Mami Staffel 8 – Familienroman. Lisa Simon

Mami Staffel 8 – Familienroman - Lisa Simon


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faßte ihn. Er wollte gerade zu der höheren Düne gehen, um das Haus besser betrachten zu können, als er einen entsetzten Satz zur Seite machte. Er hatte auf etwas getreten, und ein ohrenbetäubender Knall war die Antwort gewesen.

      Er stutzte, machte einen Schritt und wollte das rote Etwas, was unschuldig im Sand lag, in Augenschein nehmen, als noch ein Knall losbrach.

      Knallbonbons, hatten sie als Kinder dazu gesagt. Er bückte sich und betrachtete das Corpus delicti interessiert. Aber anstatt sich zu ärgern, schmunzelte er. Er hockte auf dem Sand, spähte über den Weg und entdeckte noch drei der Dinger. Vorsichtig nahm er sie auf. Vergnügt pfeifend ging er zu seinem Haus zurück.

      Also hatte er sich die flüsternden Stimmen nicht eingebildet. Aber nicht darum war er so vergnügt. Das war also die Antwort der Kinder. Sie spielten ihm Streiche.

      Jonathan fühlte sich wunderbar belebt. Seine Augen funkelten vor Begeisterung. Von ihm aus konnte das Spiel beginnen. Er machte mit.

      Im Grunde war Jonathan, obwohl er ein berühmter Mann war, ein Kind geblieben. Ja, im Grunde seines Herzens war er noch der unternehmungslustige anlehnungsbedürftige Bub, der gern lachte und übermütig war. Nur das Leben, das er führte, gab ihm wenig Gelegenheit dazu. Jonathan war ein begeisterter Bastler. Wäre er nicht Schriftsteller geworden, dann hätte er das Ingenieurstudium ins Auge gefaßt.

      Statt zu arbeiten, bastelte er den ganzen Morgen, und dabei pfiff er begeistert vor sich hin. Aber immer wieder spähte er nach draußen. Einmal war ihm, als lugten zwischen den Dünen Gesichter. Eigentlich sollte er ihnen die Freude machen und vor Wut toben. Aber dazu hatte er keine Lust.

      Sehr auffällig nahm er am Nachmittag sein Handtuch über die Schulter.

      Die Badehose trug er in der einen Hand, in der anderen hielt er einen Beutel, aus dem ein Flaschenhals lugte. Jonathan war sicher, daß die Kinder ihn beobachteten. Sollten sie glauben, er würde den Nachmittag bei einem Picknick am Strand verbringen.

      Aber er dachte gar nicht daran. Als er sicher war, vom Haus nicht gesehen werden zu können, ließ er sich hinter eine Düne fallen. Das harte Gras stach sogar durch seine Cordhose, kratzte über seine Arme. Jonathan achtete nicht darauf. Es war, als hätte ihn das Jagdfieber gepackt.

      Er mußte nicht lange warten. Da waren sie. Geduckt wie Indianer schlichen sie über den Weg. Vermutlich hatte ihre Mutter ihnen eingeimpft, daß man in den Dünen die Wege benutzen mußte. Aber sicherlich wußte sie von den Streichen, die ihre Kinder ihm spielen wollten, nichts.

      Vier waren sie. Wie die Orgelpfeifen sahen sie auf, als sie sich aufrichteten. Sie mußten sich sehr sicher fühlen.

      Das Schauspiel lasse ich mir nicht entgehen, dachte Jonathan schmunzelnd. Gut, daß seine Freunde ihn jetzt nicht sahen. Die hätten vermutlich an seinem Verstand gezweifelt.

      Auf allen vieren kroch er über den Sand, über Steine und Gräser und versuchte, so rasch und lautlos wie nur möglich voran zu kommen. Er duckte sich und spähte zu seinem Haus hinüber.

      Sie hatten das Törchen erreicht. Er hörte ihre Stimmen, obwohl sie sich bemühten leise zu sprechen.

      »Meinst du, er hat einen Hund?« Der lang aufgeschossene Bengel tippte gegen seine Stirn.

      »Der doch nicht. Du bist wohl nicht ganz dicht. Der liebt doch nichts, was Geräusche macht.«

      Lea streckte dem Bruder wütend die Zunge aus. Jonathan fühlte sich lächerlich gerührt.

