielt das Radio, einer dieser alten Radiosender, es spielt diesen Song. Dieser eine Typ singt durch die Nase über den Hurdy Gurdy Man, und CK greift hinüber und dreht die Lautstärke auf, sodass der Song laut genug ist, dass die kleinen Plastiklautsprecher knistern.
Hurdy gurdy he sang, und CK versucht tatsächlich mitzusingen, weshalb es gut ist, dass die Lautstärke voll aufgedreht ist, denn ich will ihn nicht singen hören.
Schwuchtelmusik, sagt Mackie, aber CK macht weiter.
Ich sagte–
Hab dich gehört, erklärt CK. Er dreht die Musik etwas herunter, starrt zu mir herüber und sagt:
Weißt du, wer die Leadgitarre spielt?
Ich frage: Wer?
Und er sagt: Weißt du, wer die Leadgitarre bei diesem Song gespielt hat?
Ich sage: Nein, wer hat die Leadgitarre gespielt? Welche sich mittlerweile in die unteren Regionen hinunter gearbeitet hat, wo sie ziemlich undeutlich vor sich hin dröhnt, und ich das Gefühl habe, dass wir uns einem Ort nähern, an dem ich nicht sein möchte.
CK nimmt die Schuhe vom Tisch und sieht mich an, als hätte er im Lotto gewonnen.
Jimmy Page, sagt er.
Ich entscheide, dass es das Beste ist, angemessen erstaunt zu wirken. Ah, sage ich.
Aber Mackie klinkt sich ein. Wer zum Teufel ist Jimmy Page?
Ich glaub's nicht, sagt CK. Ich glaube es einfach nicht. Dann dreht sich CK wieder zu mir und sagt: Also?
Und ich frage: Also was?
Was ein Fehler ist, denn er sagt:
In Ordnung, weißt du dann, wer das Schlagzeug spielt? Bei diesem Song? Wer mit den Sticks auf die Felle haut?
CK, sage ich, du hast mich erwischt, weißt du? Dieses Mal hast du mich echt erwischt, Mann, denn ich weiß weder, wer die Leadgitarre gespielt hat, noch kenne ich den Typen, der da singt, und am allerwenigsten weiß ich, wer da Schlagzeug spielt.
Der Larifari-Sänger singt jetzt irgendwas über den Roly Poly Man.
Und ich sage zu CK: Okay, war es Ringo Starr oder was?
CK bewegt ganz langsam die Lippen, so als wäre er der Lehrer und ich der Idiot, und er sagt: John Bonham.
Mackie prustet die Art von irrem Gelächter heraus, mit dem nur ein Partner von CK unbeschadet durchkommen kann. Ich muss das Spiel mitspielen.
Roly poly, roly poly, roly poly he sang.
Also sage ich: Ahm, CK, hilf mir aus der Sache raus, okay? Wer ist John Bonham?
Ihr Jungs. Das ist alles, was er sagt, den Kopf schüttelt und seine Augen schließt. Ihr bekloppten Jungs. Mit seiner Hand reibt er sich die Schläfe, hurdy gurdy he sang, und irgendwann ist der Song zu Ende, und CK greift hinüber und dreht die Lautstärke während einer Pepsi-Werbung herunter und dann das Radio ganz aus.
Wie oft habt ihr den Song gehört?
CK–
Ich will ihm etwas erklären, aber Mackie sagt: Zu oft.
Fick dich, Mann, sagt CK zu Mackie, und dann sagt er zu mir: Und du dich auch. Du verstehst es einfach nicht, oder? Dieser Song ist Poesie, Mann. Weißt du, was Poesie ist? Das sind diese schönen Worte, die etwas bedeuten. Poesie, Mann. Und nicht dieser Ich-liebe-dich-liebst-du-mich-Bullshit. Der Kerl erzählt uns etwas. Der Song bedeutet etwas. Poesie.
Er zieht die Schrotflinte, eine Remington Combat 870, aus ihrer Hülle und fegt das Radio, den schmutzigen Aschenbecher und eine gefaltete Zeitung wie Brotkrümel vom Tisch herunter. Seine linke Hand streut Schrotflintenpatronen quer über die abgeplatzte hölzerne Oberfläche.
Rafft ihr das nicht? Kriegt ihr das nie in eure Köpfe?
Er schaufelt eine der Patronen in die Schrotflinte und greift sich die nächste.
Der Song handelt vom Tod, sagt er.
Dann lädt er die Schrotflinte durch, und die erste Patrone landet in der Kammer.
Da betritt Mikey den Raum. Oder vielleicht mag ich einfach nur die Vorstellung, dass es so war. Wir könnten auch noch zwanzig weitere Minuten gewartet haben, nach allem, was ich noch weiß, aber so spielte es sich in meiner Erinnerung ab: Diese Worte, CK lädt die Schrotflinte, und dann kommt Mikey herein.
Mikey