Wyatt Earp Staffel 2 – Western. William Mark D.
Das alles muß jeder selbst wissen. Ich wollte es Ihnen nur sagen.«
Wyatt nickte. Ein höllisch unbehagliches Gefühl saß in seinem Nacken.
Da stand die Frau leise ächzend auf. Fast gebeugt ging sie zur Tür. Da blieb sie stehen und blickte zu dem Mann hinüber. »Haben Sie mal einen Revolver mit einem schwarzen Knauf und einem weißen Andreaskreuz gesehen…?«
Der Marshal schüttelte den Kopf.
»Um die Black Hills herum gibt es böse Geister, Marshal. Vergessen Sie es nicht, und alles ist voll Dunkelheit und Nebel.«
Wyatt erhob sich. Das unbehagliche Gefühl, das ihn beschlichen hatte, verstärkte sich noch.
Er atmete auf, als er die Frau unten aus der Hotelhalle zum Bankhaus Maxwell hinübergehen sah.
Dann stand er am Fenster, öffnete es, stützte die Hände auf das schon rissige Holz der Fensterbank und blickte über die Dächer auf die im Sternenlicht dräuenden Berggipfel der Black Hills hinüber.
Es kam ihm alles reichlich verworren vor, was die Frau ihm da gesagt hatte. Oder wollte sie ihm etwas andeuten? Schließlich hatte sie früher lange hier in der Stadt gelebt und kannte die Leute.
Sein Blick senkte sich auf das große Bankhaus drüben an der gegenüberliegenden Straßenecke.
Die alte Frau war längst im Eingang verschwunden.
Plötzlich öffnete sich die Tür wieder, und Wyatt erkannte im schwachen Lichtschein, der aus den Fenstern eines gegenüberliegenden Saloons über die Straße fiel, daß es Ann war.
Sie ging langsam über den Vorbau und bog drüben in die Warbystreet ein.
Der Mann starrte auf die Stelle, wo sie um die Hausecke gebogen war. Er glaubte noch das schimmernde Weiß ihres Schals zu sehen.
Langsam wandte er sich um, zog seine Jacke an, nahm den Waffengurt, setzte seinen schwarzen breitkrempigen Hut auf und ging hinaus.
Die Straße war still.
Die kleinen Saloons hatten nicht viel Betrieb.
Drüben aus dem großen Sunset-Saloon kam das wenig melodische Hämmern eines uralten verstimmten Orchestrions.
Wyatt überquerte die Straße und blickte in die dunkle Gasse, die nach Südwesten hin ziemlich abschüssig zu den neuen Häusern der Digger führte, die schon so viel Geld zusammengekratzt hatten, daß sie sich ein Haus bauen konnten.
Wyatt schritt langsam die Straße hinunter.
Er sah das Weiß des Schals schon auf fünfzig Schritt durch das Dunkel schimmern.
Wyatt blickte sie nicht an; er sah die Gasse hinunter. »Es ist ziemlich spät«, sagte er dumpf.
»Ja, das ist es…«
Nach einer Weile sagte der Mann: »Ihre Tante war bei mir.«
Ann fuhr herum und starrte ihn an.
Aus der Dunkelheit heraus sah er die Augen glimmen. »Tante Susan?« fragte sie heiser.
»Ja.«
»Was… wollte sie denn?«
»Mir etwas sagen, was ich nicht wußte.«
»Ich verstehe nicht –«
»Sie hat mir etwas mitgeteilt, von dem sie annahm, daß es mich vielleicht interessieren könnte.«
Da ergriff das Mädchen die Rechte des Mannes und spannte seine weißen zartgliedrigen Finger darum. »Mister Earp. Sie dürfen ihr kein Wort glauben. Was sie auch gesagt hat! Sie… Vielleicht hat sie über meinen Vater geschmipft oder über sonst jemanden. Vielleicht über mich…«
Wyatt schüttelte den Kopf. »Nein, das hat sie nicht«, versetzte er.
»Sie hat bestimmt eine Dummheit gemacht. Ich… ich muß es Ihnen also sagen: Tante Susan ist krank. Verstehen Sie, krank im Kopf.« Ann schluckte. »Ihre Mutter war auch geisteskrank. Sie ist schon in jungen Jahren in einem Hospital in Quincy gestorben.«
Wyatt hatte plötzlich wieder das unbehagliche Gefühl im Genick.
