RUN - Sein letzter Deal. Douglas E. Winter

RUN - Sein letzter Deal - Douglas E. Winter


Скачать книгу
Niemand, und damit meine ich wirklich niemand außer dem Mädchen, darf sich auf den Diwan setzen.

      Für eine ganze Weile herrscht Schweigen. Jules spricht als Erster, so lautet die Regel, und deshalb stehen wir manchmal nur dumm wie die Kellner herum, während er noch telefoniert oder Akten sortiert oder an sich selber herumspielt. Nicht schlecht, wenn man nach Stunden bezahlt wird. Schließlich, und es hat eine kleine Ewigkeit bis zu diesem Schließlich gedauert, sieht er von seinem Schreibtisch auf, als wären wir gerade erst zur Tür hereingekommen und sagt:

      Siehst nicht allzu gut aus, Lane. Tatsächlich siehst du so aus, als würdest du einen langen Urlaub gebrauchen können.

      Danke, Sir.

      Wir haben ein paar kleinere Angelegenheiten auf der Tagesordnung, und dann kommen wir zum Geschäft. Fangen wir mit dem Safari Guns an, dem Laden draußen in Annandale. Die Buchhaltung sagt, dass die Zahlen jetzt passen. Gute Arbeit, Lane. Aber beim nächsten Mal etwas weniger Drama, okay?

      Ich nicke so ernst wie möglich.

      Okay, was ist mit diesem Kazanian-Deal? Der Greek Gourmet? Diese Fladenbrot-Typen?

      Womit jemand anderes an der Reihe wäre, in die Scheiße zu latschen.

      Lukas macht auf cool und tritt einen Schritt vor: Hab den Laden überprüft, wie von Ihnen gewünscht, Mr. Berenger. Die sind sauber.

      Dieser Lukas ist ein mieses Stück Scheiße und ein mieser Schauspieler obendrein. Macht seinen Job nicht anständig, findet dann aber immer jemanden, der den Kopf für ihn hinhalten muss. Aber das wird heute nicht passieren.

      Ich warte, bis Jules ansetzt: Okay, ich habe hier–

      Und dann lasse ich Lukas auflaufen:

      Sicher, Lukas? Ich meine, wenn du dir sicher bist, dann okay, aber weißt du was? Ich bin heute Mittag dort vorbeigefahren, das dritte Mal in den letzten zwei Wochen, und ich werd' dir sagen, was ich gemacht habe. Ich hab mich hingesetzt, das habe ich gemacht. Ich hab mich hingesetzt und die Gäste gezählt. Eine halbe Stunde lang. Um die Mittagszeit, wohl gemerkt, und in der Zeit gingen sechzehn Leute rein und raus. Sechzehn Leute in dreißig Minuten. Mit Ach und Krach servieren die fünfzig Mittagessen pro Tag, vielleicht noch mal fünfzig Abendessen. Und jetzt verrate mir eines, Lukas: Was macht ein Laden von der Größe mit vier, fünf oder sechs Fleischlieferungen pro Woche? Wofür brauchen die die ganzen Laster, die da rein- und rausfahren, rein und raus?

      Lukas ist verloren. Er steht mitten im Wald und ist verloren. Schließlich sagt er: Ich hab mit den Leuten geredet, Mr. Berenger. Ich habe mit ihnen geredet. Lukas klingt angepisst, er ist sauer auf mich, nicht auf sie. Das ist sein Problem, und das sollte er besser schnell in den Griff kriegen.

      Ich sage zu ihm:

      Die haben da was am Laufen, Kumpel. Die knallen deine Frau und deinen Hund, und du merkst es noch nicht einmal.

      Okay, okay, sagt Jules. Ich habe genug gehört. Lukas, du bewegst deinen Arsch hier raus–

      Warte mal, Jules, sage ich zu ihm. Ich kann mich darum kümmern–

      Er sieht mich noch nicht einmal an.

      Lukas, sagt er, ich will, dass du deinen Arsch jetzt hier raus schwingst und den Laden hochnimmst, und das Ganze am besten gestern noch, haben wir uns verstanden?

      Jules–

      Der Mann ist nicht taub. Er hört nur einfach nicht zu.

      Okay, sagt er. Eine Sache noch.

      Jetzt endlich spricht er mit mir.

      Die Philly-Lieferung. Die gibst du an Trey Costa ab.

      Kein Ding, sage ich und lasse meine Schultern in meinem Anzug kreisen. Es wird langsam warm hier drin. Ein wenig zu warm. Also frage ich ihn frei heraus: Was haben wir hier, Jules?

      Jules sieht Lukas an. Verschwinde, sagt er. Lukas versucht ein Lächeln, zieht sich eilig zur Tür zurück, und dann ist er auch schon Geschichte.

