H. G. Wells – Gesammelte Werke. Herbert George Wells

H. G. Wells – Gesammelte Werke - Herbert George Wells


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am Bahn­hof in un­ge­heu­re Auf­re­gung, weil die fast be­stän­dig ge­schlos­se­ne Ver­bin­dungs­li­nie zwi­schen den süd­öst­li­chen und süd­west­li­chen Hal­te­stel­len ge­öff­net wur­de. Die Auf­re­gung wuchs beim An­blick ein­fah­ren­der Gü­ter­wa­gen, die mit rie­si­gen Ge­schüt­zen be­la­den, und Wa­gen­ab­tei­lun­gen, die von Sol­da­ten dicht be­setzt wa­ren. Es wa­ren die Ge­schüt­ze, die von Wool­wich und Chat­ham her­auf­ge­bracht wor­den wa­ren, um King­ston zu de­cken. So­fort be­gann ein Aus­tausch von Scherz­wor­ten: »Ihr wer­det ge­fres­sen wer­den!« »Wir sind die Tier­bän­di­ger!«, und der­glei­chen. Kurz dar­auf kam ein Zug Wach­leu­te, wel­che die Bahn­stei­ge säu­ber­ten. Auch mein Bru­der be­gab sich wie­der auf die Stra­ße.

      Die Kir­chen­glo­cken läu­te­ten zum Abend­se­gen, und eine Ab­tei­lung von Mäd­chen der Heils-Ar­mee kam sin­gend die Wa­ter­loo­stra­ße her­ab. Bei der Brücke be­ob­ach­te­te eure An­zahl Mü­ßig­gän­ger einen son­der­ba­ren brau­nen Schaum, der stel­len­wei­se sicht­bar den Strom hin­ab­trieb. Die Son­ne ver­sank eben, und der Uhr­turm und die Häu­ser des Par­la­ments er­ho­ben sich ge­gen einen Abend­him­mel, den man sich kaum fried­li­cher vor­stel­len konn­te, einen gol­de­nen Him­mel, un­ter­bro­chen von lan­gen Qu­er­strei­fen röt­lich­brau­ner Wol­ken. Es ging die Rede von ei­nem schwim­men­den Leich­nam. Ei­ner der Män­ner, ein Re­ser­vist, wie er sag­te, er­zähl­te mei­nem Bru­der, er habe im Wes­ten den He­lio­gra­fen auf­blit­zen ge­se­hen.

      In der Wel­ling­ton­stra­ße be­geg­ne­te mein Bru­der ei­nem Paar stäm­mi­ger Ben­gel, die eben mit noch feuch­ten Zei­tungs­blät­tern und auf­fal­len­den Pla­ka­ten aus der Fleet­street stürm­ten. »Furcht­ba­re Ka­ta­stro­phe!«, brüll­ten sie, ei­ner den an­de­ren über­schrei­end. »Kämp­fe in Wey­bridge! Aus­führ­li­che Be­schrei­bung! Flucht der Mars­leu­te! Lon­don in Ge­fahr!« Mein Bru­der muss­te ih­nen drei Pence für eine Num­mer des Blat­tes ge­ben.

      Da­mals ge­sch­ah es, da­mals erst, dass er sich einen Be­griff von der vol­len Ge­walt und der Furcht­bar­keit je­ner Un­ge­heu­er mach­te. Er er­fuhr, dass sie nicht bloß eine Hand­voll klei­ner plum­per Ge­schöp­fe wa­ren, son­dern geis­tig hoch­ste­hen­de We­sen, die rie­si­ge me­cha­ni­sche Kör­per lenk­ten, die sich blitz­schnell be­we­gen und mit sol­cher Kraft ihre Op­fer tref­fen konn­ten, dass selbst die mäch­tigs­ten Ge­schüt­ze ih­nen nicht stand­zu­hal­ten ver­moch­ten.

      Sie wur­den ge­schil­dert als »un­ge­heu­re spin­nen­ar­ti­ge Ma­schi­nen, fast hun­dert Fuß hoch, fä­hig, sich mit der Schnel­lig­keit von Eil­zü­gen vor­wärts­zu­be­we­gen, und im­stan­de, Strah­len von un­er­mess­li­cher Hit­ze ab­zu­feu­ern.« Ver­bor­ge­ne Bat­te­ri­en, haupt­säch­lich aus Feld­ge­schüt­zen be­ste­hend, wä­ren in der Um­ge­bung der Hor­sell-Wei­de auf­ge­pflanzt wor­den, be­son­ders zwi­schen dem Be­zirk Wo­king und Lon­don. Man hät­te fünf Ma­schi­nen ge­se­hen, wie sie sich der Them­se nä­her­ten, und eine wäre durch eine Lau­ne des Zu­falls zer­stört wor­den. In al­len an­de­ren Fäl­len wä­ren die Ge­schos­se fehl­ge­gan­gen, und die Bat­te­ri­en von den Hit­ze­strah­len so­fort ver­nich­tet wor­den. Schwe­re Ver­lus­te von Sol­da­ten wur­den ge­mel­det, aber der Ton des Be­rich­tes war hoff­nungs­voll.

