Dr. Daniel Staffel 5 – Arztroman. Marie Francoise

Dr. Daniel Staffel 5 – Arztroman - Marie Francoise


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der anwesenden Ärzte um einen besonders sanften Ton. »Gleich wird der Doktor hier sein.«

      »Ich möchte, daß Gerrit…«, begann Rudi bittend.

      »Sei ruhig!« zischte Kurt wütend, wodurch er seine wahren Gefühle wider Willen verriet. Gleichzeitig gab er dem Jungen einen schmerzhaften Klaps auf den Mund.

      Aufgebracht wollte Dr. Scheibler dazwischengehen, doch Dr. Daniel hielt ihn zurück, drängte ihn aus dem Zimmer und schloß die Tür.

      »Ich lasse nicht zu, daß er Rudi schlägt«, brauste Dr. Scheibler auf.

      »Gerrit, beruhigen Sie sich«, bat Dr. Daniel in besänftigendem Ton.

      »Ich kann nicht! Wenn ich sehe, wie…«

      »Gerrit! Es hat doch keinen Sinn, wenn Sie hier einen Aufstand machen! Damit nützen Sie Rudi nicht – ganz im Gegenteil. Wenn Sie Herrn Gerlach noch mehr zusetzen, macht er seine Drohung womöglich wahr und läßt den Jungen in eine andere Klinik bringen. Wollen Sie das?«

      Dr. Scheibler senkte den Kopf. »Nein, natürlich nicht.«

      »Na also.« Dr. Daniel legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Ich weiß genau, was Ihnen so weh tut, und ich bin ebenfalls ein strikter Gegner von jeglichen Prügelstrafen für Kinder. Ein Klaps auf den Mund ist nicht schön, aber wenn Herr Gerlach so etwas als Erziehungsmittel einsetzt, reicht das leider noch nicht aus, um etwas dagegen zu tun.« Er schwieg einen Moment. »Wie kam es überhaupt zu einer solchen Situation? Immerhin waren Sie und die Gerlachs sich doch darin einig, daß Rudi zu Ihnen kommen kann. Warum will er plötzlich jeglichen Kontakt verbieten?«

      Dr. Scheibler seufzte, dann schilderte er Dr. Daniel in groben Zügen, was geschehen war.

      »Ich war so wütend, deshalb habe ich am Telefon wohl nicht ganz den richtigen Ton angeschlagen«, schloß er zerknirscht.

      »Na ja, daran kann man nun nichts mehr ändern«, meinte Dr. Daniel. »Vielleicht entschärft sich die Lage ja wieder, wenn Rudi erst gesund ist. Ich werde jetzt jedenfalls Dr. Bürgel anrufen.«

      »Kann man Rudi diesen Grobian denn nicht ersparen?« fragte Dr. Scheibler verzweifelt. »Wolfgang könnte sich doch als Kinderarzt ausgeben…«

      »Darauf erwarten Sie hoffentlich keine Antwort von mir«, fiel Dr. Daniel ihm ins Wort. »Sie wissen ganz genau, daß so etwas nicht möglich ist. Im übrigen mag Dr. Bürgel zwar nicht gerade der sympathischte Mensch in der Umgebung sein, als Kinderarzt aber ist er erstklassig.«

      »Er ist grob und unsensibel«, hielt Dr. Scheibler dagegen. »Die meisten Kinder weinen doch schon, wenn sie nur in seinem Wartezimmer sitzen.«

      »Daran können wir nichts ändern«, meinte Dr. Daniel. »Dr. Bürgel ist nun mal der einzige Kinderarzt hier in der Nähe.«

      »Nicht mehr lange«, mischte sich da Dr. Metzler ein, der die letzten Worte noch gehört hatte. »Ich habe nämlich erfahren, daß sich in Steinhausen demnächst ein Kinderarzt niederlassen wird. Und dabei haben wir auch noch großes Glück.« Er sah Dr. Daniel an. »Dr. Markus Leitner. Sagt dir der Name etwas?«

      »Und ob!« bekräftigte Dr. Daniel sofort. »Seine Doktorarbeit wurde im letzten Jahr veröffentlicht. Sämtliche Kinderkliniken haben sich förmlich um ihn gerissen.«

      Dr. Metzler nickte eifrig. »Richtig, aber er will in seine Heimat zurückkehren. Markus kam am gleichen Tag zur Welt wie ich – nur zwei Stunden später. Wir waren zusammen im Kindergarten und auch in der Schule. Erst als seine Eltern sich scheiden ließen und er mit seiner Mutter nach Hannover gezogen ist, haben wir uns aus den Augen verloren. Aber ich freue mich riesig, daß er bald wieder hier sein wird.«

      »Das nützt uns im Augenblick nur leider auch nicht viel weiter«, wandte Dr. Scheibler bedrückt ein. »Diesen guten Kinderarzt bräuchten wir jetzt sofort und nicht erst in ein paar Wochen.«

      »Irrtum, Gerrit«, entgegnete Dr. Metzler. »Markus wird schon ab Montag in Steinhausen praktizieren.«

      »Wenigstens etwas«, murmelte Dr. Scheibler.

