Star Trek - The Next Generation: Vorhandenes Licht. Dayton Ward
fragte Worf.
»Das kann ich nicht beantworten, Sir«, erwiderte die Wissenschaftsoffizierin. »Zumindest noch nicht … Die Sensoren haben größere Schäden an der Front und den Seiten festgestellt. Möglicherweise ist das Schiff in einen Ionensturm geraten, es gibt allerdings auch Anzeichen für Zusammenstöße mit Meteoriten oder Asteroiden. Das muss Jahrzehnte her sein.«
»Sieht ganz so aus, als seien wir auf ein neues Mysterium gestoßen.« Picard warf Worf einen Seitenblick zu. Er konnte es sich nicht verkneifen hinzuzufügen: »Und wir wissen ja, wie problemlos die immer zu lüften sind.«
Der Klingone brummte nur leise.
Tatsächlich freute sich Picard über die Stimmung, die mit einem Mal auf der Brücke herrschte. In den letzten Wochen waren die Schichten reine Routine gewesen. Die Besatzung der Enterprise kartografierte noch immer den Odysseeischen Pass, und seit die Wahrheit über Sektion 31 ans Licht gekommen war – und über Picards eigene Rolle in der Zife-Affäre –, war kaum etwas geschehen, das die Aufmerksamkeit der Führungsoffiziere beansprucht hätte.
Dies hier, dachte er, war genau das, was er und seine Crew brauchten. Ein faszinierendes Rätsel, das es zu studieren und zu lösen galt. Welche Geheimnisse barg dieses Schiff? Wer hatte es entworfen und gebaut? War es verlassen worden oder nie bemannt gewesen? Wo waren diejenigen, die es geschaffen hatten, welches noch unentdeckte Sonnensystem war die Wiege ihrer Zivilisation? Wenn der Herkunftsort des fremden Schiffs bestimmt werden konnte, würde die Enterprise vielleicht erneut Gelegenheit bekommen, Kontakt zu einem Volk herzustellen, von dessen Existenz die Föderation bisher nichts gewusst hatte … Picards Puls beschleunigte sich beim bloßen Gedanken daran.
Wir sind wieder Entdecker!
»Wir erreichen das Schiff in nicht einmal einer Minute, Captain«, meldete Faur.
»Die Messergebnisse werden immer klarer, Sir«, sagte Elfiki. »Die Sensoren können jetzt an mehreren Punkten die Hülle durchdringen. Das Schiff ist eindeutig mit einem Überlichtantrieb ausgestattet. Wie die Hauptenergieversorgung ist der Antrieb jedoch abgeschaltet. Große Bereiche im Hauptteil des Schiffs – zumindest glaube ich, dass es der Hauptteil ist – sind abgeschirmt, und unsere Sensoren schaffen es nicht, die Schilde zu durchdringen.«
»Lässt sich mittlerweile sagen, wozu diese Erhebungen nütze sind?«, fragte Worf.
»Das sind Solarenergie-Kollektoren, Sir. Sie speisen die gesammelte Energie in ein Verteilernetz ein, das einen ausgeklügelten Eindruck macht … Ich kann die Leitungen durch das Schiff verfolgen.«
Picard erhob sich von seinem Kommandosessel und trat an der Steuer- und der Ops-Konsole vorbei. Vor Faur und Dygan blieb er stehen. Er verschränkte die Arme und betrachtete das Schiff auf dem Hauptschirm. Die neuen Daten, die die Sensoren der Enterprise fortwährend lieferten, ermöglichten eine vollständigere Darstellung des scheinbaren Wracks.
»Arbeiten die Kollektoren?«, fragte Picard.
»Die meisten ja, Sir. Ein paar sind ausgefallen, entweder weil sie beschädigt wurden oder aufgrund eines anderen Problems, das ich noch nicht identifizieren kann. Offenbar kommt da drüben nur über die Kollektoren Energie rein … Natürlich sammeln sie nicht viel, solange kein Sonnensystem in Reichweite ist. Jetzt sind wir nah genug, dass ich einen sehr niedrigen Energieverbrauch feststellen kann. Wahrscheinlich automatisierte Kontroll- und Wartungssysteme.«
Sie hielt inne, und Picard wandte sich zu ihr um. Sie schüttelte den Kopf, ehe sie fortfuhr:
»Sieht so aus, als würde eine Menge Aufwand für nichts und niemanden getrieben.«
»Sie orten also immer noch keine Lebenszeichen?«, fragte Worf.
