Toni der Hüttenwirt Paket 3 – Heimatroman. Friederike von Buchner
er net? Des klingt, als sei die Batterie leer!«
»Grüß Gott! Sascha, dich schickt der Himmel. Ich muss dringend einen Hausbesuch machen. Kannst mich hinfahren?«
»Sicher, Hochwürden. Steigen Sie ein. Wo müssen Sie hin?«
»Zum Kirchner Hof! Ich hab’s sehr eilig.«
Pfarrer Zandler ließ sein Auto am Straßenrand stehen und stieg zu Sascha ins Auto. Dieser fuhr los.
»Der Kirchner Hof liegt sogar auf dem Weg. Ist was net in Ordnung bei den Kirchners?«
»Ich weiß net, Sascha. Die Lotti hat mich eben angerufen und mich gebeten, sofort zu kommen. Des Madl war ganz verwirrt. Des ist sonst gar net ihre Art.«
»Mei, des hört sich net gut an.«
Sie fuhren die Hauptstraße entlang und bogen in eine Seitenstraße ein, die weit in die Felder führte. Eines der letzten Gehöfte war der Kirchner Hof. Danach kam nur noch Saschas Elternhaus.
Sascha hielt auf der Straße an. Der Geistliche stieg aus.
»Wenn Sie Hilfe brauchen, rufen Sie an, Herr Pfarrer!«
»Danke, Sascha!«
»Ja und sagen Sie der Lotti einen schönen Gruß von mir!«
»Werde ich, aber ich denke net, dass sie dafür Ohren hat.«
Pfarrer Zandler stieg aus.
Er ging mit großen Schritten auf die Haustür zu. Lotti kam ihm entgegen.
»Grüß Gott! Danke, dass Sie gekommen sind. Ich muss Ihnen am Telefon etwas hysterisch vorgekommen sein.«
»Grüß Gott, Lotti! Vielleicht ein bisserl aufgeregt«, spielte Zandler es herunter.
Er schaute Lotti an und fand, dass das Madl sehr blass war. Er spürte ihr leichtes Zittern, als er ihr die Hand gab.
»Jetzt bin ich da, und du schüttest mir dein Herz aus. Dann sehen wir gemeinsam, was wir machen können. Jetzt gehen wir erst mal ins Haus.«
Sie gingen hinein. Pfarrer Zandler war über Lottis Aussehen sehr besorgt.
»Hier, Madl! Ich habe dir Ellas Kräuterteemischung mitgebracht. Du machst dir jetzt einen schönen Tee. Du brauchst etwas zur Stärkung, so blass und elend, wie du aussehen tust.«
Lotti wollte nicht darauf eingehen. Aber Pfarrer Zandler bestand darauf. So saßen sie bald am Tisch. Lotti trank ihren Tee mit viel Honig und erzählte Pfarrer Zandler, wie sich alles zugetragen hatte, seit dem Augenblick, als dieser Jean auf den Hof gekommen war. Sie berichtete ihm von ihrem Gefühl, dass sie schließlich dazu verführt hatte, neugierig zu sein. Sie sprach davon, dass sie fast zu einhundert Prozent davon überzeugt sei, dass ihr Vater den Schweinen etwas zu fressen gab, das nicht erlaubt war.
»Genaues weiß ich erst, wenn das Zeug untersucht ist. Unsere Tierärztin hat ein gutes Labor in ihrer Praxis. Aber ich kann ihr die Probe nicht bringen. Wenn es wirklich ein verbotenes Mastmittel ist, dann muss sie es der Behörde in Kirchwalden melden. Und sie wird wissen wollen, woher ich des Zeugs habe. Das kann ich doch net machen, Herr Pfarrer. Aber nix tun, wäre genau so schlimm. Ich bin Säuglingsschwester und habe gelernt, wie gefährlich diese Mastmittel für die Gesundheit sein können. Sie können die Kinder schädigen und die Gesundheit von Erwachsenen auch. Wenn Sie mir nicht glauben, dann können Sie des im Internet nachlesen. Ich übertreibe nicht. Deshalb ist das Zeug verboten. Und jetzt habe ich den Verdacht, dass der Vater heimlich unsere Säue damit füttert, es in die Futtermaschine mischt.«
»Des ist ein schwerwiegender Verdacht. Wenn so etwas bei einer Kontrolle herauskommt, dann steht ihr vor dem Nichts!«
»Des ist es doch, Pfarrer Zandler! Mit einem Schlag wäre der Hof zerstört. Obwohl ich net viel Hoffnung habe, dass es nur harmloses Vitaminpulver ist, will ich es genau wissen. Deshalb habe ich mir gedacht, dass Sie die Probe zur Tierärztin bringen könnten und Sie Beate bitten, diese in ihrem Labor zu untersuchen. Wenn unsere Viehdoktorin herausfindet, dass es wirklich schlimmes Zeug ist, dann muss ich mit dem Vater reden, dass er sofort damit aufhört.«
»Ich verstehe. Du denkst, dass die Beate von mir als Geistlichen net fordern kann, dass ich sage, woher ich die Probe habe.«
»Genau!«
»Bist ein schlaues Madl, Lotti. Des hast dir fein ausgedacht.«
Lotti trank einen Schluck Tee. Sie schüttelte den Kopf.
