Toni der Hüttenwirt Paket 3 – Heimatroman. Friederike von Buchner

Toni der Hüttenwirt Paket 3 – Heimatroman - Friederike von Buchner


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errötete etwas. Sie fühlte sich ertappt.

      »Welche Bedenken hast du? Du zweifelst doch hoffentlich nicht an dir? Du bist die Beste. Ich gehe in einem halben Jahr in Rente. Im nächsten Monat beginnt ein Kurs für Leitungsaufgaben. Er dauert drei Monate. Der hohe Chef will von mir wissen, ob du Interesse hast. Er hat schon alles mit der Oberschwester beredet. Sie hält dich auch für talentiert. Meine Beurteilungen über dich sind entsprechend ausgefallen. Wir wundern uns alle, dass du dich nie zu deinen Karriereplänen geäußert hast.«

      »Ich habe keine Karrierepläne!«

      »Aber warum nicht? Du bist so gut! Du kannst es weit bringen!« Und mit ernstem Blick fügte sie hinzu: »Wenn du nur willst! Sei nicht so bescheiden.«

      Lotti biss ein Stück vom Kuchen ab und kaute betont langsam, um Zeit zum Nachdenken zu haben.

      »Ich habe nie daran gedacht, Karriere zu machen. Ich bin gern Säuglingsschwester. Ich habe den Beruf gewählt, weil ich Kinder über alles liebe. Ich hoffte, eines Tages selbst Kinder zu haben. Bis dorthin wollte ich arbeiten gehen und mich danach ganz der Familie und meinen eigenen Kindern widmen. Doch für eigene Kinder brauche ich einen Vater, und der ist nicht in Sicht.«

      Lotti seufzte.

      »Vielleicht sollte ich meine Lebensziele, Mann, Familie, Kinder aufgeben. Soll ich mich stattdessen ganz dem Beruf verschreiben? Macht eine berufliche Karriere glücklich? Gibt sie mir das Gefühl, das ich mir von einem Mann, von einer Familie, von eigenen Kinder erhofft hatte?«

      »Lotti, die Fragen kannst du dir nur selbst beantworten. Mich darfst du nicht fragen. Ich will dich darin nicht beeinflussen.«

      »Viele Krankenschwestern, die Karriere gemacht haben, sind ledig, die Oberschwester, die Hebammen und viele der Stationsschwestern hier im Krankenhaus sind ungebunden.«

      »Das kann Zufall sein, Lotti! Es war doch nicht so, denke ich mir, dass sie sich gegen einen Mann entschieden haben. Sie haben einfach nicht den Richtigen getroffen. Das ist Schicksal. Aber ich denke, du sieht das aus einem falschen Blickwinkel. Auch wenn du Familie hast, kannst du Karriere machen. Dass eine Frau heute berufstätig ist, wird doch akzeptiert und ist oft auf notwendig für den Unterhalt der Familie. Es heißt doch nicht mehr, entweder Familie oder Beruf, sondern Familie und Beruf. Du bist tüchtig. Du schaffst beides. Überlege es dir, Lotti. Ich würde dich gerne als meine Nachfolgerin sehen.«

      »Traudel, bis wann muss ich mich entscheiden?«

      »Je schneller, desto besser. So will ich es mal sagen. Das Gespräch, das wir hier führen, ist vertraulich. Der Chefarzt und die Oberin baten mich«, sie lächelte Lotti an. »Sie baten mich, dich dazu zu bringen, dass du nächste Woche deine Papiere, deine Bewerbung für den Posten, offiziell abgibst. Du verstehst?«

      »Ja, ich begreife das schon. Es ist eine wunderbare Chance. Aber ich bin im Augenblick nur überwältigt von dem Vertrauen, das man mir entgegenbringt. Es kommt überraschend für mich.«

      »Dann denke darüber nach und wäge ab. Du hast übrigens noch so viele Überstunden abzubummeln. Wir haben im Augenblick Vollbesetzung. Niemand ist krank. Nimm dir den Rest der Woche frei. Dann hast du Ruhe, um über dich selbst, deine Lebensziele und das Angebot nachzudenken.«

      Sie schaute auf die Uhr. Die Pause ging zu Ende.

      »Gut, dann bummele ich meine Überstunden ab. Das passt gut. Ich habe im Augenblick die Schweine auf unserem Hof zu versorgen. Mein Vater begleitet meine Mutter für einige Tage. Ihrem Vater geht es gesundheitlich nicht gut. Alle sind sehr besorgt. Außerdem ist es ein weiter Weg, fast dreihundert Kilometer, bis zu ihrem Elternhaus, für meine Mutter. Das ist schlecht, jeden Tag zu fahren, besonders wenn Stau ist. Deshalb hat sich meine Mutter mit ihren Geschwistern geeinigt. Sie wechseln sich ab. Meine Mutter hat vier Brüder. Die fünf schauen wochenweise nach den Eltern und helfen bei der Pflege des Vaters. Ich hoffe, es geht ihm bald besser.«

      »Was hat er?«

      »Oh, er ist einfach alt und schwach und ein Sturkopf dazu, der seine Medikamente nicht nehmen will.«

      »Warum hast du nicht früher mit mir darüber gesprochen, Lotti? Ich hätte den Dienstplan umgestellt und du hättest deine Überstunden genommen.«

      »Ach, das wollte ich nicht.«

      Sie tranken ihren Kaffee aus und gingen zurück ins Gebäude.