      Die Mars­leu­te wä­ren zu­rück­ge­schla­gen wor­den; sie wä­ren nicht un­ver­wund­bar. Sie hät­ten sich wie­der in ihr Zy­lin­der­drei­eck im Krei­se von Wo­king zu­rück­ge­zo­gen. Bra­ve Leu­te, die he­lio­gra­fi­sche Zei­chen ga­ben, nä­her­ten sich ih­nen un­aus­ge­setzt von al­len Sei­ten. Mit rei­ßen­der Schnel­lig­keit wür­den von Wind­sor, Ports­mouth, Al­ders­hot, Wool­wich, selbst aus dem Nor­den Ge­schüt­ze an Ort und Stel­le ge­schafft; un­ter an­de­rem lan­ge ge­zo­ge­ne Ge­schüt­ze von fünf­und­neun­zig Ton­nen ans Wool­wich. Al­les in al­lem wür­den hun­dert­und­sech­zehn auf­ge­stellt oder has­tig vor­be­rei­tet wer­den, haupt­säch­lich zum Schutz Lon­d­ons. Nie­mals vor­her hät­te in Eng­land ein so un­ge­heu­res oder schleu­ni­ges Auf­ge­bot von krie­ge­ri­scher Macht statt­ge­fun­den.

      Je­der in Zu­kunft nie­der­fal­len­de Zy­lin­der wür­de, so hoff­te mein, durch star­ke Spreng­ge­schos­se so­fort zer­stört wer­den, die schleu­nigst her­ge­stellt und ver­teilt wer­den soll­ten. Ohne Zwei­fel, fuhr der Be­richt fort, kön­ne die Lage nicht son­der­ba­rer und erns­ter sein, aber die Öf­fent­lich­keit sei hier­mit er­mahnt, Pa­ni­ken zu mei­den und zu ver­hin­dern. Ohne Zwei­fel sei­en die Mars­leu­te äu­ßerst selt­sa­me und er­schre­cken­de Ge­schöp­fe, aber im schlimms­ten Fall gäbe es nicht mehr als zwan­zig ge­gen un­se­re Mil­lio­nen.

      Die Be­hör­den hät­ten gu­ten Grund aus dem Um­fang der Zy­lin­der zu schlie­ßen, dass im äu­ßers­ten Fall nicht mehr als fünf in je­dem Zy­lin­der ste­cken könn­ten — zu­sam­men also fünf­zehn. Und ei­ner we­nigs­tens sei schon ab­ge­tan — viel­leicht schon mehr. Die Öf­fent­lich­keit sei schon ge­nü­gend vor der dro­hen­den Ge­fahr ge­warnt wor­den; und die um­fang­reichs­ten Vor­sichts­maß­re­geln sei­en ge­trof­fen wor­den, um die Be­völ­ke­rung der be­droh­ten süd­west­li­chen Vo­r­or­te zu schüt­zen. Und mit wie­der­hol­ten Be­teue­run­gen in Be­zug auf die Si­cher­heit Lon­d­ons und in fes­tem Ver­trau­en dar­auf, dass die Be­hör­den ih­rer schwe­ren Auf­ga­be ge­wach­sen sei­en, schloss die­se Qua­si-Pro­kla­ma­ti­on.

      Das al­les war in rie­si­gen Buch­sta­ben ge­druckt, so frisch, dass das Pa­pier noch feucht war, und es war nicht Zeit ge­we­sen, ein Wort der Er­klä­rung hin­zu­zu­fü­gen. Es war merk­wür­dig, er­zähl­te mein Bru­der, zu se­hen, wie rück­sichts­los der üb­ri­ge In­halt des Blat­tes ver­stüm­melt und be­sei­tigt wur­de, um für die­se Mit­tei­lun­gen Raum zu schaf­fen.

      Als er, die Zei­tung in sei­ner Hand, den Strand ent­lang zum Tra­fal­gar-Platz kam, sah mein Bru­der ei­ni­ge Flücht­lin­ge aus West-Sur­rey. Ein Mann mit sei­nem Weib, zwei Kna­ben und ei­ni­gen Ein­rich­tungs­stücken führ­ten einen Kar­ren, wie ihn Ge­mü­se­händ­ler be­nüt­zen. Er kam aus Rich­tung der West­mins­ter Bridge, und dicht hin­ter ihm kam ein Heu­wa­gen mit fünf oder sechs an­stän­dig aus­se­hen­den Leu­ten dar­auf, und ei­ni­gen Kof­fern und Bün­deln. Die Ge­sich­ter die­ser Leu­te wa­ren ein­ge­fal­len, und ihre gan­ze Er­schei­nung stand in auf­fal­len­dem Ge­gen­satz zu dem sonn­tä­gig ge­schmück­ten Äu­ße­ren der Leu­te in den Stell­wa­gen. Mo­disch ge­klei­de­te Men­schen blick­ten neu­gie­rig aus ih­ren Miet­wa­gen auf die Flücht­lin­ge. Die­se mach­ten auf dem Platz Halt, wie un­schlüs­sig, wel­chen Weg sie ein­schla­gen


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