RUN - Sein letzter Deal. Douglas E. Winter

RUN - Sein letzter Deal - Douglas E. Winter


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und er sieht zu CK und sieht zu Mackie und sieht zu mir und sagt:

      Hey.

      Auch daran erinnere ich mich. Er sagt: Hey.

      Woraufhin ihn alle zurückgrüßen.

      Hey.

      Hallo, Michael.

      Mikey, schön dich zu sehen.

      Zuletzt ist CK dran, und in diesem Moment bin ich beinahe überzeugt davon, dass sich Mikey auf den Klappstuhl am anderen Ende des Tisches setzen und er seinen Koffer öffnen wird und er und CK ihren Deal abwickeln werden.

      Die beiden geben sich sogar quer über den Tisch die Hände, so als könnte nicht jeder von ihnen die Schrotflinte dort liegen sehen.

      Was hast du da?, fragt CK, was Mikey aus irgendeinem Grund nicht gefällt, weil er irgendwie den Haliburton anstarrt, und yakety-yak gehen bei mir die Alarmglocken an. In dem Moment weiß ich, dass was immer er dabeihat, auch geladen sein wird.

      Ich hab, was ich brauche, sagt er.

      Mikey, sagt CK. Seine Knöchel klopfen auf den Tisch, nur einmal. Mr. Berenger will, dass ich mich bei dir für die Chapel-Hill-Sache bedanke.

      Mikey lehnt sich in seinem Stuhl zurück, sieht sich um, zu Mackie, zu mir und in den restlichen Raum.

      Kein Problem, sagt er, beugt sich nach vorn, die Hände ausgestreckt, und lässt mit den Fingern die Verschlüsse des Koffers aufschnappen. Ich mache nur meinen Job. So wie jetzt–

      Und ich weiß nicht mehr, wer seine Waffe zuerst zieht, ob nun Mackie oder ich, aber wir beide springen von unseren Stühlen und zielen mit unseren Pistolen auf den Typen hinunter.

      Was fällt euch ein, schreit CK. Seine Hände sind auf meinem Unterarm, und entweder schieße ich jetzt oder gar nicht. Nimm sie runter, Mackie. Tu das bloß nicht. Denk nicht mal dran.

      CK schiebt mich beiseite.

      Du hast was loszuwerden, nicht wahr, Mikey? Hast was zu sagen, hab ich recht? Sag mir, dass ich recht habe. Ich hab gern recht. Ich werde wütend, wenn ich nicht recht habe.

      CK beugt sich nach unten, und er ist beinahe nah genug, um Mikey zu küssen, aber seine Vorderzähne beißen in seine Unterlippe, die beinahe weiß ist.

      Sag es, Mikey. Was immer du den Feds gesteckt hast, sag es mir.

      Aber Mikey versucht aufzustehen, verliert das Gleichgewicht, stolpert über den Stuhl und fällt hin.

      CK schüttelt langsam den Kopf. Er nimmt die Schrotflinte vom Tisch und pumpt, stößt eine Patrone nach der anderen heraus, und sie verteilen sich auf dem Fußboden mit einem Geräusch wie gedämpfte Glöckchen. Mikey stolpert von dem Tisch und dem umgekippten Stuhl weg, und CK läuft auf ihn zu und lässt sich Zeit, und die Schrotflinte scheint im Sonnenlicht zu leuchten, und sein Schatten fällt auf die Ziegelwände, und ich frage mich, ob ich das sehen will. CK bohrt den Lauf der Schrotflinte in Mikey, in seine Brust, in seinen Bauch, und fordert ihn auf: Sag es. Sag es. Bis er Mikey mit dem Lauf ins Gesicht schlägt und Mikey zu weinen anfängt und CK wiederholt: Sag es. Schließlich rammt CK ihm den Lauf ins Gesicht, und ein Schwall aus Blut klatscht gegen die Wand, nasse Farbe, und dann liegt Mikey auf dem Boden, und CK steht über ihm und ruft: Sag es.

      Ich sehe, dass Mikey anfängt zu reden, und CK schüttelt seinen Kopf, so als würde er Nein sagen, und dann beugt er sich zu ihm hinunter, lässt die Schrotflinte auf den Boden fallen und nimmt etwas aus seiner Hosentasche, und Mikey sieht einfach zu, wie CK ihn einmal damit bearbeitet, und dann noch einmal, und als CK den Schraubenzieher quer über sein Gesicht zieht, zwinkert Mikey nicht, bewegt sich nicht, und jetzt scheppern die Möbel, und Mackie kommt um den Tisch herum, und als er bei ihnen ankommt, zeigt CK ihm den Schraubenzieher, und Mikey blutet aus seinen Armen und seinen Händen und ein wenig aus seinem Hals, und CK sagt nichts weiter. Nichts weiter außer: Sag es.

      Er rammt den Schraubenzieher in Mikeys Bauch, und das Geräusch ist leise und feucht, und da ist dieses kurze Keuchen und gar nicht so viel Blut, also lässt CK den Schraubenzieher wieder in Mikeys Bauch gleiten, dann in seine Schulter, und dieses Mal geht ein Zittern durch Mikey, und er bäumt sich auf und scheint zu stöhnen, und das Blut sprudelt, und er sagt: Oh.