Er hörte wie aus weiter Ferne die dunkle Stimme der jungen Frau. »Sie redet Dinge, die nicht stimmen. Ich habe es nie gewußt. Aber seit heute weiß auch ich es erst. Sie sagte heute mittag so verdrehte, verschwommene Dinge, als sie bei mir im Zimmer saß…«
Da sagte der Mann leise: »Sie hat gesagt, daß Sie mich lieben.« Dann wandte er sich um und ging langsam zurück.
Wie aus Erz gegossen stand Ann
Maxwell da und starrte ihm mit brennenden Augen nach. Ich muß ihm nachlaufen! hämmerte es in ihr. Ich muß ihm sagen, daß es wahr ist. Daß es wirklich und wahrhaftig wahr ist. Ich muß ihm sagen, daß ich mich vor Sehnsucht nach ihm verzehre, daß ich nie wieder einen Mann so lieben kann. Daß ich vorhin von meinem Zimmer aus oben im Hotel am Fenster gesehen habe…
Sie stand wie gelähmt.
Die eine wichtige Minute war in die Ewigkeit getropft. Zerronnen im Dunkel der Nacht.
In diesem Augenblick wußte Ann, daß sie diesen schönsten Traum ihres Lebens begraben konnte.
Sie hatte selbst gesagt, daß Tante Susan krank sei, geisteskrank, wahnsinnig. Daß sie eine Verrückte wäre. Und dann kam seine Antwort!
Sie hatte wie taub und blind dagestanden, seine Gestalt im Dunkel verschwimmen gesehen und war doch nicht fähig gewesen, ihm nachzulaufen oder zu rufen. Schwankend ging sie den Weg zurück.
Drüben im ersten Stock des großen Cleveland-Hotels lag ein Mann auf seinem Bett, hatte die Arme hinter den Kopf verschränkt und blickte gegen die Decke.
Sein Leben war Kampf gewesen, hatte ihm nur Härte entgegengebracht.
Seit dem frühen Tod der kleinen Willa Sutherland hatte es keine Frau von Bedeutung in seinem Leben gegeben.
Die dunkeläugige, geheimnisvolle Ann Maxwell geisterte durch seine Gedanken. Aber es war da etwas, das ihn von ihr trennte, das zwischen ihnen stand.
War es die Tatsache, daß sie die Tochter eines reichen Mannes war, eine junge Lady, die auf einer Schule in St. Louis war, oder war es ihre außergewöhnliche Schönheit, die ihn gebannt hatte?
*
Am Montagmorgen hatten sich schon früh viele Neugierige vor dem Bankgebäude und auch vor der Wells-FargoCompany eingefunden.
Sie wußten, daß heute das von Wyatt Earp wiedergefundene Gold endgültig nach Midland transportiert werden sollte.
In der Sonntagnacht hatten sie in den Saloons diskutiert, wer wohl die Kutsche als Gunman begleiten würde.
Wer wohl?
Obgleich mehrere Namen genannt wurden, dachten die Männer nur an einen Gunman: an den Marshal Earp.
Um acht Uhr kam Cliff Cordy ins
Cleveland-Hotel. Wyatt hörte die Schritte des Wells-Fargo-Agenten auf dem Korridor.
Er hörte, wie er an Doc Hollidays Tür klopfte, die gegenüber lag.
Nach längerem Klopfen öffnete Cordy die Tür.
Wyatt hörte, daß er einen unterdrückten Ruf der Verwunderung ausstieß.
Sofort war der Missourier auf den Beinen und öffnete seine Tür.
Cordy blickte sich um. »Doc Holliday ist weg…«
Der Marshal zog die Brauen zusammen.
Dann schob er Cordy beiseite und lief die Treppe hinunter.
Der Hoteleigner stand händereibend vor einer elegant gekleideten Frau, die eben mit der Wyoming Post gekommen war.
Wyatt rief ihn ungeniert an. »Mister Cleveland, ist Doc Holliday abgereist?«
Der