RUN - Sein letzter Deal. Douglas E. Winter
denn AJ konnte manchmal echt aufbrausend werden. Aber diese Kerle, diese Scheißkerle von Gangstern? Die mögen es, so genannt zu werden. Ich meine, hören Sie sich doch diesen Rap-Mist an, diese Typen reden sich da die ganze Zeit mit Nigger an. Wenn man im Leben ganz unten angekommen ist, ist das ein Name wie jeder andere – man kriegt ihn, und dann lebt man damit, so gut man eben kann.
Und wo wir gerade vom Teufel sprechen, sehe ich die U Street Jungs wieder, als ich zurück ins Erdgeschoss des Lagerhauses komme. Ich sehe, wie CK dem kleineren von beiden, Juan E, der glitzert und funkelt, als wäre es Silvester, die Hand schüttelt, und dann fällt mir auf, dass der andere, der gelbe Nigger, weder seinen Kumpel noch CK auch nur einen Deut beachtet. Stattdessen starrt der den Typen am Fuß der Treppe an. Mich.
SELBST DIE BESTEN PLÄNE …
Sonnenaufgang an einem trägen Morgen, einen Tag zuvor. Also haben wir Donnerstag. Ein Pontiac steht auf einem Parkplatz, und der Himmel sieht aus wie Kotze. Two Hand und ich sitzen hinter CK und Mackie und wetten auf das Spiel der Orioles gegen die Mariners. Ich bin mit 500 Dollar dabei, und Mackie, dieser Schwachkopf, setzt dreihundert auf die Mariners. Der Pontiac parkt vor dem Dollar Bill Motel an der Route 1, südlich von Alexandria an der Straße nach Mount Vernon, wo wir uns, wenn wir mit den Wetten durch sind, mit Kanonen eindecken und die Mannschaft in Augenschein nehmen werden.
Wenn es Zeit für ein krummes Ding ist, sollte man die Leute kennen, die mit von der Partie sein werden. Drinnen in der Absteige befinden sich Typen, wegen denen man uns verhaften könnte oder wegen denen wir vielleicht sogar ins Gras beißen könnten. Unsere afroamerikanischen Brüder.
Das Motel ist jetzt nicht die allerschäbigste Absteige, aber jedes Quality Inn nimmt sich dagegen wie das Four Seasons aus. Zwei kleine eingeschossige Rechtecke. Alle Zimmer – also alle fünfundzwanzig oder dreißig – zeigen nach innen, was bedeutet, dass sie sich gegenüberliegen. Ein malerischer Ausblick. Wir trotten also über den Parkplatz und in den nicht überdachten Gang dieses Zwanzig-Piepen-die-Nacht-Prunkstücks, und Renny zählt die Zimmer zu unserer Rechten ab: 17, 16, 15, Bingo. Er lehnt sich gegen den schwarzen, schmiedeeisernen Türrahmen vor Nummer 14, und seine Puste, eine Uzi, steckt unter seinem Regenmantel. Ich stelle mich neben das Fenster, nah an der Tür zu Nummer 15, und tue so, als würde ich rauchen. CK nickt Mackie zu, der nickt zurück und zieht eine Smith & Wesson Kaliber .40 aus seinem Gürtel. Er hält sie mit der Nase nach unten, greift mit der Linken darüber hinweg und klopft an der Tür zu Zimmer 14 an.
Sesam, öffne dich.
Mackie geht hinein, dann CK, und ich gebe Renny Two Hand ein Zeichen und wage den Schritt ebenfalls. Renny folgt mir, zieht die Tür hinter sich zu, und Halleluja, die ganze Gang ist da.
Es ist ein kleiner Raum, außer dem Doppelbett hat kaum noch etwas anderes darin Platz. Auf dem Bett lungern Juan E mit einer Flasche Bier und ein paar von seinen Homies herum.
Ich sehe mich einmal um, und was wir hier haben, sind sechs Mann von der U Street Crew, von denen ausnahmslos jeder 300-Dollar-Sneakers und herunterhängende Hosen trägt und mürrisch grinst, und alles, was mir dazu einfällt, ist: Diese Typen sind noch Kinder. Juan E dürfte gerade mal achtzehn sein, von den anderen ist keiner älter als einundzwanzig, maximal fünfundzwanzig. Mit Ausnahme des gelben Niggers. Und der sitzt ganz hinten in einer Ecke, allein, versteckt sich hinter einer alten Sonnenbrille, die er auch drinnen trägt, um 06:00 Uhr in der Früh, scheint in einem Tagtraum versunken zu sein und sieht fern, ESPN, falls er davon etwas mitbekommt. Er ist der alte Hase in seiner Crew. Uralt. Womöglich sogar schon fünfunddreißig. Zu viele von diesen Typen sterben jung, durch eine Waffe oder das Urteil, das dieser meistens nachfolgt. Diese Typen sind Gangster, und wer damit einmal angefangen hat, kehrt nicht mehr zurück. Mit achtzehn Jahren haben die schon auf andere geschossen, wurden angeschossen, saßen bereits sechs- oder siebenmal im Jugendknast, wandern ein und wieder raus. Die haben schon alles gesehen, vielleicht sogar mehr als ich. Vielleicht.