»Nein, Commander«, antwortete Elfiki, »nichts dergleichen. Die gesammelte Energie wird in Energiespeicher oder auf direktem Weg zum Hauptcomputer des Schiffs geleitet – zumindest schätze ich, dass es sich um den Hauptcomputer handelt. Wie das Schiff selbst ist er gewaltig. Ich habe Raumstationen gesehen, die kleiner sind als der Prozessorkern! Selbst wenn wir die Sprache derjenigen verstünden, die den Computer gebaut haben – ich kann nicht darauf zugreifen. Das ganze Ding wird von einem Kraftfeld umschlossen.«
Picard konnte sich auf nichts davon einen Reim machen. »Warum sollte jemand einen riesenhaften Computerkern ins All schießen und dort unbewacht in einem Schiff ohne Crew herumtreiben lassen? Was ist der Zweck? Könnte dieses Schiff das Äquivalent zu unserem Memory Alpha sein?«
Die bloße Erwähnung der großen Bibliothek der Föderation erinnerte ihn wieder an den Skandal, dessen Mittelpunkt Memory Alpha und Memory Prime bildeten – und all die Geheimnisse, die dort geschlummert hatten und die von Ozla Graniv öffentlich gemacht worden waren.
»Vielleicht ist das Schiff bloß vom Kurs abgekommen«, spekulierte Glinn Dygan an der Ops-Konsole. »Irgendein unerwartetes Ereignis könnte eingetreten sein, mit dem die Konstrukteure des Schiffs nicht gerechnet haben.«
»Gut möglich.« Elfiki zuckte mit den Schultern. »Aber was ursprünglich auch der Zweck dieses Dings gewesen sein mag – es muss eine Fundgrube von unschätzbarem Wert sein.«
Picard hörte die Begeisterung in der Stimme seiner Wissenschaftsoffizierin. Zweifellos hoffte sie darauf, das Schiff näher zu untersuchen. Er konnte Geordi La Forge beinahe vor sich sehen: Sein Chefingenieur verfolgte sicher sehr genau die Sensormessungen, während er bereits seinen eigenen Bericht vorbereitete, der sich mit dem Aufbau des Schiffs, der Antriebsart, der Bewaffnung und allem möglichen anderen beschäftigen würde. La Forge würde diese neue Entdeckung genau in Augenschein nehmen und jeden Millimeter katalogisieren wollen, um Erkenntnisse über die fremdartige Technologie zu gewinnen.
»Es scheint ganz so, als müssten wir uns die Sache näher ansehen, nicht wahr, Nummer eins?« Picard sah den Ausdruck widerwilliger Zustimmung auf Worfs Gesicht und musste sich ein Lächeln verbeißen. »Schließlich könnte es ja sein, dass wir herausfinden, wem das Schiff gehört. Dann könnten wir es den Besitzern zurückgeben oder sie wenigstens wissen lassen, wo sie es abholen können.«
Wie erwartet, fing Worf sich sofort. »Da wir nicht wissen, was uns erwartet, schlage ich vor, dass zunächst ein kleines Außenteam hinüberbeamt, das wir schnell zurückholen können. Nur ich, Lieutenant Elfiki, Lieutenant Chen …« Eine Pause, kurz, aber wahrnehmbar. »Und Lieutenant Commander Taurik, Sir.«
Es war kein Wunder, dass Worf zögerte, wenn man bedachte, wie angespannt die Beziehung zwischen Picard und dem stellvertretenden Chefingenieur vor ein paar Wochen noch gewesen war. Im Großen und Ganzen war das Picards Schuld gewesen – Admiral Akaar hatte Taurik in eine schwierige Position gebracht, und Picard hatte wenig Nachsicht mit dem vulkanischen Offizier gezeigt. Die Enterprise hatte in Akaars Auftrag den Planeten Sralanya besucht, und im Zuge dessen hatte sich herausgestellt, dass die Vergangenheit der Menschheit auf unglückselige Weise mit der indigenen Bevölkerung Sralanyas, den Eizand, verwoben war. Vor mehr als dreihundert Jahren – in der Mitte des 21. Jahrhunderts, zur selben Zeit, als die Vulkanier Kontakt zu den Menschen aufgenommen hatten – waren sich auch die Menschen und die Eizand zum ersten Mal begegnet. Picard und seine Besatzung hatten eine Schlüsselrolle dabei gespielt, die schreckliche Wahrheit über dieses Zusammentreffen aus dem Halbdunkel der Geschichte herauszuschälen und ans Licht zu holen.
Akaar hatte Taurik auserkoren, ihn über die Bemühungen Picards und seiner Crew auf dem Laufenden zu halten. Der Vulkanier war auf dem Waffenschiff der Raqilan auf Informationen über zukünftige Ereignisse gestoßen – die Poklori gil dara war selbst in der falschen Zeit gewesen – und hatte mit seiner Diskretion Akaars Interesse geweckt. Es blieb abzuwarten, ob Akaar Taurik lediglich für die Mission auf Sralanya als »kommissarischen Mediator« eingesetzt hatte oder ob er davon ausging, dass die Enterprise hier draußen noch weitere zukunftsrelevante Entdeckungen machen würde. Die Art und Weise, auf die er Taurik in die Rolle eines Informanten gedrängt hatte, hatte Picard jedenfalls fuchsteufelswild gemacht – so sehr, dass er den vulkanischen Ingenieur schließlich seiner Pflichten enthoben und ihn unter Quartierarrest gestellt hatte. Im Nachhinein betrachtete er das als Fehler. Er hatte sich bei Taurik entschuldigt und