      *

      Nach dem Dienst im Kirchwaldener Krankenhaus fuhr Lotti direkt heim auf den Hof. Sie zog ihre alten Jeans, ein T-Shirt und Gummistiefel an. Sie steckte ihre schulterlangen dunklen Haare auf und band ein Kopftuch um. So ging sie in den Stall. Der Schweinestall war vor zehn Jahren gebaut worden. Lottis Vater hatte damals auf Schweinezucht und Schweinemast umgestellt, als die Milchpreise in den Keller gesackt waren. Der Stall war sehr modern und hatte eine computergesteuerte Fütterungsanlage. Lottis Vater Hartmut war auf seinen Stall sehr stolz. Er hielt die Technik immer auf den neusten Stand.

      Lotti schritt alle Stallabschnitte ab und schaute nach, ob kein Tier einen kranken Eindruck machte. Im Technikraum überprüfte sie an den Anzeigen die Menge der Futtermittel. Ihr Vater hatte ihr für die Tage seiner Abwesenheit eine Liste geschrieben. Wie eine Pilotin, die vor jedem Flug die Checkliste durchging, arbeitete Lotti gewissenhaft jeden Punkt ab. Der Rundgang dauerte zwei Stunden.

      Lotti war damit fertig. Sie ging über den Hof und streichelte die buntgemusterte Hauskatze, die in der Sonne mit ihren Jungen spielte. Ein Auto, es war ein größerer Kombi, fuhr auf den Hof und hielt. Ein Mann stieg aus.

      Lotti fiel sofort auf, dass der Wagen ein ausländisches Nummernschild hatte. Da hat sich mal wieder jemand verfahren, dachte sie. Ein Mann mittleren Alters stieg aus und sah in ihre Richtung. Dann schaute er zum Haus hinüber.

      Lotti ging auf ihn zu. Er nickte.

      »Grüß Gott!«, sagte sie.

      »Guten Tag! Ist der Bauer hier? Ich suche Herrn Kirchner.«

      »Das ist mein Vater, Hartmut Kirchner. Ich bin Lotti, seine Tochter. Mein Vater ist nicht hier!«

      Der Mann schaute auf die Uhr.

      »Wann kommt er wieder?«

      Lottis Gefühl sagte ihr, dass sie vorsichtig sein sollte. Ihr Gegenüber sprach zwar Deutsch mit nur leichtem Akzent, aber Lotti hatte ein ungutes Gefühl, dass sie sich nicht erklären konnte.

      »Es kann noch dauern. Hatten Sie einen Termin, Herr …«

      Lotti erwartete, dass er seinen Namen nennen würde. Das tat er aber nicht.

      »Schade«, sagte er stattdessen. »Ihr Vater hat mich letzte Woche angerufen. Ich versprach, vorbeizukommen, sobald ich in der Nähe bin. Dann muss ich es morgen noch einmal versuchen. Es ist schade.«

      »Wenn ich Ihnen helfen kann? Um was geht es?«

      Der Mann zögerte einen Augenblick.

      »Es geht um Futtermittel, die ihr Vater bestellt hat. Ich wollte sie ihm bringen.«

      »Dann lassen Sie sie hier! Ich gebe sie meinem Vater.«

      Der Mann rieb sich das Kinn.

      »Ist Ihr Vater über Handy zu erreichen?«

      Lotti nickte und gab dem Fremden die Handynummer ihres Vaters. Sie hörte genau zu, was er zu ihrem Vater sagte und wie er mit ihm sprach. Es kam ihr vor, als wären die beiden alte Freunde.

      »Ja, dann gebe ich es deiner Tochter. Das Finanzielle machen wir dann beim nächsten Mal, wenn ich in drei Wochen komme. Mach’s gut, Hartmut.«

      »So, es ist alles geregelt!«, sagte der Fremde mit einem zufriedenen Ausdruck auf seinem Gesicht.

      Lotti sah zu, wie er die Ladefläche öffnete. Er holte einen kleinen brauen Karton heraus. Er war länglich und nicht sehr groß. Er war mit Klebeband verschlossen und hatte ein weißes Etikett, auf dem eine Nummer stand. Er gab Lotti den Karton. Er war nicht sehr schwer. Lotti schätzte ihn auf ein bis zwei Kilo.

      »Ist


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