Amour ... pfuuh!. Polly Adler

Amour ... pfuuh! - Polly Adler


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of investment). Kaum hat man den Rackern beigebracht, wie man einen BH mit souveräner Eleganz öffnet, wollen sie das Erlernte auch schon anderswo ausprobieren.

      Dennoch kommt man ab und zu neben Menschen zu sitzen, die aus der Gnade der späten Geburt die »Rolling Stones« für ein drolliges Altersversorgungsmodell halten. Ein apfelbäckiger Milchkalb-Mann stellte mir unlängst an einer Prosecco-Tränke eine Frage, die noch lang in mir pulsierte: »Wie viel Arschloch muss ein Mann eigentlich sein, um von einer Frau auch nur irgendwie ernst genommen zu werden?« Pädagogischer Stress volle Kraft voraus, Leute! Sollte ich dem Jungstier flüstern, dass Frauen wie russische Tanzbären funktionieren und in der Liebe ein emotionales Kalt-Warm-Wechselbad brauchen, um auch nur irgendwie wach zu bleiben? Nein, zu desillusionierend. »Bedingungslose Adoration und Verständnis rund um die Uhr sind zwar nett bei Müttern, Gläubigern und Hunden«, wabberte ich los, »aber der Mann sollte ab und an das Gefühl vermitteln können, dass er nicht für alles zu haben ist. Ein zu hoher Lulu-Faktor ist unsexy …«

      Das Apfelbäckchen fragte jetzt, woher man timingtechnisch wüsste, wann bei der LAD (Lebensabschnittsdame) das Arschloch oder das Sensibelchen gerade angesagt wäre. Ich flüsterte: »Wenn ich dafür das Patentrezept hätte, Liebes, dann könnte ich mir Bill Gates kaufen.«

      Und hätte nichts mehr zu schreiben.

      Genieparasitentum

      Es muss wahnsinnig anstrengend sein, exzentrisch zu sein. Aber es schlaucht auch schon ausreichend, sich im Dunstkreis von Exzentrikern zu bewegen.

      Im Zuge meines genieparasitären Berufs lernte ich über die Jahre, mich mit mehr oder minder begabten Verrückten zu arrangieren. Ich musste im vorrevolutionären Prag für ein Hollywood-Starlet nach Mitternacht Salatgurken besorgen, weil sie mitten im Interview von einem alles überschattenden Gusto befallen wurde.

      Oder um fünf Uhr morgens mit einer damals gerade frisch besetzten Buhlschaft Berge erklimmen. Beim Versuch der Besorgung eines Sarges, in den sie sich gleich ihres Idols Sarah Bernhardt für das Foto betten wollte, versagte ich. Was mächtige Kränkungszustände bei der Mimin zur Folge hatte.

      Ich half einem deutschen Modeschöpfer, seine Hündchen in Kaschmirplaids mit Würstchenaufdruck zu zwängen. Ich zog Popmusiker aus Alkohollachen. Ich ließ mich von Großmimen triezen. Diese Perlenreihe an Begegnungen machte mich reicher – auch an Augenringen. Und der Verdacht verdichtete sich, dass viele dieser Typen aus schierer Panik vor Farblosigkeit ihre Exzentrik simulierten.

      Unlängst saß ich mit einem als Berserker verschrienen Theatertier nach einer Veranstaltung in einem Hinterzimmer. Kein Publikum weit und breit, was sich in einer ungewöhnlich gewöhnlichen Gesprächsführung des Theatertiers niederschlug. Dann beging ich einen Fehler in Form des Satzes: »Auf dich ist auch kein Verlass mehr.«

      Diese kleine Provokation hatte große Konsequenzen: fliegende Flaschen, berstende Gläser, Rotweinfontänen, die Fleckenkontinente auf dem Tischtuch bildeten, und der Schrei: »Es soll niemand behaupten, dass hier Spießer gelagert hätten.«

      »Was für ein sinnloser Aufwand – bei einem ohnehin ermatteten Ein-Personen-Publikum, mein Lieber.«

      Es folgte ein wegwerfendes »Macht ja nichts, ich bin sowieso in Übung.«

      Direkt in die Oberschenkel!

      »Aufpassen, Mädels«, sagte der Mann, als K und ich vom Büffet abschwirrten, mit reichlich dampfender Pasta auf den Tellern, »ihr wisst’s eh, das geht direkt in die Oberschenkel.« Nicht nur, dass dieser Mann bei einem Markus-Schenkenberg-Look-a-like-Contest nicht einmal den Saaldiener abgeben dürfte, nein – er war klein, verdammt obeinig und hatte sieben Haare am Kopf. Meine Aorta pulsierte.

