Wenn uns die Fälle davonschwimmen. Eva Male

Wenn uns die Fälle davonschwimmen - Eva Male


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„Der Unterausschuss des Rechnungshofes im Parlament, befasst sich heute mit …“, oder: „Der ehemalige Unteroffizier Heinz Werner Schimanko, will mit der Verpachtung des Kasinos …“, oder: „John Gibbs vom Forschungsinstitut der britischen Forstkommission, verweist jedenfalls darauf …“

      Als zweite grassierende Krankheit beklagt der strenge Onkel „BNA“, also das Setzen von Beistrichen nach adverbialen Bestimmungen, etwa: „Am Tag nach ungeschütztem Sexualverkehr, können Frauen bei ihrem Arzt …“

      Oder nach Präpositionalgruppen: „Bei der Fahndung nach einem Frauenmörder, fand Kommissar R …“ – „Nach seinem steilen Aufstieg, wurde der junge Manager …“ Richtig: Die Beistriche sind falsch.

      Dass sich mit Beistrichen einiges anrichten lässt (man vergleiche dazu das Buch von Lynne Truss: „Eats, Shoots & Leaves; The Zero Tolerance Approach to Punctuation“), zeigt auch folgende Formulierung: „Eine kleine Kamera auf einer Brille ist mit dem Sehnerv verbunden und ermöglicht es, Menschen mit geschädigter Netzhaut zu sehen.“ Auf wessen Nase sitzt diese Brille? Jedenfalls ermöglicht sie es wem auch immer, Menschen mit geschädigter Netzhaut (im Akkusativ) zu erspähen. Dabei sollte doch gerade diesen (im Dativ!) das Sehen ermöglicht werden. Weg mit dem Beistrich – und basta.

      „Der Natur brauchst nix lernen!“

       Wenn uns die Fälle davonschwimmen

      „Elternwunsch“ – so lautete der Übertitel eines Zeitungsartikels. Unwillkürlich denkt man an das Pendant Kinderwunsch – hegen den Elternwunsch in Analogie also Waisen? Weit gefehlt, wie man uns im Folgenden aufklärt: „Stadt Salzburg: Kindergarten bis 20 Uhr offen“. Da wurde also auf die Wünsche der Eltern reagiert. Ein hübsches Beispiel für den Unterschied zwischen Genitivus subiectivus und obiectivus (der Wunsch jemandes bzw. der Wunsch nach etwas; vgl. die Liebe der Mutter bzw. die Liebe zur Mutter).

      Zum Thema passend: „Für Kinder ist es wichtig, wenigstens ein paar Jahre daheim zu sein.“ So stand es in einem Kommentar zum Thema Familie. Natürlich, auch Kinder bleiben meistens ein paar Jahre daheim, bevor sie ins Leben (in den Kindergarten) geschubst werden. Gemeint war hier jedoch: Für Eltern ist es wichtig, wenigstens ein paar Jahre daheim (und für ihre Kinder da) zu sein. Wenn man die Eltern nicht explizit erwähnen will, muss man den Satz also umdrehen: Es ist wichtig für die Kinder, dass die Eltern …

      Eine Molkerei in Knittelfeld bietet unterdessen „Steirischen Bergkäse aus silofreier Bergbauernmilch“ an. Schon Bergbauernmilch erscheint bedenklich, wenn man überlegt, dass andere Milchprodukte mit dem Vermerk „aus Kuhmilch“ oder „aus Schafmilch“ versehen sind.

      Mit dem Genitiv ist es so eine Sache. Vorsicht, TV-Diskussion! Je gewählter die Menschen sich ausdrücken wollen, desto gefehlter wird’s oft. Dies ist häufig in Fernseh-Diskussionen zu beobachten. Zum Beispiel: „Die Meinung des Herrn Wagners kann ich keineswegs teilen.“ Das S ist überflüssig, der zweite Fall bereits im abgewandelten Artikel des enthalten. Nur ohne denselben würde es heißen: Die Meinung Herrn Wagners kann ich nicht teilen, oder: Herrn Wagners Meinung …

      So ein S ist nur Goethe erlaubt. „Die Leiden des jungen Werthers“ nannte er sein berühmtes Werk. Übrigens: „Es wird ein voller Erfolg; viele der Leser nehmen sich nach der Lektüre das Leben.“ Wahrlich eine hübsche Formulierung. Besteht der Erfolg etwa darin, dass sich viele der Leser das Leben nehmen? Der Strichpunkt allein trennt die beiden Aussagen schließlich nur mangelhaft.

      Einige Wiener Parks werden derzeit umgestaltet. Große Plakate verkünden jeweils die „Renovierung des Soundso-Park“. Da wiederum fehlt ein S! Beziehungsweise mehrere S – so viele, wie Parks renoviert werden.

      „Nun muss sich XY dem Problemkind Wiener VP annehmen“, schreibt ein Journalistenkollege. Was wieder einmal beweist, dass wir uns auch weiterhin des Problemkinds Sprache intensiv annehmen müssen! Im Genitiv!

