Amour ... pfuuh!. Polly Adler

Amour ... pfuuh! - Polly Adler


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hatte der große, alte Mann des Kabaretts, der leider nicht mehr hier ist, mein Plädoyer für den Pasde-deux von Alkohol und Kreativität einmal jählings unterbrochen, »jetzt erzähle ich Ihnen einmal was.« Und der wunderbare Bronner berichtete über eine Begegnung mit seinem literarischen Schutzheiligen Erich Kästner in einer Wiener Bar in den Sechzigern. Die Augen des Idols waren damals bereits ohne Feuer, sein Glas umklammerte er gleich einem Ertrinkenden.

      Nachdem sich der große, alte Mann vor dem Vorbild in Ehrfurcht gekrümmt hatte, fragte er im weiteren Verlauf des Gesprächs, wann denn wieder ein Buch erscheinen würde. Kästner sah ihn sehr traurig an. Nun denn, zumindest ein Kinderbuch, das müsse ihm doch nicht mehr als eine Fingerübung sein. Da ertrank Kästner in seinem eigenen Seufzer: »Auch für ein Kinderbuch braucht man eine Idee.«

      Diese Geschichte hat sich für immer in mein Gedächtnis gebrannt. Gleich neben dem Bild von Truman Capote, der gegen Ende seines Lebens oft gen Morgengrauen in Frauenkleidern und Gospellieder lallend auf dem Boden von Kaschemmen verendet war. Ohne auch nur eine Zeile zu Papier zu bringen. Trotzdem möchte ich jetzt nicht in die Fraktion der Fencheltee-Faschisten. Irgendwo muss doch ein kleiner Kompromiss zwischen Exzess und Fadesse lauern? »Alles mit Maß und Ziel«, flüstert die Krankenschwester in mir. Und meine innere Vorstandsvorsitzende für Unvernunften aller Art kläfft zurück: »Und wozu gibt es Ziele, meine Liebe, hä?! Um darüber hinauszuschießen.«

      Furienalarm!

      B trug diesen Blick, den Rachegöttinnen-Darstellerinnen bei den Kobersdorfer Sommerspielen abrufen würden, um drastisch Zorn zu demonstrieren. »Furienalarm!«, sagte B, »es gibt doch nichts Bösartigeres als Frauen.« Eine hässliche, mir aber bestens bekannte Wahrheit. Spätestens seit dem Moment, wo mir G meine pinkelfähige Puppe Klausi mit Kugelschreiberstrichen vandalisierte, weil sie diese Art von Besitz bei mir nicht ertragen konnte. Das war – nun ja – 1968.

      Und dann war da K, die sich, so um 1986, meinen potenziellen Zweitmann, einen Mailänder Opernsänger bayrischen Ursprungs, gekrallt hatte, als ich ihm wegen schlechten Gewissens gegenüber dem Erstmann erklärte, dass es schön war, aber es eben war. Daraufhin hatte sich dieses ausg’schamte Suppenhuhn den Weißwurst-Tenor um den Bauch gebunden und … Heute noch könnte ich deswegen Urschrei-Seminare anführen! In jedem Fall: Ex-Frauen pflastern auch meinen Weg.

      »Weißt du, was dieser Sautrampel zu mir gesagt hat?«, gellte B jetzt.

      »Welcher? Es gibt so viele …«

      »Na, diese N, mit ihrem Leguangesicht …«

      »Du bist tief, Schatzi, sehr tief …«

      »Tiefer als die liegt nur noch die ›Titanic‹, glaube mir … Dieser Trampel, der inzwischen ohnehin längst in die Altersgruppe für betreutes Wohnen fällt, hat mir vor allen auf dieser Party erklärt, dass ich g’sund aussehe …«

      »Ja, und?«

      »Sitzt du auf deinen Ganglien? Damit hat sie mir mitgeteilt, dass ich fett bin … drastisch zugenommen habe … und alle konnten es hören …«

      »Sag’ ihr einfach, dass du schon vor Jahren bei der Weggabelung – du weißt schon, Arsch oder G’sicht – Letzteres gewählt hast. Aber dass du es voll respektierst, dass sie eine ganz andere Entscheidung getroffen hat …«

      Jetzt leuchteten B’s Augen. Sie zückte einen Block.

      »Ach, vergiss es«, nahm ich ihn ihr wieder weg, »sei einfach nur dankbar. Schließlich ist Neid das schönste Kompliment, das einem Frauen machen können.«

      Ein Sexualtherapeut dreht durch!

      Ab und an wird man ja doch noch zu gutbürgerlichen Abendessen in Grünlagen eingeladen. So mit Tischkärtchen und Pipapo. Kollektive Nahrungsaufnahmen solchen Kalibers zeichnen sich auch durch verdichtetes »happy couples«-Aufkommen aus.