      K nahm mich am Arm und sagte: »Reg’ dich bitte bloß nicht auf. Das ist der Typ nicht wert.« Diese buddhistische Grundgüte ließ meinen Adrenalinspiegel erst recht eskalieren.

      »Aber ich, ich bin’s mir wert«, zischelte ich, machte kehrt und pflanzte mich vor den O-Beinen auf.

      »Liebst du die Natur?«, fragte ich ihn. Er nickte.

      »Das finde ich sehr löblich, nach all dem, was sie dir angetan hat. Und jetzt einmal abgesehen davon …«

      Ich fuhr ihm durch seine sieben Haarpatienten: »Hast du schon einmal über eine Charismatransplantation nachgedacht?«

      »Hey, hey«, begann er jetzt zu stammeln, »es war doch nur gut gemeint.«

      Im Abgang hörte ich ihn das Wort »Flintenweiber!« nuscheln.

      »Warum regst du dich so auf?«, fragte K, jetzt friedlich kauend.

      »Weil die da täglich mehr werden. Und weil Eleganz, Großzügigkeit und Gelassenheit für die das falsche Erziehungsprogramm sind. Und weil ich es satt habe, dass Männer, deren Optik ohnehin nicht das Gelbe vom Ei ist, sich ungefragt wie Scharfrichter eines ›Miss Bonbon‹-Balls gebärden. Denn die wirklichen Aberhallo-Buben rattern ohnehin nie auf diesem Track der Respektlosigkeit. Aber die mit den sieben Haaren und den Waschtrogbäuchen, die denken, dass sie Frauen, ungeachtet deren Einkommens, Bildung und Esprit, wie Rinderhälften behandeln dürfen. ›Zu klein, zu dünn, zu dick, zu wenig vorne, zu wenig hinten.‹ Und außerdem ist Vollmond. Sonst noch Fragen?«

      »Willst du noch ein kleines Dessertscherl«, fragte sie und lächelte mich gewinnend an.

      Ein alles überstrahlendes Wir

      »Wenn das Ich fliegen lernt, weil es ein Du erspäht hat, dann fehlt nicht mehr viel und alles verschmilzt zu einem alles überstrahlenden Wir …«

      Der Dichter klopfte die Ergriffenheit seines Gegenübers ab und war zufrieden. Das Gegenüber trug jetzt einen Blick, der in roten, blinkenden Neonlettern »Hingabe, volle Kraft voraus« signalisierte.

      Ich tauchte am Nebentisch aus meiner Grießnockerlsuppe auf, weil das Szenario etwas von einem Autounfall hatte: Eigentlich konnte man nicht hin- , aber noch viel weniger wegschauen.

      »Das hast du so schön gesagt«, sagte die Dame in einer botoxbedingten Lächelerstarrung, »wo du das immer hernimmst …«

      »Aus dem abgeschmacktesten Metaphernfundus«, wollte ich ihr flüstern, aber die Dame sah nach einem IQ aus, der ihre hart erkämpfte Kleidergröße nicht wesentlich zu übertrumpfen imstande war.

      »Du, du gibst mir die Kraft, dass die Worte wie von selbst auf ihre Plätze fallen«, sagte der Dichter, noch immer gnadenlos in seiner Kampfromantik und tänzelte mit seiner weißen Schuhspitze zwischen ihre Füße. Jetzt küsste er ihr den Hals und schnarrte: »Und? Hast du schon mit deinem Mann geredet?«

      Sie, bereits in hormoneller Auflösung: »Nein, noch nicht … aber ich will und ich werde ihn auch verlassen … Ich zieh’ zu dir, damit wir wir werden.«

      Jetzt bekam der Wir-Kopf einen mehrgängigen Niesanfall. Nachdem er sich dramatisch geschneuzt hatte, merkte er an: »Du bist eine ganz tolle Frau. Aber ich bin Poet. Gegen zu viel Realität bin ich allergisch.«

      Sie, tödlich getroffen: »Du hast mich doch gerade gefragt, ob ich mit meinem Mann …«

      »Wegen dieser Heuschnupfenmedikamente, Dummerchen …«

      Jetzt stob sie davon. Ich kaufte dem arabischen Rosenverkäufer drei Stück ab und hechtete ihr nach. Als ich ihr die Blumen in die Hand drückte, fragte sie voller Hoffnung: »Wie schön! Sind die von ihm?!«

      Ich nickte und mochte mich dafür nicht wirklich.

      Ein bisschen viel Natur

      Letzte Woche hatte ich ein bisserl viel Natur um die Ohren. Es begann damit, dass sich neben meinem Sofa jeden Tag aufs Neue gar nicht


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