Yo, Cuz, sagt das Kid, das mir am nächsten sitzt, der mit dem Stirnband, und meint wohl seinen Cousin. Die Weißbrote sind da.
Leck mich, sagt Mackie, ganz der Diplomat. Aber er steckt seine Pistole ein.
Dann werden Hände geschüttelt, und alle heucheln sich einen ab. Der mit der Glatze, schlaksig und mit Dauergrinsen, ist Django, und der mit dem USC-Sweatshirt ist Lil Ace, und dann wäre da Malik, einer von den Typen mit versteinerter Visage und definitiv schon ein paar Leichen im Keller, und schließlich noch der mit dem Stirnband, und das ist … Headband. Klar.
Hey. Hi. Hallo. Wie geht's? Ich meine, was will man auch groß sagen in einem Zimmer voller Gangmitglieder? Tja, das überlassen wir wohl am besten Mackie the Lackey:
Und mit wem hängt ihr Typen so ab? Den Bloods? Den Crips?
Jetzt herrscht erst einmal Schweigen.
Juan E starrt Mackie wie Wile E. Coyote an, aber Mackie macht munter weiter:
Sagt schon, bohrt dieser beschissene Henry Kissinger weiter. Auf welcher Seite steht ihr?
Juan E stößt diesen Django-Typen neben sich mit dem Ellenbogen an, und dieser Django-Typ macht ein lustiges Zeichen mit den Fingern an seiner rechten Hand. Die Homies, alle außer dem gelben Nigger, nicken und lachen, nicken und lachen, und schließlich kräuselt Juan E die Lippen und sagt:
Du weißt gar nichts, Mann. Bloods, Crips, Gangs … der Scheiß kann uns gestohlen bleiben. Die USC hat das hinter sich gelassen, alles klar? Uns gehört die Straße, und der Krieg ist vorbei, Baby, hast du's nich' gehört? Es ist vorbei. Wir haben jetzt einen Nigga im Weißen Haus sitzen. Dauert nich' mehr lange, dann können wir es das Schwarze Haus nennen.
Noch mal der Ellenbogen. High Fives. Gelächter, Gelächter, Gelächter.
Aber Mackie sagt: Moment mal, meinst du den Kerl, der Vizepräsident werden will? Scheiße, Mann, das ist kein Nigger. Das ist ein Republikaner.
Dafür erntet er zumindest auch ein wenig Gelächter, doch dann dröhnt durch das Geplapper hindurch diese tiefe Stimme, die nach Hennessy und fünf Päckchen Zigaretten am Tag klingt, und sie stammt von diesem Eismann Malik, und er sagt:
Es ist vorbei, Baby. Nigga bringen keine Nigga mehr um. Wir haben größere Fische an der Angel. Fette Brocken. Verstehst du, wovon ich rede? Weiße Fische.
Ja, schon klar. Das ist CK, und man merkt ihm an, dass er genug hat. Ihr habt Drogen, und ihr habt Waffen, sagt CK. Möge die Revolution beginnen.
Juan E sieht ihn an. Du hörst nich' zu, Motherfucka. Das hier sind rechtschaffene Soldaten, klar? Das neue Afrika.
Ja, ja, ja, sagt CK. Tja, weißt du, ich bin noch vom alten Eisen. Ein Traditionalist. Ich glaube an familiäre Werte, Gebete in der Schule und dass man wissen sollte, wohin man gehört. Ich schätze, ich mochte das alte Afrika lieber.
He, Cuz, sagt Headband zu Juan E. Ich hab keinen Bock auf diese Uralt-Scheiße. Und ich fahr ganz sicher nicht mit so 'nem Mzungu mit.
Mackie beugt sich über Headband und sagt: Wie war das, Arschgesicht? Was war das eben, irgendein Zulu-Mist? Oder Moslem-Sprech?
Headband sieht Mackie mit einem Gesichtsausdruck an, als würde er ihn zum allerersten Mal sehen. Lebst du eigentlich auf diesem Planeten oder warst du einfach nur zu beschäftigt damit, weiß zu sein? So was wie eine Moslem-Sprache gibt's nicht, Mann. Schon mal was von Arabisch gehört? Suaheli? Ich rede von dir, weißer Mann. Du bist Mzungu, der Teufel.
Cool, flüstert Two Hand mir zu, und bevor Mackie den Jungs noch einmal in den Vorgarten scheißen kann, trete ich vor und sage:
Hey, whoa. Auszeit. Vielleicht bin ich ja im falschen Zimmer, aber ich dachte, bei dieser Unterhaltung geht es um etwas, was wir für euch und ihr für uns tun könnt. Und wenn wir das zusammen durchziehen, können wir alle Geld verdienen. Viel Geld. Ist 'ne schöne Sache, Geld. Die hat nichts mit Farben zu tun, außer Grün. Also, warum hören wir nicht auf, uns mit Dreck zu bewerfen, und kommen einfach klar?
Ich zeige auf CK. Das ist Mr. Kruikshank. Er leitet die Show. Und–