VIETNAM BLACK. Brad Harmer-Barnes
zu haben, lastete das Gewicht ihrer Rucksäcke und Waffen doppelt so schwer auf ihnen. Das Aufregendste, das ihnen auf dieser Patrouille begegnet war, war ein Laster voller Hühner gewesen, der an ihnen vorbeifuhr.
Er lächelte bei sich. Der Lastwagen war wirklich bis in den letzten Winkel mit den Viechern vollgestopft gewesen. Es hätte ihn nicht überrascht, zu sehen, dass ein Huhn am Steuer der verdammten Karre saß.
Warum lächelte er? Das Ganze war überhaupt nicht witzig.
Kacke, offenbar war er sogar noch erschöpfter, als er geglaubt hatte.
Sergeant Reese hielt am Tor, um rasch zu melden, dass sie es ohne Zwischenfälle zurückgeschafft hatten, ehe er sich umdrehte, um sich dem Trupp zuzuwenden. Gerade, als er zu sprechen begann, wurde er vom Dröhnen eines gepanzerten M113-Mannschaftstransporters übertönt. Hanson versuchte sich auf das zu konzentrieren, was der Sergeant sagte, und nach ein paar weiteren Worten gelang es ihm, den Faden aufzugreifen.
»… duscht euch und pennt 'ne Runde. Ich rede unterdessen mit dem Lieutenant, um ihn zu verklickern, dass diesmal tote Hose war, und um zu sehen, ob ich uns 'n bisschen Aufschub verschaffen kann, bevor wir wieder raus auf die Piste müssen.«
Der Sergeant hielt inne, um sich die Stirn abzuwischen und eine Marlboro aus seiner Hemdtasche zu ziehen. »Mit etwas Glück ist dieser Krieg vorbei, ehe wir das nächste Mal ausrücken.«
»Ihr Wort in Gottes Gehörgang«, murmelte Private Turner, ein riesiger Afroamerikaner aus Georgia. Hanson mochte Turner. Verflucht noch eins, er mochte alle, die dem Trupp angehörten, sogar Private Bradley.
»Haut euch hin und ruht euch aus.« Mit einem beifälligen Winken entließ Sergeant Reese sie und machte sich auf den Weg zum Büro des Captains.
»Soll ich Sie begleiten, Sarge?«, fragte Hanson. Er hoffte, zum Sergeant befördert zu werden, sobald Reese' aktuelle Dienstzeit hier durch war, und bis dahin waren es bloß noch fünf kurze Wochen. Vorher wollte er sich so gut auf den neuen Posten vorbereiten, wie möglich.
»Wenn Ihnen daran mehr gelegen ist, als an 'nem Happen zu Essen und 'ner Mütze Schlaf, dann tun Sie sich keinen Zwang an. Teufel, wenn ich könnte, würde ich Sie an meiner Stelle hinschicken, um mir ein wenig Ruhe und Erholung zu gönnen.«
»Hier ist nicht allzu viel mit Ruhe und Erholung, Sarge.«
»Aber doch immerhin mehr als draußen auf Patrouille, oder?«
»Ja, Sir.«
»Dann halten Sie verdammt noch mal die Klappe.«
Als sie das Zelt betraten, saß Lieutenant Nelson Talley schreibend am Tisch. Die Basis war noch relativ neu und die Offiziere schliefen entweder in ihren Büros oder arbeiteten in ihren Schlafzimmern, je nachdem, aus welcher Perspektive man das Ganze betrachtete. Ein elektrischer Ventilator mühte sich kraftlos, die muffige, warme Luft in dem Raum umzuwälzen, ohne dass es auch nur ein bisschen kühler wurde. Vor der vietnamesischen Hitze gab es kein Entkommen. Sie war überall. Man schwitzte immer. Man stank immer. Man hatte immer Durst.
Talley blickte nicht einmal auf, als Reese und Hanson eintraten und salutierten. Er ging einfach weiter seinen Papierkram durch. »Berichten Sie.«
»Der Echo-Trupp ist von der Patrouille zurück, Sir. Sergeant Reese und Corporal Hanson melden sich zum Rapport, Sir.«
»Ich sagte, berichten Sie.«
»Es gibt nichts zu berichten, Sir. Kein Feindkontakt. Nichts Ungewöhnliches.«
»Sie sind in einem Kampfgebiet und haben nichts Ungewöhnliches gesehen?«, fragte Talley.
»Hier is' keiner außer uns Schissern, Sir«, sagte Hanson. Er spürte, wie der Sergeant neben ihm ein Lächeln zu unterdrücken versuchte.