      »Du kennst ihn ja gar nicht, du hörst mir ja überhaupt nicht zu. Er ist nett, das ist mal sicher.«

      »Ach, halt die Klappe«, zischte der Bub mit den borstigen blonden Haaren. »Wir bringen deinen Freund ja nicht um, wir wollen doch nur, daß er die Nase voll hat und abhaut.«

      »Wahrscheinlich kreuzt er heute abend bei uns auf und beschwert sich bei Susanne über uns«, höhnte die Kleine mit den blonden Zöpfen. »Aber er kann ja nichts beweisen, niemand weiß, daß wir es waren. Es können genauso Kinder aus dem Dorf gewesen sein.«

      »Wehe, du verpetzt uns, Karsten. Dann wirst du was erleben, dann wirst du aus unserem Club rausgeschmissen, das ist mal sicher. Und jetzt hört auf zu quatschen. Wir haben zwar massenhaft Zeit, der Typ wird bestimmt bis abens am Strand bleiben.«

      »Ich glaub aber nicht, daß der ins Wasser geht«, höhnte die Bezopfte . »Menschen die so pingelig sind wie der, sind wasserscheu.«

      »Hier, halt mal den Topf«, befahl der Große dem Blonden und trat auf den Stein. Im selben Moment strömte das Wasser. Es schien aus allen Ecken zu kommen. Die Kinder standen einen Moment wie erstarrt, dann schrien sie vor Schrecken.

      »Es ist nur Wasser«, erklärte Jonathan. Unbemerkt von den Kindern war er herangekommen. Breitbeinig stand er da, Handtuch, Badehose und Tasche in der Hand. »Wenn ihr genug geduscht habt, könnt ihr den Hahn zudrehen. Er ist am Haus.«

      Der Große funkelte ihn wütend an. Aber Jonathan war es, als glitzerte auch ein wenig Überraschung und Respekt in seinen Augen.

      »Wie hast du das denn gemacht«, staunte Lea. Das Wasser versickerte und jetzt sah man den dunklen Schlauch.

      »Das ist keine Hexerei, ich mußte nur ein wenig basteln. Man kann das Ergebnis auch als Rasensprenger benutzen. Aber jetzt hat es auch seinen Dienst getan.«

      Er verbiß sich ein Lachen, beinahe hatte er Mitleid mit den geschlagenen Helden. »Was für einen Streich wolltet ihr mir denn jetzt spielen? Die Sache mit den Knallfröschen ist so alt wie Methusalem. Wir nannten sie früher Knallbonbons.«

      Das Wasser lief dem Mädchen mit den Zöpfen aus den Haaren, und alle hatten keinen trockenen Faden am Körper.

      »Das wollen wir gar nicht wissen«, funkelte ihn der Blonde an, blaue Augen hatte er, die sehr an seine Mutter erinnerten.

      »Wollt ihr ins Haus kommen und euch abtrocknen?«

      »Nee«, die Bezopfte zischte wie eine kleine Schlange. »Glauben Sie ja nicht, daß Sie gewonnen haben. Wenn das jetzt auch schief gegangen ist, was wir vorhatten, ist doch längst noch nicht aller Tage Abend.«

      »Du verfügst über einen außergewöhnlichen Wortschatz«, behauptete der Mann liebenswürdig. Er stand noch immer da und versperrte ihnen den Weg.

      »Sie brauchen sich überhaupt nicht lustig über uns zu machen«, fuhr ihn der Blonde an.

      »Du weißt ja noch nicht, wie meine Geschwister heißen.« Lea machte ein Gesicht, als wollte sie weinen. »Sie sind sonst überhaupt nicht so eklig, das mußt du glauben. Wir sind nur wütend auf dich, weil du Susanne geärgert hast.«

      »Und weil Sie wollen, daß wir ausziehen«, erklärte die Bezopfte.

      »Das ist Johann, und das Thomas, und das Laura. Fridolin ist mit Susanne ins Dorf gefahren.«

      »Das hat ihn gar nicht zu interessieren«, fuhr Thomas die Schwester wütend an. »Bist du noch solch ein Säugling, daß du ihn duzt?«

      »Ich möchte zuerst einmal etwas richtig stellen«, erklärte Jonathan noch immer liebenswürdig. Er sprach mit ihnen, als wären sie erwachsen, selbst Jonathan mußte ihn ganz nett finden, ob er es nun wollte oder nicht. Und er wollte es ganz sicher nicht. Es war so schön, einen Feind in der Nähe zu haben, dem man Streiche spielen konnte. Und der Typ war offensichtlich nicht der Mann, der zu Susanne lief und petzte.

      »Ich will keineswegs, daß ihr auszieht. Ich habe mich nur über den plötzlich aufkommenden Lärm beschwert.«

      »Na also«, erklärte Johann befriedigt. »Jetzt geben Sie es ja zu, daß Sie sich von uns gestört fühlen. Komm, hauen wir ab. Für jetzt räumen wir das Feld.« Er funkelte den Mann wütend an. Braune Augen hatte er. Wenn er erwachsen war, würde er ein markantes Gesicht haben. »Aber glauben Sie nicht, daß Sie gewonnen haben. Uns wird schon was einfallen, verlassen Sie sich darauf.«

      Wenn er geglaubt hatte, daß der Mann wütend wurde, dann hatte Johann sich getäuscht. Der Kerl sah aus, als machte


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