      „Vielem darf ich mir nicht bewusst sein“ – mit diesen Worten wird ein in New York tätiger österreichischer Architekt in der Zeitschrift „Architektur aktuell“ zitiert. Bewusst verlangt den Genitiv, was in diesem Fall freilich ein bisschen komisch klingt. So empfiehlt es sich wohl am ehesten, ein Hauptwort dazuzunehmen, etwa: „vieler Dinge“.

      Fehler wie dieser kommen immer wieder vor. Gegen sie scheint kein Kraut gewachsen. Genauso wenig wie gegen den Gebrauch von ohne mit dem Dativ: „Auch ohne einem fixen Großmieter sieht Krause in dem 70-Millionen-Investment kein Risiko.“ (Schreibt die „Presse“, leider!) Das einzige Risiko, das Krause eingeht, ist ein grammatikalisches. Die Sprachpolizei könnte ihn ertappen.

      „Ohne neuer Flächenwidmung gibt es keine öffentliche Nutzung mehr.“ Oder: „Aber da hatten alle Kritiker Karls die Rechnung ohne der konservativen Einstellung der Eidgenossen gemacht.“ Unsereinem rollen sich da die Zehennägel auf. Mühsam versucht man, es den eigenen Kindern einzuprägen (und diese kontern: „Hört doch auf mit eurem Sprachterror!“), aber bei den eigenen Kollegen scheint die Liebesmüh’ vergeblich …

      „Denn ohne Brevet, dem ‚Tauch-Führerschein‘, bekommt man weder Ausrüstung noch Luftflasche.“

      Gern wird auch einem Ereignis gedacht. Ähnliches geschieht beim Verb harren, das ebenfalls den zweiten Fall verlangt (harren darf außerdem auch mit „auf“ gebraucht werden).

      So manche können sich nicht zwischen Genitiv und Dativ entscheiden: „Der zwergenhafte Bäcker harrte dem Aufgehen seines Teiges; die Zettelchen in der Westmauer dem Engel …; die ausgetrockneten Zisternen den Regentropfen; die Sammelbüchsen dem Klingeln von Münzen“, so die Übersetzung einer Passage aus Meir Shalevs „Esaus Kuss“.

      Unsereins harrt derweil des richtigen Gebrauchs des Genitivs. Denn dieser geht einerseits häufig ab; zugleich feiert er fröhliche Urständ: wider besseren Wissens (1), gemäß dieses Abkommens (2), entgegen früherer Vereinbarungen (3). Hier dürfen ruhig Akkusativ und Dativ zum Zug kommen.

      „Eine schöne Unbekannte bittet Don Jaime, ihr einen beinahe unparierbaren Stoß zu lehren.“ Und schon nimmt die Handlung in dem spanischen Roman „Der Fechtmeister“ ihren Lauf. Dem „Bücherpick“ ist hier ein Fehler unterlaufen. Allerdings hoffentlich nicht un(re)parierbar.

      Lehren verlangt den vierten Fall. „Sie … zu lehren“ müsste es also heißen. Vergleiche auch: „Dich werde ich Mores lehren!“ Wer kennt diese erzieherische Drohung nicht?

      Wem lehren mit Akkusativ für den Alltagsgebrauch zu hochtrabend erscheint, der kann auch auf beibringen mit Dativ ausweichen, etwa: Die Lehrerin bringt den Schülern lesen und schreiben bei. Nicht zulässig ist: Sie lernt ihnen lesen und schreiben. Lernen kann man nur selber. Leider. Weshalb auch folgender Werbeslogan für eines jener glücklichen Bioprodukte falsch ist: „Der Natur brauchst nix lernen.“ Auch inhaltlich fraglich. Auch der Soziologe irrt, wenn er behauptet: „Not lernt beten.“

      „Die lehren bereits den Kindern, wie echter Camembert, Original-Brie und andere Spezialitäten schmecken“, schreibt ein Journalist. So ein Käse! Vielleicht könnte ihn (im vierten Fall) jemand Deutsch lehren.

      „Die Kandidatin lehrt mit brillanter Rhetorik den Mitbewerbern das Fürchten.“ Oder bei Dürre: „Die Wasserkultur, die dem Volk den sparsamen Umgang mit dem Nass lehren soll …“ – „Putin wollte den tschetschenischen Terroristen das Fürchten lehren.“ Wenn es bloß wahr wäre! Dann gäbe es nämlich nur einen einzigen Terroristen (den nämlich), und diesen könnte man wohl in den Griff bekommen. Da es sich aber leider um Terroristen im Plural handelt, muss es „die Terroristen“ heißen.

      „Die schönsten Motoren verdienen einen Pilot.“ Diese Michelin-Werbung wiederum verdient eine Erwähnung. Was man verdient, steht immer im Akkusativ, und von Pilot heißt dieser Piloten. Dieser „falsche“ vierte Fall erfreut sich im Übrigen großer Beliebtheit.

      „Dem Genie schmerzt das Bein“, hieß es im


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