Schließlich beendete Talley seinen Papierkram, lehnte sich in seinem Stuhl zurück und spielte mit seinem Kugelschreiber. Für einen befehlshabenden Offizier war er noch recht jung – kaum in den Dreißigern −, doch andererseits ließen noch jüngere Männer als er im Dschungel ihr Leben. »Ich hab einen Frischling für Sie. Er wartet draußen.«
Hanson entsann sich, eine Nullnummer vor Talleys Zelt stehen gesehen zu haben, ohne dem Burschen jedoch weitere Beachtung geschenkt zu haben. Es war noch nicht allzu lange her, seit sie Private Jacobs verloren hatten. Er war auch ein Neuer gewesen, doch zumindest hatte er lange genug durchgehalten, dass die anderen sich die Mühe gemacht hatten, sich seinen Namen zu merken.
Reese verzog keine Miene. »Ja, Sir. Danke, Sir.«
Talley nickte beiläufig, ehe er sich auf den Ellbogen vorbeugte. »Sie haben neue Befehle.«
»Sir? Noch eine Patrouille?«
»Nicht wirklich. Eher so was wie 'ne Such- und Rettungsmission.«
Reese und Hanson wechselten einen Blick.
Talley fuhr fort: »Schon seit einer ganzen Weile bekommen wir von einem Kontaktmann im Dorf Hai Trang Informationen über Charlies Bewegungen. Der dortige Doktor, ein Typ namens Bo Xuan, hält uns mittels eines Funkgeräts in seiner Hütte auf dem Laufenden. Natürlich sind die Infos, die er uns liefern kann, begrenzt, aber wir nehmen, was immer wir kriegen.«
Hanson wusste, dass es dem Lieutenant ernst damit war. Die Nordvietnamesische Armee war eine Sache – ihre Leute sahen wie richtige Soldaten aus und verfügten über die entsprechende Ausrüstung. Der Vietcong hingegen – allgemein als »Victor Charlie« oder, häufiger, einfach als »Charlie« bezeichnet – war ein völlig anderes Kaliber. Das war eine Rebellenstreitmacht ohne Uniform. Jeder konnte ein Vietcong-Spitzel sein: Die Nutte, die man in Saigon aufgabelte, oder selbst die kleine alte Lady, der man auf Patrouille begegnete. Ob dem so war, erfuhr man erst, wenn es bereits zu spät war. Sie waren imstande, sich direkt vor aller Augen zu verbergen, und genau das machte sie so furchteinflößend. Einige der Männer fanden, Charlie sei schlimmer, andere plädierten für Nathaniel Victor (die NVA). Hanson hielt sich aus solchen Diskussionen raus. Soweit es ihn betraf, waren sie alle gleich übel.
»Sie wollen, dass wir nach diesem Xuan suchen, Sir?«, fragte Reese.
Talley nickte und warf ein Foto auf den Tisch. Reese nahm es auf und Hanson studierte es über seine Schulter hinweg. Das Bild zeigte einen unscheinbaren Vietnamesen Ende vierzig.
»Genau darum geht's«, fuhr Talley fort. »Mittlerweile haben wir seit zwei Wochen nichts mehr von ihm gehört – das ist doppelt so lange wie die längste Funkstille davor. Möglich, dass sein Funkgerät kaputt ist oder er einfach nichts zu berichten hat, doch, na ja, einfach ausgedrückt, müssen wir mit dem Schlimmsten rechnen.«
»Wir werden der Sache nachgehen, Sir«, sagte Hanson. »Wann rücken wir aus?«
Talley reichte Hanson eine zusammengefaltete Karte. »Hier drauf ist die Position von Hai Trang verzeichnet. Wann können Sie baldmöglichst wieder aufbrechen?«
Reese verzog seine Mundwinkel zu einer Grimasse. »Wir sind gerade erst zurückgekommen, Sir, nach drei Tagen auf der Piste.«
»Dann ruhen Sie sich etwas aus und machen Sie sich morgen früh auf den Weg. Wegtreten.«
»Ja, Sir.«
Hanson folgte Reese nach draußen. Talley hatte sich bereits wieder seinem Papierkram zugewandt, bevor die Tür hinter ihnen auch nur zugefallen war.
»So viel zu Ruhe und Erholung, Sarge«, murmelte Hanson.
»Was Sie nicht sagen. Die Jungs werden ziemlich angepisst sein.«
»Worauf Sie einen lassen können.«
Sie traten vor das Zelt und musterten den Private, der dort auf sie wartete. Hanson hatte alle Mühe, sich ein Lachen zu verkneifen. Der Junge – ihn als Mann zu bezeichnen, wäre reichlich übertrieben gewesen – war etwas über eins-achtzig groß, schien jedoch keinen einzigen Muskel am Leib zu haben. Natürlich war ihm die Redewendung »nur Haut und Knochen sein« geläufig, doch er konnte sich nicht erinnern, jemals jemandem begegnet zu sein, auf den das so sehr zutraf, wie auf