      Jules sieht CK an. Du hast es ihm erzählt, CK. Stimmt doch, oder? Du hast ihm davon erzählt?

      CK nickt.

      Jules dreht sich zu mir und sagt: Er hat es dir erzählt.

      Er hat mir so gut wie gar nichts erzählt, antworte ich. Er hat mir gesagt, wo, nämlich New York, aber genauso gut hätte er auch Rhode Island sagen können. Er hat mir gesagt, wann, nämlich an diesem Wochenende. Das sind ein paar Stunden. Er hat mir gesagt, mit wem, womit wir bei irgendwas um die zwanzig Millionen Leute wären. Obwohl er Nigger erwähnt hat, was die Anzahl halbieren dürfte. Ich wusste nicht, dass wir wieder Deals mit Gangs abwickeln, Jules. Dachte, aus dem Geschäft wären wir raus. Dachte, dass einen solche Aktionen für den Rest des Lebens hinter Gitter bringen können. Möglicherweise beißen auch ein paar Leute ins Gras.

      Möglicherweise, sagt er. Deshalb sollst du mit auf Tour. Um sicherzustellen, dass so etwas nicht passiert.

      Wer kommt noch mit?

      Du kriegst Mr. James. Er redet über Two Hand, als wäre der gar nicht anwesend.

      Ich sehe zu Renny. Ihm wird nicht gefallen, was er gleich hören wird, aber es ist die Wahrheit:

      Wenn sie wirklich ein paar Schläger dabeihaben wollen, wird der Junge allein nicht genügen, Jules.

      Das weiß ich, sagt er und kneift die Augen zusammen. Wie ein aufgeblasenes Ferkel. Wenn du mir jetzt endlich zuhören würdest? Ich habe mich um die Sache gekümmert. Und mit diesen Worten zuckt er mit seinem Kopf kurz in Richtung Tür.

      Die beiden Typen auf der Couch?

      Es gibt nichts weiter zu sagen. Jules beginnt wieder damit, herumzusuchen, zieht die Schubladen seines Schreibtischs auf, wühlt darin auf der Suche nach Streichhölzern herum, die er nicht findet, für Zigaretten, die er nicht rauchen kann. Nach einer Weile fördert er sein Lieblingsspielzeug zutage, das Barlow-Messer, und er sagt: Das ist nicht dein Problem.

      Diese Typen sind unsere Verstärkung, und du willst mir erzählen, dass das nicht mein Problem ist?

      Es ist nicht dein Problem. Das ist Mr. Kruikshanks Geschäft. Hast du ein Problem damit, CK?

      Alle Köpfe drehen sich zu ihm und seinem Psycho-Lächeln um, direkt aus einer Zahnpasta-Werbung:

      Kein Problem.

      Gut, sagt Jules. Jedenfalls – diese Typen sind knallhart. So hart wie Stein.

      Sicher doch, sage ich. Die sehen mir schon knallhart aus, wie der Fels von Gibraltar. Hast du die Hosen von dem kleinen Kerl gesehen? Bilde ich mir das nur ein oder hingen die ihm vom Arsch? Jetzt rede Klartext mit mir, Jules. Spar dir die Schönfärberei, ich will harte Fakten. Ich will wissen, wer und wie, und was mich mich wirklich brennend interessiert ist … warum?

      Und dann geht das Schauspiel los. Jules hält die Spitze des Barlow-Messers nach unten. Dann rammt er es direkt in die Tischfläche des Famous-Schreibtischs, eines von diesen antiken Chippendale-Dingern, muss ihn zwanzig Riesen gekostet haben, und fängt an herumzuschnitzen. Säbelt ein großes Stück Mahagoni heraus. Besieht sich sein Werk, als wäre er ein Künstler vor einer Leinwand. Atmet tief aus. Dann:

      Was machst du mit dem Geld, das ich dir gebe, Lane? Du gibst es aus, oder?

      Ich nicke.

      Legst du auch mal etwas beiseite?

      Du meinst, auf eine Bank?

      Genau, sagt er. Auf eine Bank. Oder in Aktien.

      Die Bank, erkläre ich ihm. Sparbuch. Girokonto. Und ein Rentensparer.

      Was ist mit Aktien?

      Nope.

      Er bedenkt mich mit seinem Du-Arschloch-Kopfschütteln. Dann macht er sich wieder an seinem Famous-Schreibtisch zu schaffen. Dieses Mal eine Delle an der Seite.

      Ich werd' dir mal was über Geldanlagen verraten, sagt er. Wenn man sein Geld an der Börse wie beim Lotto anlegt,


Скачать книгу