Toni der Hüttenwirt Paket 3 – Heimatroman. Friederike von Buchner
mehrere tausend Euro. Sie kassieren bar. Das Geld wird durch verschiedene Kanäle der Geldwäsche geschleust.«
»Und wie ist des mit den Kontrollen, Fleischkontrollen und so weiter?«
»Unsere Kontrollen sind gut. Es werden immer wieder Stichproben gemacht. Die veterinärmedizinischen Untersuchungsämter machen gute und erfolgreiche Arbeit. Aber …«, sie brach ab.
»Willst sagen, dass es schwarze Schafe gibt und Mittel und Wege, um durchzukommen?«
Beate warf ihm einen Blick zu.
»Die Sache hat immer zwei Seiten. Die Verbraucher wollen immer mehr und immer billigeres Fleisch und preisgünstige Wurst. Da wird eine Lawine losgetreten. Die Mastbetriebe bekommen immer weniger für ein Kilo Fleisch und müssen auf der anderen Seite viel in moderne Betriebe investieren. Oft geht es um die Existenz. Bevor sie untergehen, greifen sie bei den ›Autobahndocs‹ zu.«
»Was sind ›Autobahndocs‹?«, fragte der Pfarrer.
»So nennt man die Händler, die auf Rastplätzen das Zeug aus dem Auto heraus verkaufen. Da werden auch andere Substanzen verkauft, Hormone zum Spritzen und Beruhigungsmittel.«
»Sei still, Beate, ich will nix mehr hören, sonst werde ich auf der Stelle zum Vegetarier.«
Die Tierärztin lachte laut.
»Das ist doch Unsinn. Ich frage Sie nicht, wer Ihnen das Zeug zugespielt hat. Aber das Fleisch und die Wurst, die wir essen, sind sicher. Die Kontrollen sind gut. Es werden alle gefunden und entdeckt. Ich nehme an, dass Sie wissen, wer das Zeug verfüttert. Reden Sie ihm ins Gewissen. Er soll aufhören, bevor es zu spät ist, bevor es zum Skandal in Waldkogel kommt.«
Beate ging ins Labor, um nach den chemischen Reaktionen zu sehen. Sie kam mit einem Zettel zurück.
»Wie ich es mir dachte, es ist eine verbotene Substanz!«
»Himmel, des ist schrecklich!«
»Ja, es ist schlimm. Eigentlich muss ich so etwas melden. Aber ich gebe demjenigen eine Frist. Ich warte eine Woche mit der Anzeige. Ich werde nicht sagen, woher ich den Tipp habe. Ich habe anonym einen Hinweis bekommen. Die Behörde wird dann in Waldkogel und Umgebung Untersuchungen anstellen. Das wird dann einen richtigen Skandal geben. Jeder landwirtschaftliche Betrieb wird dann untersucht und bis zum Vorliegen der Ergebnisse gesperrt. Der Bauer soll damit aufhören und zu mir kommen! Ich untersuche alle seine Tiere. Ich nehme ihnen Blut ab und teste es. Dann sehen wir weiter. Ich will niemanden zu Grunde richten und bin bereit, zu helfen, wo ich kann. Wenn er von seinem Lieferanten unter Druck gesetzt wird, dann finden wir auch einen Weg. Ich habe auch darin Erfahrung. Hauptsache, die Tiere kommen wieder in Ordnung.«
»Ist des möglich, Beate?«
»Ja, es ist wie beim Doping im Sport, Herr Pfarrer. Wenn die Sportler rechtzeitig vor Wettkämpfen damit aufhören, haben sie nichts mehr im Blut oder im Urin. Das Zeug ist wieder aus dem Körper heraus. Es wurde ausgeschieden. Es ist nicht mehr nachweisbar, und es gibt keine messbaren Rückstände mehr.«
»Ah, ich verstehe, soweit ich das als Laie verstehen kann. Was macht das Zeug bei den Tieren, Beate?«
»Sie bekommen mehr Muskeln und weniger Speck, wachsen schneller. Sie verhalten sich ruhiger, was bei der Mastviehhaltung vorteilhaft ist.«
»Beate, sei still, ich will nix mehr hören!«
»Ich bin gleich still. Nur noch eine Vermutung zum Schluss. Es gibt wenig schwarze Schafe bei uns, vermute ich. Vielleicht ist es nur dieser. Das bekommen wir in den Griff. Wissen Sie, irgendwie habe ich Mitleid mit dem Bauern. Ich komme täglich auf die Höfe und sehe, wie sich manche plagen. Die Menschen sind net schlecht, sie sind nur oft verzweifelt, und dann entscheiden sie sich für den falschen Weg. Dann reitet sie der Teufel.«
»Das hast schön gesagt, Beate. Als Seelsorger könnte ich des net besser gesagt haben.«
Pfarrer Zandler schaute auf die Uhr. Es war nach Mitternacht.
