Amour ... pfuuh!. Polly Adler

Amour ... pfuuh! - Polly Adler


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      Wer mich nur ansatzweise kennt, weiß, dass Ratten, Tauben und Strache-Reden bei mir in der Sekunde hysterischen Ekel zur Folge haben. Und schon wieder kein Mann im Haus … Ich raste einen Stock nach oben und zerrte meinen grundgütigen Nachbarn aus der Dusche, der das Grauen in die Flucht schlug.

      Am Nachmittag suchte ich Kontemplation auf der Alten Donau. Es war ein gleißend heißer Tag und ich trieb schlafend auf der Zille im Wasser. Im Traum erschien mir der Mann, den ich so sehr geliebt hatte, dass er mit der Zurückliebung auf demselben Niveau heillos überfordert war.

      Ich brüllte: »Hau’ ja ab aus meinem Traum, vertschüss dich!«

      Aber er, er sah mich nur an und sagte: »Du Kleingeist! Wär es dir vielleicht lieber gewesen, dein Leben hätte ohne mich stattgefunden?«

      »Pfuhh«, knurrte ich, »viel weniger Schmerzen … aber schmerzlose Farblosigkeit, also nein …«

      Er grinste, selbst im Traum hatte er das unverschämt gut drauf. Ein Fauchgeräusch stieß mich jetzt zurück in die Realität. Mir schwante nichts Gutes, denn drei Zentimeter über meinen Kopf sah ich ein grimmiges Schwanengesicht. Ich brüllte: »SOS Mitmensch!« Der Schwan fauchte amüsiert zurück. Ich packte das Paddel, er klotzte mit dem Durchmesser seiner Flügel.

      Der Mann aus meinem Traum, der sich jetzt so was von rehabilitieren hätte können, war natürlich auch wieder genau nirgends. Blöde, blöde Emanzipation!

      Falls es jemand interessieren sollte, ich habe überlebt. Nicht heldenhaft, aber immerhin.

      Die Gartenmenschwerdung

      Sie werden täglich mehr, diese Menschen, die von einer errötenden Rispentomatenstaude oder einer ausschlagenden Zwerg-Ginsterstaude auf ihren klopfbalkongroßen Latifundien sprechen, als ob es sich um einen unentbehrlichen Psychotherapeuten oder eine begehrenswert zickige Geliebte handelte. Die an diesen Völkerwanderungssamstagen in Garten-Ländchen pilgern, um dort mit jenem verzückten Grinsen, das sich manchen Kardinälen angesichts von Chorknaben bemächtigt, Fuchsien-Frischlinge und jaguargrüne Designer-Turbotrimmers einzumarkten.

      Nennen wir dieses Bedürfnis, Grünflächen stilistisch in die Knie zu zwingen, den Rosamunde-Pilcher-Virus – eine Krankheit mit riesigen Nebenwirkungen: Sie vermittelt Geborgenheit, wohlige Überschaubarkeit sowie die Illusion, einmal wieder das Zepter in der Hand zu haben (und sei es nur über ein Sieben-Quadratmeter-Imperium), und dass die Welt von liebenswerter Kleinkariertheit ist. Vom psychohygienischen Standpunkt also nichts zu meckern.

      Gefährlich wird’s nur, wenn diese Ginster-Groupies sich in die Gefahrenzone Hobby begeben. Das Betreiben von Hobbys hat generell oft etwas Zwanghaftes, Obsessives an sich. Denken wir nur an modelleisenbahnweichenstellende Männer, Überraschungseier hortende Kinder oder eben von der Gartenmenschwerdung besessene Frauen. Möglicherweise sind Hobbys nichts als volksverträgliche Ersatzhandlungen für ungelebtes Leben, was sie aber um definitiv nichts sympathischer macht.

      So, bravo. Jetzt hab’ ich’s mir endgültig versaut. Seit Tagen umkreise ich nämlich den Floristen ums Eck, um leuchtblaue Hortensien und andere botanische Launemacher zu erwerben. Ich habe nämlich einen Klopfbalkon, der etwas Behübschung durchaus vertragen könnte. Noch ist es mir zu peinlich. Betonung auf noch. Ich stehe aber bereits in Verhandlungen mit meinem spießerparanoiden Ich.

      Und unter uns: Es schaut ganz gut aus.

      Lehrstuhl für Kühlschrankpsychologie

      Berufsbedingt hatte ich mich in letzter Zeit mit Freud vollgekübelt und bin mit den BH-Verbrennerinnen aus den Sixties d’accord, dass der Mann bezüglich der weiblichen Sexualität kränkende Verständnislücken aufzuweisen hatte. Vielleicht hatte das auch damit zu tun, dass Freuds Mutter ihn zur Zentralsonne ihres Planetensystems erklärt und seine Gattin jenen Ansatz direkt zu übernehmen hatte.

