RUN - Sein letzter Deal. Douglas E. Winter
ein Leben nach den Gesetzen leben zu müssen, dem Gesetz, dem Gesetz; hier Gesetz, da Gesetz, überall Gesetz-Gesetz.
Lassen Sie mich versuchen, die Sache zu erklären:
Diese Gründungsväter-Typen, Washington, Jefferson, Franklin, wer auch immer, diese Typen auf den Dollarscheinen, die setzen die Briten vor die Tür und gründen eine neue Regierung. Ihre eigene Regierung. Was ist also das Erste, was sie machen? Sie stellen Regeln auf. Die Verfassung, fürs Erste. Und die geht schon gut los: Alle Menschen sind gleich, nicht wahr? Damals Bockmist, heute Bockmist. Diese Typen hielten sich Sklaven, ihre Frauen durften nicht wählen, wem wollten die da eigentlich was vormachen? Nun, niemandem. Aber da sie die Typen waren, die die Regeln aufstellten, schrieben sie sie eben so, wie sie sie haben wollten.
Und dann sagt jemand: Hey, wir haben Mist gebaut. Haben diese Verfassung geschrieben, aber wir haben ein paar Sachen vergessen. Wir müssen diese Zusatzartikel schreiben, um irgendwie noch die Dinge aufzuführen, die wir vergessen haben. Also gibt es jetzt noch eine weitere Ansammlung von Regeln, diese Sache, die sie die Bill of Rights nennen, und darin findet sich in Großbuchstaben der Zweite Zusatzartikel. Nicht der erste, nicht der letzte, und noch nicht mal in der Mitte, sondern der Zweite, Nummer Zwei, was bedeutet, dass er beinahe ganz oben auf der Liste ist. Was bedeutet, dass er wichtig ist.
Dieser Zweite Zusatzartikel besagt, dass Sie das Recht haben, Waffen zu tragen. Für mich so klar wie Kloßbrühe. Aber der Erste Zusatzartikel – der ganz, ganz oben auf dieser Liste – besagt zum Beispiel, dass Sie das Recht auf freie Meinungsäußerung haben. Sagen Sie das mal dem Lehrer, der in der Schule die Bibel vorlesen will. Sagen Sie das der Videothek, die Ihnen ein paar nicht jugendfreie Filme verleihen will. Sagen Sie das meiner Tante Eustacia. Sie wollte während des Golfkrieges dieses Schild mit der Aufschrift BETEN FÜR DEN FRIEDEN in ihrem Vorgarten aufstellen, und die Stadt hat sie gezwungen, es wieder abzubauen.
Mit anderen Worten, diese Gründungsväter-Typen, die schrieben die Bill of Rights, aber sie meinten nicht wirklich, was sie da sagten. Sie sagten diese Dinge einfach, weil sie sich damals nach einer guten Idee anhörten, aber kaum dass diese Typen gestorben waren und die nächsten Typen an die Macht kamen – die, die diese Regeln nicht geschrieben hatten, sich aber natürlich wünschten, sie wären es gewesen – nun, die waren sofort eifrig damit beschäftigt, diese Regeln umzuschreiben.
Also erklären sie uns, dass die Gründungsväter-Typen gar nicht wirklich meinten, dass wir das Recht hätten, Waffen zu tragen, und damit ganz sicher nicht meinten, dass wir das Recht hätten, Waffen zu kaufen. Was wir haben, ist das Recht, dass uns ein gottverdammter Politiker sagt, ob wir Waffen tragen dürfen oder nicht, und wann und wo, und welche wir tragen dürfen, wenn wir das richtige Formular ausfüllen können und lange genug warten. Jemand sollte sich mal hinsetzen und diesen Artikel umschreiben, damit das klar wird.
Wenn Sie aber in der Zwischenzeit eine Waffe tragen wollen, dann scheiß auf das Gesetz: Sie brauchen nur Bargeld. Gar nicht viel. Wenn Sie ein paar grüne Scheine übrig haben, dann findet sich immer jemand wie ich, jemand der jemanden kennt, und die können Ihnen besorgen, was immer Sie haben wollen. Sie wollen eine Knarre – und nicht nur irgendeine, sagen wir eine saubere Kanone mit sauberer Munition – dann kann ich Ihnen binnen einer Stunde eine besorgen. Oder nehmen wir Charlie Hardin draußen in Roanoke. Wenn Sie eine etwas exotischere Waffe suchen, kann der Typ sie Ihnen beschaffen, dauert maximal sieben Tage. Je abgefahrener, desto besser. Einmal zog Charlie für mich ein Maschinengewehr an Land, eine belgische .223 FN Minimi, und das war nicht schwerer, als würde man zu Sears an den Kundenschalter gehen. Ich besuchte ihn an einem Freitag, bezahlte die Hälfte in bar und holte das Baby am Montag darauf ab. Dann verkaufte ich sie noch in der gleichen Nacht für das Doppelte.
Wie ich bereits sagte, das ist der amerikanische Traum.
