Wenn uns die Fälle davonschwimmen. Eva Male

Wenn uns die Fälle davonschwimmen - Eva Male


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Wohl erkundigten. Die Schreibweise wohl auf bereitete mir indes Kopfzerbrechen. Wieso getrennt? Der Duden bestätigte meine Zweifel. Auch nach der neuen Rechtschreibung wird „wohlauf“ zusammengeschrieben – wohlgemerkt.

      Andererseits hatten die Freunde auch nicht ganz unrecht: Meist las ich ihre E-Mails ja in aller Herrgottsfrühe, wenn ich mich um fünf Uhr an den Computer setzte. Ich war also zu dieser Zeit wohl (oder übel) bereits auf.

      Außerdem ist es ohnehin unlogisch. Zwar schreibt man wohlauf noch zusammen, ebenso wohlfeil und wohlgemut. Andererseits heißt es wohl bedacht, wohl behütet und wohl gemeint. Da kennt sich wohl keiner mehr aus!

      Laut neuer Rechtschreibung wird heutzutage vieles, was einst zusammengehört hat, brutal getrennt. Vereinfachung? Kaum! Die Auseinanderschreibung (Auseinander schreibung) führt oft in die Irre. Ein Beispiel aus den „Salzburger Nachrichten“: „… man wolle es ‚den roten Marschierern, die vor lauter Schlacht am kalten Buffet den Hemdkragen nicht mehr zu kriegen‘, zeigen.“

      Der Leser stolpert über diesen Satz, nicht nur wegen der Wortstellung. Zu kriegen – das klingt nach einer Nennform, aber wie passt diese bloß ins Satzgefüge? Ach so – „zukriegen“, ein zusammengesetztes Verb!

      In diesem Fall ein auseinandergerissenes – wohl weil die beleibten Herrschaften den Kragen eben nicht zukriegen.

      So weit, so schlecht. Aber nein, auch zwischen so weit und soweit besteht doch eindeutig ein Unterschied, soweit uns bekannt ist. So weit kommt es noch, dass man jegliche Nuancierung einfach abschafft.

      Bei aller Liebe zur Zusammenschreibung von Wörtern muss man jedoch bedenken, dass sie in manchen Fällen das Lesen erschwert. So wurde etwa vor kurzem in einer Zeitung auf ein Straßenbaumoratorium hingewiesen. Wenn man das ungewohnte Wort schnell liest, kann man es als Straßenbaum-Oratorium missverstehen. Was für eine hübsche Vorstellung: eine lange Allee mit singenden Bäumen! Sägen haben wir ja schon singen hören, aber Bäume? Also doch lieber ein Straßenbau-Moratorium; gekoppelt, wie man in der Fachsprache sagt.

      Denn es passiert immer wieder bei überlangen Wörtern, dass man sie im Geist falsch teilt. Haben Sie die Osterweiterung etwa nie falsch als Oster-Weiterung gelesen – statt Ost-Erweiterung? Oder der Urinstinkt: Da ergibt es sogar inhaltlich Sinn, wenn man sich vorsagt, dass Urin stinkt.

      Ebenso im Fall des Badner Süßigkeitengeschäfts Zuckerlecke. Bis ins Erwachsenenalter las mein Bruder irrtümlich Zucker-Lecke statt Zuckerl-Ecke. Weniger überzeugend ist es indes, wenn man in optimistischer Weise über einen Rechnungshofrohbericht stolpert und dieser als Frohbericht im Ohr widerhallt. Meistens fallen solche Rohberichte ja alles andere als erfreulich aus.

      Wir haben nicht nur eine neue Rechtschreibung, sondern seit einigen Jahren auch ein neues Jahrtausend. Dieses wird gern mit dem alten, lateinischen Wort bezeichnet: Millennium. Soll uns recht sein. Wir beharren aber auf der Schreibweise mit zwei N. Denn Millennium setzt sich aus mille (1000) und anni (Jahre) zusammen. Daran ändert auch die neue Rechtschreibung nichts. Anus ist etwas anderes. Und (mehrere) tausend davon sind nicht unbedingt ein Anlass zum Feiern …

      Die „Gesellschaft für deutsche Sprache“ machte jedoch darauf aufmerksam, dass „Millenium mit einem n die ursprüngliche Schreibweise ist. Millenar – kommt von der Ableitung millenarius (Tausend; milleni – je tausend, vergleiche auch Zentenar); das Millennium ist indes eine erst im Neulatein erfolgte Analogiebildung zu den klassisch-lateinischen Komposita biennium, triennium, quinquennium … (Zeitraum von zwei, drei, fünf … Jahren)“.

      In Amerika werden Verstöße gegen die Rechtschreibung mitunter sogar gerichtlich geahndet. Ein skurriler Vorfall ereignete sich in New Jersey: Ein Kunde klagte einen Tätowierer, weil dieser sich geirrt und statt „Everyone else does“ (Jeder andere tut es) fehlerhaft „Everyone elese does“ in die Haut geritzt hatte.