      Der liebe Sigmund musste sich also nie damit aufhalten, die Frauen zu verstehen, denn sie waren ja ohnehin da. Ganz generell besitzen Männer, deren Mutterliebe von verliebter Kritiklosigkeit geprägt war, hohes Sargnagelpotenzial. Ihre Fähigkeit zur Fehlereinsicht ist so überschaubar wie ein Gruß aus der Küche in einer Nouvelle-Cuisine-Hütte.

      Extrem unsexy auch, wenn grauschläfige Knaben bei Telefonaten mit Muttchen dann wie Quietscheentchen flöten: »Bussi, Mamili … ich versprech‘ dir, dass ich mich warm anziehen werde, ja, bitte Marillenknödili … danke … ich dich auch.« Zu blöd aber auch, dass diese Herren nicht mit einem Warnschild »Achtung, Mamas Liebling« ausgestattet sind.

      Meine Freundin Z behauptet, dass der Kühlschrankcheck generell bei Männern ein verlässliches Spiegelbild ihrer Psyche darstellt. Die mit Fischkonserven, Psychopharmaka und Gin wären in der Regel sicheres Krisengebiet, weil ein solches Stillleben auf fehlende Liebesfähigkeit rückschließen lasse. Die Typen, die Junk wie Knabbernossis, Schokopudding und Kartoffelsalat im Glas kühl gestellt hätten, wären wiederum von der Geschmacksfee unrettbar verwunschen. Die Zwergzucchini-trifft-getrüffelten-Normandiebrie-Fraktion der Spezies der metrosexuellen Weicheier zuzuordnen.

      »Und …?«, verzweifelte ich jetzt langsam, »wann ist jetzt ein Typ liebesfähig und cool zugleich? Frischmilch und blutiges Fleisch?«

      »Woher soll ich das wissen?«, antwortete die Neo-Inhaberin des Lehrstuhls für Kühlschrankpsychologie.

      Der Wir-haben-uns-alle-lieb-Schmafu

      Abgesehen von einer Punschallergie läuft alles im lindgrünen Bereich. »Deine Gelassenheit kann einen ganz schön auf die Palme bringen,« erklärt mir Z, als ich ihr ein Tässchen Relax-Tee serviere und mit Jack Johnson einen musikalischen Streichelzoo eröffne. Z sieht aus, als ob sie die letzten Tage als Probandin für ein nordkoreanisches Schlafentziehungsfolter-programm herhalten musste.

      »Ich habe es versaut«, erklärt sie. Gestern hat sie die neue Begleiterscheinung ihres Ex kennen gelernt. Hochoffiziell, Beargwöhnungsdinner im »Finsteren Stern«. Der Kindsvater hat auf den vorweihnachtlichen Nahost-Gipfel bestanden, weil Z die Frau, die er zukünftig auch als Wochenend-Mutti für die gemeinsame Tochter zum Einsatz bringen wird, persönlich kennen lernen sollte.

      Z und ich hatten das Treffen mehrfach vorbereitet. Ich hatte Lee-Strasberg-Ambitionen mobilisiert, um ihr folgenden Satz ohne Speiseröhrenzerrung einzutrichtern: »Schön, dass wir uns kennen lernen. Ich freue mich, dass H eine Frau gefunden hat, die ihm die Kraft und Stütze gibt, die er so dringend braucht.« Z fand den Text zwar unterirdisch, aber gehorchte.

      Der Missbrauch von schwerem Rotwein als Durstlöscher im Vorfeld und die Tatsache, dass die Neue optisch das exakte Gegenteil von Z (Kleidergröße 36, ein Wühltisch von Mähne etc.) verkörperte, haben sie jedoch aus dem Konzept geworfen. Sie verdrängte ihren Text und wies noch vor dem Hauptgang darauf hin, dass die Lebenszeit des Ex aufgrund seiner Cholesterinwerte und Arterienverkalkungen durchaus überschaubar wäre und sie sich aber dennoch von Herzen freue, dass er endlich eine unbezahlte Krankenschwester gefunden hat.

      »Mir geht dieser verlogene Patchwork-wir-haben-uns-alle-lieb-Schmafu am Rettich«, sagte sie, »das bin so nicht ich.« Ich erteilte ihr die Absolution für ihr ungehöriges Verhalten. So ein Ich benimmt sich ja gerne wie ein alternder Playboy: unberechenbar, verschlagen und verzweifelt.

      Das Weihnachtsmassaker

      Das Leben in einem einzigen Lazarettzustand, denn Weihnachten ist vorbei. Überall Opfer von »friendly fire«, so der poetische US-Kriegsterminus für den Tatbestand, von den eigenen Leuten umgebracht oder verletzt zu werden. Im Krieg versehentlich, in der Liebe mit Absicht.

      E zum Beispiel hatte ein Sauerstoffcamp in meiner Wohnung aufgeschlagen. Ihre Form des »friendly fires« war ein SMS gewesen, am 22. 12. um 23 Uhr 34: »Ich kann zurzeit nicht. Alles Gute, du bist eine


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