Wenn uns die Fälle davonschwimmen. Eva Male
und wohl platziert. Ein weißer Schimmel da, ein alter Greis dort. Jene Pleonasmen jedoch, wie sie sich heute so großer Beliebtheit erfreuen, sind meistens keine Stilmittel, sondern einfach Irrtümer.
Wenn beispielsweise jemand von einem Journalisten als früherer Veteran des Vietnamkrieges bezeichnet wird. Ist der Mann jetzt etwa kein Veteran mehr? Sie wissen schon, worauf wir hinauswollen: Veteran allein genügt.
Um einen Pleonasmus handelt es sich übrigens auch bei der sprichwörtlich gebrauchten alten Vettel. Onkel Otto pflegte seine Gemahlin unter anderem mit diesem liebevollen Kosenamen zu benennen, zu ihrer mäßigen Freude.
Was da phonetisch nach einer fetten Person klingt – und eine solche war die Gemahlin keineswegs! –, entpuppt sich in Wirklichkeit schlicht als alte Frau, lateinisch vetula. Die vetula ist dem Veteranen etymologisch verwandt, die alte Vettel sinngemäß dem früheren Veteranen.
Ständig sind wir auf Reisen, immer unterwegs. Internationale Globetrotter nennt uns die Nachbarin ehrfürchtig. Schmeichelhaft – aber zu viel des Guten: Die Erdkugel, der Globus, ist per se international, ebenso der Globetrotter, auch ohne selbiges Attribut.
Doppelt gemoppelt ist auch das Totenrequiem – denn wer feiert schon ein Requiem für Lebende? Requies, die Ruhe. Ewige Ruhe.
Der allgemeine Hang zu Pleonasmen ist ebenso feststellbar, wenn etwa eine Zeitung von einem alljährlichen annual meeting oder von einem studierten Wissenschaftler schreibt.
Dazugehören müssen auch – per definitionem – Accessoires, wenn sie ihrem Namen gerecht werden wollen. Dazugehörige Accessoires? Ein Overkill! Genauso der Inzest innerhalb der Familie, den das Fernsehprogramm ankündigt, ein mündliches Gespräch, ein endgültiges Ultimatum.
In Zeitungen liest man von Megastaus mal zwei. Als ob Megastaus mal eins nicht ausreichen würden, um die Lage treffend zu beschreiben. Der sprachliche Größenwahn, die Megalomanie, gibt sich damit allerdings nicht zufrieden.
Oder soll es ein modernes Stilmittel sein? Ist es etwa höflicher, Fotojournalisten eine Gelegenheit für eine Foto- und Filmmöglichkeit zu geben als bloß letztere?
Auf der Zunge zergehen lassen kann man sich auch die als solche angepriesene Schachtel Bonbonniere. Da eine Bonbonniere eine Schachtel für/mit Bonbons ist, muss eine Schachtel Bonbonniere eine Schachtel sein, gefüllt mit Schachteln voll Bonbons, eine Bonbonniere-Babuschka sozusagen. Was will man mehr?
Auch der Wunsch Gute Besserung ist genau genommen ein Humbug. Gut ist in gesteigerter Form ja bereits in Besserung enthalten und passt nicht als Attribut. Sinnvoller erscheint Baldige Besserung. Onkel Otto jedenfalls, der in den letzten Jahren vor seinem Tod sehr krank war, wurde von dem Genesungswunsch Gute Besserung nur noch kränker.
Zu Lebzeiten aber wollen wir uns die – an sich überflüssigen – Pleonasmen nicht immer versagen. Der tägliche Pleonasmus vermag es schließlich, den faden Alltagstrott ein bisschen aufzulockern. So fragte eine Freundin jüngst in pikant-provokativem Ton, ob nicht Oralsex am Telefon ein Pleonasmus sei. Und ein Freund sinnierte über die Formulierung bar freigemacht. Ist es eine zu freie Interpretation, bar der Vernunft, auch hier an einen Pleonasmus zu denken?
„Wir schicken Ihnen monatlich frische Versandideen – portofrei.“ Was da im Eduscho-Prospekt angepriesen wird! Das möchte ich sehen, wie Eduscho Versandideen versendet – und vor allem, wie die Empfänger reagieren würden. Es handelt sich wohl eher um den Versand von Artikeln, denen jeden Monat neue Ideen zugrunde liegen.
Da ist mit einer Schweigeminute noch nicht das letzte Wort gesprochen
Die Welt der Gegensätze und Widersprüche
Stolz auf seinen Service ist das Hotel Marriott am Wiener Parkring, das die Wünsche seiner Gäste bestmöglich zu erfüllen versucht. „Sollte dies nicht der Fall sein“, heißt es in einer Information für die Kunden, „so sind Sie für die nicht erbrachte Leistung unser Gast.“
Nichts leichter als das. Jemanden auf eine nicht erbrachte Leistung einzuladen, macht ja in Wirklichkeit keine Mühe. Liebe Gäste: Was Sie nicht bekommen haben, wird Ihnen großzügig geschenkt.