      Büro’s zu vermieten, Auto’s zu gewinnen!

       Der leidige Apostroph – und überflüssige Beistriche

      Das Mozart-Requiem zu hören ist relativ einfach. Aber wie schreibt man es richtig? Mozart’s Requiem – so war es auf einem Plakat angekündigt. Warum der Apostroph? Die Suche im Internet bringt weitere Schreibmöglichkeiten zu Tage: „Mozart Requiem“; „Mozart – Requiem“; „Mozart-Requiem“; „Mozart: Requiem“; „Mozart, Requiem“. Variationen über ein Thema, an denen man sich delektieren kann – wobei Musikern und Musikfreunden das „Mozart-Requiem“ am vertrautesten ist.

      „Ein Fall für Eva Male’s Sprachspaltereien“, meinte ein Leser. Und lieferte damit – wohl unbeabsichtigt – einen ebensolchen: durch den überflüssigen Apostroph im zweiten Fall. Dieser ist bekanntlich nur im Englischen notwendig, findet aber auch im Deutschen – unnötigerweise – immer mehr Einzug, à la Rosi’s Würstelstand oder Inge’s Frisiersalon.

      Detto: „Da werden Papa’s Augen glänzen“, wirbt die Drogeriemarktkette dm angesichts des bevorstehenden Vatertags. Vielleicht glänzen seine Augen ja deswegen, weil ihm der überflüssige Apostroph die Tränen in die Augen getrieben hat? Den brauchen wir im Deutschen beim Genitiv nun einmal nicht. Wird hier das Englische kopiert, oder halten es die Leute für schick?

      Aber auch englische Ausdrücke selbst werden oft nicht korrekt „apostrophiert“, etwa to do’s und dont’s (Dinge, die erledigt werden müssen, beziehungsweise Dinge, die man nicht tun sollte). Die erwähnten Unarten fallen natürlich in den Bereich don’ts (da das n’t ein not abkürzt)!

      Eine Leserin informiert nun über die skurrile Weiterentwicklung des S mit Apostroph in Pluralformen wie diesen: Büro’s zu vermieten (gelesen in Ottakring auf einer Tafel vor einem frisch renovierten Gebäude) oder als Preise gibt es Auto’s zu gewinnen. Man fragt sich, was sich die Schöpfer solch krauser Schreibweisen denken. Da kann nicht einmal die Parallele zur englischen Sprache als Entschuldigung herhalten!

      Aber das ist noch lang nicht alles: Fasching’s - Krapfen à 50 Cent. Diese Aufschrift fand eine Leserin auf einer Tafel bei einem Wiener Greißler, wobei die Krapfen noch dazu in die nächste Zeile gerutscht waren.

      Der Apostroph ist ebenso verwunderlich wie die Teilung des Wortes. Ist denn der Fasching vom Krapfen wegzudenken, abzutrennen? Heute wohl schon, wo es gelegentlich auch im Sommer Vanillekipferln gibt.

      Auch die Schreibweise für’s Frühstück ist falsch: fürs schreibt man ohne Apostroph, weil das s ein das ersetzt. Nur wenn ein es ersetzt wird, gehört ein Apostroph gesetzt. Ob’s uns gefällt oder nicht. Danke fürs Lesen!

      „ ‚Wissen’S’ ‘, sagte er … Er unterstrich beim Flirten seine wienerische Sprachfärbung besonders deutlich.“ So schreibt Hellmuth Karasek in seinem Roman „Das Magazin“. Die Sprachfärbung hat sich schriftlich allerdings nicht richtig niedergeschlagen. Denn der Apostroph muss dort stehen, wo etwas ausgelassen wurde. Ist’s nicht logisch? Das ’s steht – siehe oben – für es. Aus Wissen Sie wird also Wissen S’? Vergleiche Hean S’ etc.

      Vor allem der gute alte Rock ’n’ Roll wird nur allzu gern willkürlich apostrophiert. Da beim and erster und letzter Buchstabe fehlen, müssen die Apostrophe ebendort gesetzt werden. Nennen S’ mich ruhig pingelig, wenn’s Ihnen lästig ist, dass ich weg’n der Stricherln so ein Theater mache!

      Auch bei Beistrichen sollten manche Leute dringend einen Abstrich machen. Zu viel ist zu viel. Etwa: „Für Washington ist Schnee ungefähr so schlimm, wie die Inauguration von George W. Bush.“ Bei einem Vergleich wie diesem ist der Beistrich so (über-)flüssig wie die Schneeschmelze. Es sei denn, es folgt ein kompletter Satz. Etwa: Der heurige Schnee ist genauso schlimm, wie es letztes Jahr der Regen war. (Schlimm sind die beiden Sätze freilich auch inhaltlich!) Und weiter heißt es: „Schnee hat eine ähnlich lähmende Wirkung


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