ALLES WIE IMMER
Ch-ch-ch-changes.
Am Mittwoch stehe ich in dem 7-Eleven und versuche mich zwischen Snapple Mint Tea und einem Bud Light zu entscheiden, als mein Pager piept. Es ist halb elf Uhr morgens, und eigentlich brauche ich keinen Drink, noch nicht zumindest. Also fällt meine Wahl auf das Snapple, und während ich in der Schlange an der Kasse stehe, checke ich die Nummer.
Bingo.
Manchmal – nicht oft, aber immer mal wieder, bevor die Erinnerung an das letzte Mal komplett verflogen ist – verschafft einem der Pager einen perfekten Moment, einen von der Art, dass du vielleicht, nur mal angenommen, für Dominos Pizza arbeitest und drauf und dran bist, der bestbezahlte Lieferjunge der Straße zu werden.
Ich tausche zwei Dollar gegen ein Snapple, spende den Rest an Jerrys Kids, spaziere zu dem Münztelefon nach draußen und sehe zu der chemischen Reinigung hinüber, die direkt neben dem 7-Eleven steht, während ich anrufe, und zwar nicht die Nummer, die auf dem Pager angezeigt wird, sondern die Nummer von dieser Woche, wahrscheinlich ein anderes Münztelefon, wahrscheinlich auf irgendeinem anderen Parkplatz vor irgendeinem anderen 7-Eleven gleich hinter einer anderen Reinigung, und beim zweiten Klingeln nimmt jemand ab und sagt:
Hey.
Ja, antworte ich.
Brauche dich, Baby.
Irgendwo zwischen dem brauche und dich weiß ich, dass es CK ist; dieser schwache, nasale Tonfall dringt durch alles hindurch, egal, was er zu sagen hat. Und das Nächste, was er zu sagen hat, lautet:
Mittagessen.
Okay, sage ich.
Halb eins.
Geht klar, sage ich.
Gleicher Ort wie immer.
Scheiße, sag ich.
Klick.
Klick.
Damit ist der Rest des Nachmittags und vielleicht auch des Abends, womöglich sogar der Rest der Woche gelaufen, aber was soll's: Wenn man es in dem Geschäft zu etwas bringen will, muss man Veränderungen mögen. Nur tote Dinge verändern sich nicht mehr.
Die Regeln in diesem Spiel sind einfach: Es sind unsere Regeln. Wir stellen sie je nach Bedarf auf, und wenn wir das nicht tun, stellt sie jemand anderes für uns auf. In etwa so wie bei der Sache mit der Verfassung. Und da ich es mag, nach meinen eigenen Regeln zu spielen, mag ich es auch, mir selber welche auszudenken … und, hin und wieder, sie zu brechen.
Ich fahre die Quaker Lane zur Interstate hinunter und dann nach Süden. Ich muss wenigstens eine Stunde totschlagen, und dann kann ich sie auch gleich mit Stil totschlagen. Heute fahre ich den metallic-blauen Corsica, das am leichtesten zu vergessende Auto auf der Straße, und nachdem ich an der Ladenmeile hinter dem Little River Turnpike eine Parklücke gefunden habe, mache ich es mir hinter dem Lenkrad bequem und lese mein Buch. Hin und wieder werfe ich einen Blick zu dem Greek Gourmet hinüber, von dem Lucas, dieser Loser, der das Restaurant unter die Lupe nehmen soll, bei Gott schwört, dass es dort absolut mit rechten Dingen zugehen soll. Das Problem ist nur, dass Lucas etwas zu viel Gottvertrauen zu haben scheint. Ich selbst glaube eher nur an das, was ich sehen kann.
Ich beobachte das grundehrliche schwarze Pärchen, das vor der Apotheke um Frieden und Liebe für Reverend Gideon Parks wirbt, auch wenn niemand Notiz von ihnen nimmt. Ich beobachte das wasserstoffblonde, jungenhafte Mädchen, mit einem Kleid, das an ihr wie ein T-Shirt klebt, und einem falschen Lächeln im Gesicht, das sich über die Schlange an Einkaufswagen vor dem Food Giant lehnt. Aber hauptsächlich beobachte ich den Griechen: Vier Sitznischen, acht Tische, wahrscheinlich würden die hier vierzig Leute reinkriegen, wenn der Laden voll wäre, aber der Laden war noch nie voll, nicht mal halb voll, und das seit Jahren.
Ich warte eine halbe Stunde vor dem Laden, dann fahre ich zur Rückseite, finde einen anderen Platz im Schatten und bleibe eine Weile sitzen und sehe zu, wie die Lieferwagen be- und entladen werden. Ich hab ein Nikon-Fernglas, mit dem man die Haare am Arsch eines Frettchens zählen könnte, aber dieser Abstecher bedarf keiner besonders guten Augen. Die verschieben hier Waffen.
Die Zeit rennt, ob man nun Spaß dabei hat oder nicht, und so kommt es, dass der