      Alleinerziehende Single-Frauen haben in diesen Konstellationen die Funktion des traurigen Farbtupfers. Findet zumindest K, eine soziologische Genossin. So würden, ihrer Ansicht nach, all die »happy couples« noch um ein Eckhaus happier. Mir doch egal. Hauptsache, Champagner.

      Die muntere Hausherrin hatte mir als Tischherren einen Rossschweifchenträger zugedacht, vom Beruf Sexualtherapeut. Das Problem mit männlichen Rossschweifchenträgern ist, dass diese Frisur bereits vor zehn Jahren unfreiwilligen Unterhaltungswert besaß. Dieser Faktor wird durch die Tatsache potenziert, dass Männer im Spätsommer ihres Lebens ohnehin zu fliehendem Haaransatz neigen, wie eben auch dieses Exemplar.

      Gott ist aber gerecht, Jungs. Für Frauen ab 30: das Ende der Bauchfreiheit, rigoroses Snoopy-Bashing für Slips. Ab 40: absolutes Bo-Derek-Zöpfchenverbot, Leggings-Todesstrafe und so weiter. Aber egal. Wer will denn so oberflächlich sein?!

      Am Ende des Abends sollte der Sexklempner doch noch zu meiner Erheiterung beitragen. Während nämlich zwei von den »happy couples« sich bei der Panna Cotta in ein Kreuzfeuer zum Thema Selbstverwirklichung, Bewahrung der Freiräume und dem Vorwurfsrepertoire (»Nie hast du Zeit« oder »Muss der Parka von Prada sein?!“) hingaben, erwachte der Sexualtherapeut kurz aus der Agonie und trompetete ins Gemenge: »Geht’s doch nach Haus vögeln, dann is a Ruh!«

      Erstarrung, ich konnte mein Prusten naturgemäß nicht domptieren. »Weil’s wahr ist«, fügte er hinzu und grinste wie ein Honigkuchen-Buddha. Das Entsetzen seiner Mitmenschen dürfte auf den Therapeuten beflügelnde Wirkung haben.

      All About Eliette

      Tragödien, wohin das Ohr reicht. In den Boxen demonstriert die Carmen der Callas, wie viel Schmerzen in eine Liebe passen, und an einem Tischchen der Bar »La Divina« hört man ein schwules Pärchen sich in der deprimierenden Disziplin »Abschließendes Grundsatzgespräch« üben.

      Nach dem üblichen Schlagabtausch (»Du brauchst Freiraum?! Ist dieser Freiraum eigentlich gut gebaut?« – »OhGottohGott, es soll ja jetzt schon sehr gute Medikamente gegen Paranoia geben …«) geht es wirklich ans Eingemachte: »Und was wird aus IHR?« – »Wie IHR? Du gehst doch!« – »Wer hat SIE nächtelang gehalten, als sie Keuchhusten hatte, sag’, wer?« Jetzt bewegen sich zwei Schlappöhrchen in dem Vuitton-Fake-Täschchen, rund um ein Gähnen erscheint der Kopf eines potthässlichen Pekinesen. Die Urheberin des Sorgerecht-Eklats hat ihr »Power-Napi« beendet.

      Mit Gurrlauten wird »Eliette« von ihren – noch im Duett amtierenden – Bezugspersonen in Empfang genommen. Bei E, meiner Champagnisier-Gefährtin, bewirkt das Szenario so was wie einen Melancholie-Schub. Ihr emotionales Immunsystem ist nicht in Bestform. Unfreiwillige Trennung von einer Lebensliebe, mit der sie sich vor unserer Verabredung zu einem Sind-wir-doch-Freunde-Gulasch getroffen hatte.

      »Weißt du«, sagt sie wehmütig, »ich will, dass er glücklich ist. Auch ohne mich.«

      »Soll ich jetzt gleich die Tierrettung rufen, oder was«, versuche ich ihre Harmoniesucht zu stoppen. Dem Mann sind nämlich nichts anderes als nässende Hautausschläge an den Hals zu wünschen. Schließlich hatte er sie mit einem Fünf-Worte-SMS entsorgt, nachdem er über Wochen zweigleisig gefahren war.

      »Lieben heißt auch verzeihen«, verharrt sie im Pilcher-Fach. Ich ordere beim Kellner einen nassen Fetzen und bitte E, mich damit in überschaubaren Intervallen zu schlagen, sollte mich je dieses Duldersyndrom ereilen. Entschuldigung schon, mein Aszendent heißt Skorpion. Ich kann gar nicht anders.

      Milchkälber-Fragen

      Keine Panik, ich leide definitiv an keinem Ashton-Kutcher-Syndrom. So gut kann kein Körper sein, um einen IQ, den meine Freundin D mit der einprägsamen Metapher »dumm wie zwei Meter Feldweg« zu beschreiben pflegt, wettzumachen. Mit oder ohne IQ: Milchkälber statt richtige, lebenskriselnde und vor Neurosen triefende Männer –


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