Ein Angebot, das sich das Hotel schenken könnte. Oder anders formulieren müsste. Etwa: „Sollte die Bedienung nicht Ihren Erwartungen entsprechen, entschädigen wir Sie umgehend, indem wir Ihre Wünsche kostenlos erfüllen.“
Anderswo wirbt ein Bekleidungsgeschäft für den Ausverkauf: „Auf alle Waren minus zehn Prozent Preisnachlass.“ Da bedanken wir uns herzlich!
Eine No host cocktail party wurde kürzlich auf einer Tagung in den USA gegeben. Eine Party ohne Gastgeber? Wie ungewöhnlich! (Aber gut, schließlich kann ja auch Butter durch nichts ersetzt werden – warum nicht das Gleiche mit Gastgebern tun?) Wie sich herausstellte, hieß die Cocktailparty nur so, weil im Unterschied zu anderen Empfängen während der Tagung nicht eine bestimmte Firma einlud. Wenn man’s wörtlich nimmt, könnte man sich also von der nächsten eigenen Party einfach davonschleichen.
Auch Lebensqualität betrifft nicht nur Lebende, wie eine Aussendung der Wiener Stadtwerke annehmen lässt: „Die Wiener Stadtwerke bemühen sich stets, durch ihre Dienstleistungen – öffentlicher Verkehr, Energieversorgung und Bestattungswesen – die Lebensqualität in unserer Stadt zu steigern.“ Lebensqualität, bis in den Tod hinein. Eine interessante Formulierung.
Gleiches gilt – inhaltlich – für folgenden Satz, von der verwegenen Konstruktion einmal abgesehen: „Was ein echter Fan ist, da ist mit einer Schweige minute noch nicht das letzte Wort gesprochen.“ Dem ist eine gewisse Logik nicht abzusprechen. Wie will man das letzte Wort sprechen, wenn man schweigt?
„Fehlendes Spezialgerät macht die Bergung schwer“, schreibt eine Zeitung. Wie kann jedoch ein Gerät, das gar nicht vorhanden ist, etwas erschweren? Richtig müsste es heißen: Das Fehlen von Spezialgerät … Und wie soll man sich den allgegenwärtigen Platzmangel im Café Prückel vorstellen?
„Ich zieh’ mich gerade an, um Nacktgerste kaufen zu gehen“, sagt eine Freundin am Telefon. Wenn das nicht unfreiwillig komisch klingt! Gegensätze ziehen sich an, Freundinnen auch, Gerste bleibt nackt.
Ein bewegliches Fest – man weiß, was das ist. Ostern etwa, das nicht auf einen fixen Kalendertag fällt, sondern sich jeweils nach dem ersten Frühlingsvollmond richtet. Wenn man es sich genau überlegt, ist es freilich auch ein hübscher Gegensatz: beweglich – oder fest? Von herausragenden Wermutstropfen war andernorts die Rede. Inhaltlich ist es klar, das Bild indes schief. Geradezu ein Widerspruch, Contradictio in adiecto. Tropfen können tropfen, aber können sie herausragen? Es erinnert an die aktive Pause, welche die Turnlehrerin Inge immer ansagt. Entweder Pause oder aktiv, finden wir!
Hübsch auch die Straßenbahnstation Lange Gasse: Kurzstreckengrenze, oder die jüngst aufgeschnappte Aussage: „Ich bin eingefleischte Vegetarierin“ – ein Widerspruch, stilistisch charmant. Unorthodox indes das in einer Illustrierten entdeckte Rezept für vegetarisches Chili con carne – wie kann es vegetarisch und zugleich mit Fleisch sein? Es gibt Speisekarten, die bereits auf Chili sin carne ausweichen. Warum nicht?
Absurd mutet auch das vorläufige Endergebnis an, von dem im Fernsehen häufig die Rede ist: Solange es kein endgültiges Resultat gibt, ist es einfach ein vorläufiges Ergebnis oder ein Zwischenergebnis. Das vorläufige Endergebnis erinnert mich unweigerlich an unsere alte Kinderfrau, die seinerzeit einen Beschwerdebrief an den damaligen Bürgermeister Zilk schrieb. Sie unterzeichnete: „Mit vorläufiger Hochachtung, Ihre XY“. Zilk rief umgehend an, um sich die endgültige Hochachtung zu sichern.
Minus mal minus ergibt plus, wie man weiß. Mathematisch gesehen oder nach Boolescher Logik lässt sich wohl auch folgender Dialog im „Morgenjournal“ verstehen. Frage des ORF-Reporters an