»Dabei haben mir die Engel vom ›Engelssteig‹ geholfen. Ich habe mit denen geredet.«
»Des hast gut gemacht. Die Engel beschützen uns.«
»Haben Sie gesehen, dass heute Abend eine kleine Wolke über dem Gipfel des ›Höllentor‹ zu sehen war?«
»Ja, ich habe sie auch gesehen.«
Pfarrer Zandler betrachtete die kleine Probe in dem Marmeladenglas.
»Ich werde die Beate bitten, das zu untersuchen. Vielleicht macht sie es sofort, vielleicht erst morgen. Bis dorthin sagst du zu niemandem ein Wort!«
»Der Vater will bald mit der Mutter wiederkommen. Dem Großvater soll es besser gehen. Ich wäre froh, wenn die Beate es schnell machen würde.«
»Ja, nun hab’ Geduld.«
Er überlegte. Dann stand er auf und ging zum Telefon.
Er rief die Tierärztin an und sprach mit ihr. Lotti lauschte. Zandler legte auf.
»Also, die Beate hat gesagt, ich kann die Substanz vorbeibringen. Es wird aber einige Stunden dauern. Einen Schnelltest kann sie nur mit Tierausscheidungen machen. Wie ist es? Kannst du etwas abfüllen?«
»Des ist zu machen.«
Sie gingen zusammen in den Stall. »Lotti, packe dir einige Sachen zusammen. Ich nehme dich mit ins Pfarrhaus. Du kannst heute Nacht dort nächtigen. Ich bleibe bei der Beate, bis sie alles untersucht hat.«
Lotti packte schnell ihre Sachen zusammen. Dann fuhren sie mit Lottis Auto zurück ins Dorf. Pfarrer Zandler brachte Lotti ins Pfarrhaus. Helene Träutlein war von ihrem Besuch in Kirchwalden zurück. Sie stellte keine Fragen und gab Lotti eines der Gästezimmer.
»Du versuchst zu schlafen, Lotti! Wenn du dir vor lauter Sorgen die Gesundheit ruinierst, dann hat niemand etwas davon.«
»Ich will es versuchen«, versprach Lotti.
Pfarrer Zandler ließ sie alleine und ging die wenigen Schritte zur Tierarztpraxis zu Fuß.
*
Die Tierärztin von Waldkogel, Doktor Beate Brand, machte sich sofort an die Arbeit. Pfarrer Zandler saß im Labor dabei. Sie unterhielten sich, während die Viehdoktorin, wie sie liebevoll genannt wurde, die Proben untersuchte.
»Des schaut nicht gut aus, Herr Pfarrer. Die Untersuchung des Pulvers dauert zwei Stunden. Wollen Sie warten?«
»Ja!«, sagte er mit fester Stimme.
»Und was machen Sie, wenn wir es genau herausgefunden haben?«
»Ich werde alles tun, damit der Bauer damit aufhört, Beate.«
Beate lächelte.
»Warum schmunzelst, Beate? Glaubst net, dass mir des gelingt?«
Während Beate auf die chemische Reaktion wartete, was einige Zeit dauern würde, gingen sie ins Wohnzimmer.
»Wissen Sie, Herr Pfarrer, das ist nicht so einfach mit dem Aufhören. Die Leute, die das verkaufen, die gehören hinter Schloss und Riegel. Sie verkaufen nicht nur illegale Substanzen. Sie erpressen auch die Bauern. Hat einmal einer etwas gekauft, dann haben sie ihn in der Hand. Er kann nicht aufhören, zu kaufen. Sie könnten ihn anonym anzeigen. Damit drohen die Gangster. Das sind üble Burschen, die zu einer großen Organisation gehören. In einem tierärztlichen Fachblatt stand neulich, dass man annimmt, im Jahr werden damit allein in Europa vier Milliarden Euros gemacht.«