»Beate, es wird Zeit, zu gehen. Danke für deine Hilfe. Vergelt’s dir Gott!«
»Ihnen viel Erfolg, bei dieser speziellen seelsorgerischen Arbeit, Herr Pfarrer! Sollten Sie Unterstützung brauchen, dann sagen Sie mir Bescheid.«
»Das werde ich, Beate! Wir halten doch zusammen hier in Waldkogel.«
»Ja, das tun wir. Deshalb bin ich so gern Tierärztin hier.«
»Und ich Seelsorger!«
Beate brachte den Geistlichen zur Tür. Sie sah ihm nach. Das war nicht einfach für unseren guten Pfarrer, dachte Beate. Er hat Einblicke bekommen, die auch er erst einmal verarbeiten muss.
Aber nicht nur Pfarrer Zandler war aufgewühlt. Auch die Tierärztin Doktor Beate Brand lag noch etwas wach. Sie dachte nach und ging in Gedanken alle Höfe durch, die Mastvieh hatten. Es waren nicht viele in Waldkogel. Beate hatte einen Verdacht. Doch sie wollte erst einmal abwarten.
*
Pfarrer Zandler hatte Lotti in der Nacht schlafen lassen und erst am nächsten Morgen mit ihr geredet. Lotti besuchte an diesem Tag die Frühmesse und bat um himmlischen Beistand. Sie zündete vor dem Heiligenbild der Mutter Gottes eine große Kerze an, bevor sie heim auf den Hof fuhr. Ihr Herz war schwer. Ich werde mir die Worte genau überlegen müssen, die ich zu Vater sage. Auch muss ich entscheiden, ob ich mit ihm alleine rede oder zusammen mit Mutter. Doch erst muss ich herausfinden, ob Mutter etwas davon weiß. Auf dem Weg zum Kirchner Hof tröstete sich Lotti mit dem Gedanken, dass sie sich den Tag über alles in Ruhe überlegen konnte. Außerdem hatte Pfarrer Zandler ihr seine Unterstützung zugesagt. Ich kann ihn jederzeit anrufen. Er kommt sofort auf den Hof, um mich zu unterstützen. Durch diese Zusage fühlte sich Lotti gestärkt.
Sie schaute hinauf zum Gipfel des ›Höllentor‹. Mit Entsetzen sah sie, dass die kleine schwarze Wolke noch immer über dem Gipfel stand.
»Das gefällt mir nicht, nein, das gefällt mir nicht«, sagte sie laut vor sich hin.
Sie fuhr weiter die Straße entlang und sah von weitem zwei Männer auf der Höhe des Kirchnerhofes stehen. Als sie näherkam, sah sie, dass es Sascha Schweiger und ein Bauer aus dem Dorf waren. Sascha trug Wanderkleidung und hatte einen Rucksack auf dem Rücken. Er winkte Lotti freundlich zu, als sie langsam im Auto an ihm vorbeifuhr.
Auf dem Kirchner Hof stand der Geländewagen ihrer Eltern. Lotti erschrak. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass sie schon daheim waren.
Ihr Vater kam aus dem Haus. Er hatte einen hochroten Kopf. Ohne Lotti zu grüßen, fuhr es sie an:
»Wo kommst du her? Wo hast du dich heute Nacht herumgetrieben? Brauchst gar nicht zu leugnen! Dein Bett war unberührt, und im Stall bist auch noch nicht gewesen. Wo kommst du also her? Ich bin sehr enttäuscht! Bist wohl jetzt eine Herumtreiberin geworden. Deine Mutter ist fast umgekommen vor Sorge. Wir wollten schon die Polizei verständigen«, brüllte er.
Lotti war so baff, das sie wortlos ihre kleine Reisetasche nahm und an ihm vorbei ins Haus ging.
Er folgte ihr und knallte die Haustür zu.
»Da bist du ja, Madl!«, seufzte ihre Mutter. »Wo bist du gewesen?«
Lotti sah das ehrlich besorgte Gesicht ihrer Mutter. Sie ging zu ihr und gab ihr einen Kuss.
»Schön, dass du wieder da bist, Mutter!«
Ihr Vater stand mitten in der Wohnküche und stemmte die Hände in die Seite.
»Nun red’ schon, Lotti! Wie lange soll ich noch auf eine Antwort warten? Solange du noch daheim wohnst, bist du uns eine Erklärung schuldig.«
»Lothar, nun mal langsam! Du lässt des Madl doch gar net zu Wort kommen«, warf Burgl Kirchner ein.
»So lange die Lotti noch ihre Füße unter unseren Tisch streckt, solange hat sie sich hier einzuordnen. Des war schon immer so, des wird auch so bleiben. Da lasse ich nicht mit mir reden«, donnerte er.
Lotti kannte