      Mikey rollt sich auf den Bauch, und ich glaube, er fängt an zu sterben, nur ein wenig, und er sieht sich in dem Raum um, aber da ist nichts weiter, nur ein umgefallener Mülleimer und zerknülltes Papier und ausgebrannte Zigarettenkippen, das verstreut herumliegende Wrack des Radios … und Blut. Mikeys Blut.

      Für eine Weile treten sie nach ihm, und er fängt an davonzukriechen, zieht eine schmierige Blutspur hinter sich her, und ich sehe zu CK, und ich sehe zu Mackie, und ich sehe zu Mikey, und Mikey versucht, etwas durch seine ruinierten Zähne hindurch zu sagen.

      Toupet, sagt er. Nein, das ist es nicht. Er sagt etwas anderes. Er sagt: Es tut weh.

      Irgendwann dazwischen ist sein Koffer auf den Boden gepoltert, sein Koffer ist aufgesprungen, und ich beschließe, einen Blick hineinzuwerfen, und es ist nichts drin, keine Waffe, kein Geld, überhaupt nichts außer einem Foto von Mikey mit seiner Frau und seinen Kindern.

      Das ist der Moment, wo ich beschließe, Nein zu sagen, CK zu sagen, dass er aufhören soll, aber ich kriege kein Wort heraus, das Wort will nicht über meine Lippen, und da ich nicht Nein sagen kann, sehe ich für eine Weile aus dem Fenster, beobachte das Sonnenlicht auf dem Gras, und als ich mich wieder umdrehe, stemmt CK seinen Fuß auf Mikeys Hinterkopf, drückt ihn einmal und noch einmal hinunter, und Mikeys blutige Lippen öffnen sich zu einem Kuss, einem Kuss mit offenem Mund mit dem Betonfußboden, und dann tritt CK zu, und das Geräusch ist mit nichts zu vergleichen, das ich bisher gehört habe.

      Das Geräusch kommt aus dem Radio. Ich höre dem Radio zu, und es hallt durch den Raum und spielt Lied für Lied für Lied, und alle Lieder sind gleich, und Mikey singt mit.

      CK wischt den Schraubenzieher ab und sieht zu Mikey hinunter. Mackie raucht eine Zigarette und sieht zu Mikey hinunter. Ich, ich sehe zu Mikey hinunter, und als CK den Schraubenzieher in Mikeys Ohr rammt, ist da dieser Schrei, ein Schrei, der nicht abreißen und nicht aufhören will, wie ein Lied, er ist ein Lied, die Worte sind laut, und sie sind deutlich:

      Hurdy gurdy, hurdy gurdy, hurdy gurdy gurdy he sang.

      MR. EX

      In den traurigen alten Tagen, und ich spreche von den Sechzigern und den Siebzigern, gab es kaum echte Größen im Waffengeschäft. Nur die guten und die bösen Jungs. Also die Amerikaner und die Russen. Mit großem Abstand – und kaum zu glauben, aber wahr – kam Mexiko, das sich alle Mühe gab, Uncle Sam in den Arsch zu kriechen, während es diese Möchtegern-Diktatoren und Revolutionäre am Leben hielt. Dann gab es die europäischen Möchtegerne, die Deutschen und Österreicher und die Italiener und die verdammten Franzosen, die Munition an eine Invasionsarmee gleich östlich hinter der Seine verkauft hätten, wenn es bares Geld bedeutet hätte.

      Nun, wie wir alle wissen, bieten die Vereinigten Staaten von Amerika keine Rüstungsgüter feil, nicht unsere Regierung, auf keinen Fall, genauso wie wir alle wissen, dass es keinen Krebs gibt. In den Jahren von Reagan exportierten wir etwa 100 Milliarden Dollar in Waffen pro Jahr. Ins Ausland. An unsere Freunde. Wie den Iran oder den Irak. Für eine Weile war Interarms, das kuschelig inmitten einer Reihe von Lagerhäusern am Ufer des Potomac in der Old Town von Alexandria liegt, der Waffenhändler für die sogenannte Freie Welt. Dort hatten sie stets etwas um die 700.000 Schulterwaffen und Pistolen auf Lager, und die jährlichen Verkaufszahlen beliefen sich auf zehn-, nicht selten aber auch hunderte Millionen Dollar. Interarms verkaufte die Waffen, die Interarms einem verkaufen wollte, was bedeutete, dass Interarms einem genau die Waffen verkaufte, von denen die CIA und das State Department wollten, dass man sie einem verkaufte. Aber als dann auf einmal die Israelis und die Brasilianer und, ach, wahrscheinlich sogar die Polynesier mitspielten, war das plötzlich eine ganz andere Sache. Die Waffen waren da, das Geld war da, und alles, was man brauchte, waren die Leute dazwischen, diejenigen, die die Waffen beschaffen und das Geld gegen die Waffen


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