      Dr. Daniel nickte. »Aber trotzdem müssen wir jetzt zunächst noch auf Dr. Bürgel zurückgreifen. Rudi hat schließlich eine möglicherweise massive Lungenentzündung. Da können wir mit der Behandlung nicht bis Montag warten.«

      Der Kinderarzt sagte dann auch zu, sofort in die Klinik zu kommen, denn schließlich wußte er ebenfalls, daß man bei Lungenentzündung nicht lange zögern durfte. Eine knappe Viertelstunde später betrat er Rudis Zimmer. Die stattliche Größe des Arztes und sein herrisches Auftreten erschreckten den Jungen, und nur die Tatsache, daß Dr. Scheibler wartend in der halboffenen Tür stand, vermochte Rudi ein wenig zu beruhigen.

      Bittend streckte er eine Hand aus. »Gerrit.«

      »Hör jetzt endlich auf damit«, fuhr Kurt ihn an. »Oder willst du noch eins auf den Mund haben?«

      »So, dann wollen wir mal«, erklärte Dr. Bürgel. »Mach deinen Mund auf und streck’ die Zunge heraus.«

      Anstandslos ließ sich Rudi in den Mund schauen, und auch das Abhören von Herz und Lunge ging reibungslos über die Bühne. Erst beim Fiebermessen zuckte Rudi erschrocken zusammen.

      »Na, na, hab’ dich nicht so«, knurrte Dr. Bürgel. »Wird ja wohl nicht das erste Mal sein, daß jemand deine Temperatur kontrolliert.«

      »Halten Sie es denn nicht für nötig, Ihrem Patienten wenigstens zu sagen, was Sie als nächstes tun werden?« mischte sich Dr. Scheibler ein, den es äußerste Beherrschung kostete, hier nicht einzugreifen. »Ein kaltes Thermometer in dieser unsensiblen Art und Weise eingeführt zu bekommen, hätte sogar einen Erwachsenen erschreckt.«

      »Meine Güte!« brauste Dr. Bürgel auf. »Da müßte ich mir ja Tag für Tag in meiner Praxis den Mund fusselig reden! Wenn der Junge das Thermometer spürt, dann weiß er, daß Fieber gemessen wird. Wozu also noch groß drumherum reden?«

      Jetzt kontrollierte er die Temperatur, dann wandte er sich Kurt zu. »Ich werde sofort eine Behandlung mit Penicillin einleiten. Der Junge bekommt jetzt eine Spritze und abends vor dem Einschlafen noch einmal. Ab morgen dann zehn Tage lang jeweils eine Injektion.«

      »Werden Sie die Behandlung persönlich durchführen?« wollte Kurt mit einem Seitenblick auf Dr. Scheibler wissen.

      Dr. Bürgel schüttelte den Kopf. »Tut mir leid, ich habe auch noch eine Praxis, und es steht für mich in keinem Verhältnis, wegen einer Penicillinspritze extra von der Kreisstadt bis hierher zu fahren. Das Klinikpersonal kann die Behandlung ebensogut durchführen.« Er nahm von der Stationsschwester die vorbereitete Spritze entgegen und zog die Schutzhülle von der Nadel, dann desinfizierte er die Einstichstelle, aber auch diesmal hielt er es nicht für nötig, Rudi in irgendeiner Weise darauf vorzubereiten.

      »Au«, wimmerte der Junge, weil die ölige Konsistenz des Medikaments in seinem Muskel ein krampfartiges Gefühl verursachte. »Gerrit! Au, das tut weh!«

      »Sei nicht so wehleidig«, fuhr Kurt ihn an und verpaßte ihm erneut einen Klaps auf den Mund.

      Dr. Scheibler ballte die Fäuste, dann verließ er rasch den Raum. Er wußte, wenn er nur noch eine Minute länger bleiben würde, würde er die Beherrschung verlieren. Doch damit könnte er Rudi und sich selbst nur schaden.

      Er hörte, wie Dr. Bürgel den Chefarzt über die Behandlung bei Rudi informierte, dann sah er Kurt Gerlach mit dem Kinderarzt weggehen. Rasch kehrte er zum Krankenzimmer zurück, setzte sich auf die Bettkante und streichelte liebevoll über Rudis blonden Wuschelkopf.

      Langsam hob der Junge sein tränenüberströmtes Gesichtchen.

      »Gerrit«, schluchzte er. »Dieser Doktor… er hat mir weh getan. Warum hast du mir nicht geholfen?«

      Das Herz tat Dr. Scheibler weh bei diesen Worten.

      »Weil ich es nicht durfte, Rudi«, antwortete er leise. »Du hast selbst gehört, was dein Onkel gesagt hat. Eigentlich dürfte ich nicht einmal jetzt mit dir sprechen.«


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