Wenn uns die Fälle davonschwimmen. Eva Male
Un-Wörter, die auf die Watchlist gehören
Mozart’s Kugel: Ein Allegro in Süß |
Das hohe Ross und der Amtsschimmel |
Vielen „geschwollenen“ Texten täte es nicht schlecht, ein wenig abzuspecken
Weil in der Zeitung haben sie geschrieben … |
Über die richtige Bildung von Sätzen
„Tiefste Anteilnahme statt Blumen“ |
Sogenannte Trauerarbeit kann auch sprachliche Schwierigkeiten bereiten
Mischen Impossible |
Der verzweifelte Kampf gegen das Englische und andere Einflüsse von außen
Mischen Possible I – Engleutsch/Denglisch |
Mission Possible II |
Mit dem Latein am Ende |
Wie man eine Sprache endgültig umbringt
Vorwort
„Der auch dem Latein-Unkundigen als demonstratives Pseudonym erkennbare Name Male verrät, dass dem Vorgebrachten nicht zu trauen ist, und der ebenso demonstrative Vorname Eva kündet Verführung zur Sprachsünde an.“
Diese Worte eines Lesers sind mir im Gedächtnis geblieben.
Die Leser dieses Buches mögen selber entscheiden, inwieweit sie der Sprachkritik „trauen“ und sich zu Sprachsünden verführen lassen wollen. Den folgenden 200 Seiten liegen jedenfalls fast zehn Jahre intensiver Beobachtung des sprachlichen Alltags zugrunde.
Die Liebe zur Sprache ist mir sozusagen in die Wiege gelegt worden. In der Familie wurde auf korrekten Sprachgebrauch großer Wert gelegt, Sprachwitz und Wortspielereien standen hoch im Kurs. Dass die Kinder häufig ausgebessert wurden, ging ihnen natürlich auch kräftig auf die Nerven. Eher gefiel ihnen, wenn sie für Fehler, die sie etwa in der Zeitung entdeckten, Prämien erhielten.
Eine wichtige Rolle spielte dabei der im Folgenden oft zitierte Onkel Otto, der die Spracherziehung der Sprösslinge mit Zuckerbrot und Peitsche forcierte und den die Autorin posthum ehren möchte. Wobei der Verwandtschaftsgrad leicht verändert wurde. Onkel Otto hätte sich gefreut, die Sprachkolumnen in Buchform erscheinen zu sehen. Herzlich danke möchte ich Monika Streissler und Claudia Schreiner für die sorgfältige Durchsicht des Manuskripts.
Seit 1998 habe ich die Ehre, im „Spectrum“, der Wochenendbeilage der „Presse“, auf den Spuren von Karl Hirschbold („Pirschgänge im Sprachrevier“) und Edwin Hartl („Sprachspaltereien“) zu wandeln. Aus den gesammelten Sprachkolumnen, die im Zwei-Wochen-Rhythmus erscheinen, ist das vorliegende Buch entstanden. Die ursprünglichen Texte wurden adaptiert und thematisch geordnet in Kapiteln zusammengefasst.
Von Anfang an war es mir ein Anliegen, Fehler und sprachliche Ungereimtheiten weniger mit erhobenem Zeigefinger als vielmehr mit spitzer Feder und Augenzwinkern aufzugreifen. Sprachkritik – ja, aber, wie ich hoffe, auf unterhaltsame Weise.
Wien, 13. September 2007 | Eva Male |
Der tägliche Pleonasmus
Ein sprachlicher Höhepunkt jagt den anderen. Was der „Doppler-Effekt“ aus der Sprache macht
Wir leben in einer Welt, in der Superlative nicht mehr ausreichen. Optimale Bedingungen werden heute gern in optimalste gesteigert. Optimal sollte freilich genau genommen schon das höchste der Gefühle sein, weil die zweite Steigerungsstufe grammatikalisch nicht mehr übertroffen werden kann; schließlich würde man auch die deutschsprachige Version des lateinischen Wortes – die „günstigsten, besten“ Bedingungen – nicht noch höher in den Himmel heben.
Man muss optimal aber auch nicht „herunterstufen“, indem man etwas, was weniger als optimal ist, suboptimal nennt, also ein bisschen weniger gut als am besten. Warum nicht einfach nicht optimal? Weil es nicht ganz so gebildet klingt? Im Gegenteil! Suboptimal macht einen nicht ganz so gebildeten, also halb- respektive subgebildeten Eindruck.
Quasi suboptimal ist auch der an Fehlern reiche Elternbrief, den die neue Direktorin eines Wiener Gymnasiums den Kindern nach Hause mitgab. „Es ist uns ein großes Anliegen, Ihr Kind in seiner Persönlichkeitsentwicklung bestmöglichst zu fördern.“
Auch die Tourismus-Werbung schlägt gelegentlich munter über die Stränge, etwa indem sie bestausgestattetste Kurhäuser anpreist. Der Superlativ steckt bereits in best- (und der Teufel im Detail) – doppelt hält in diesem Fall nicht besser. Auch kann ein Land nicht das dichtbevölkertste Europas sein. Dichtestbevölkert!
Mit Nachdruck behauptet mancher, er habe etwas in keinster Weise beabsichtigt. Der Gebrauch von „in keiner Weise“ würde das Gewissen des Reumütigen freilich auch in sprachlicher Hinsicht beruhigen. Kein ist kein Adjektiv und kann daher keinesfalls gesteigert werden. Die Leute mögen sich bitte nicht so hineinsteigern.
„Heute um 16 Uhr gibt es die aller-allerletzte Vorstellung im Wiener Rennaissancetheater.“ Sollen wir nun hineinrennen? Angesichts des „Rennaissancetheaters“ will man am liebsten davonrennen. Re-naissance, Wiedergeburt.
Es mutet wie eine Art „Doppler-Effekt“ an: In einem Geschäft fragte man mich, ob die gesuchte Hose schwarz oder schwarz-schwarz sein sollte. Wie bitte, noch schwärzer als schwarz? Na ja, verwaschen oder richtig schwarz, erläuterte die Verkäuferin.
Nicht einmal auf Farben ist mehr Verlass. Kann die sprichwörtliche weiße Weste etwa noch weißer werden? Auch kurze Shorts fallen in diese Kategorie, sind doch Shorts per definitionem kurz.
Die Verdoppelung lässt das Gesagte häufig nicht nachdrücklicher wirken – im Gegenteil: Durch die Übertreibung wird die Aussage geschwächt.