Wyatt Earp Paket 3 – Western. William Mark D.
im Genick packte.
Der Mann blickte ihn unverwandt an.
Dann tauchten hinter ihm im Hof drei weitere Gestalten auf.
Der Mann, der vor der Tür stand, war der Bandit Jake Halbot.
»Was… wollt ihr?« stotterte der Rancher heiser.
Die drei starrten ihn nur an. Dann wich Halbot plötzlich langsam zurück, verließ die Veranda und trat in den Hof.
Er ging etwas zur linken Seite hinüber, und die anderen folgten ihm. Da blieben sie stehen und hatten eine Distanz von etwa acht Yard zwischen sich und den Rancher gebracht.
Der trat jetzt ein Stück auf den Vorbau – und sah den Galgen.
Eisiger Schreck ließ seine Glieder erstarren. Aber dann faßte er sich, warf sich herum und riß eine selbstzündende Fackel von der Tür, die sofort brannte und schleuderte sie in hohem Bogen in den Hof.
Zu spät!
In diesem Augenblick brüllten die Revolver der vier Galgenmänner auf.
Joe Parker torkelte zur Seite, stürzte an der Vorbaukante nieder, stützte sich noch einmal auf und kippte dann vornüber in den Hof.
Die Fackel lag am Boden und warf ein zuckendes, gespenstisches Licht über die vier Gestalten.
Halbot gab Ferkas, der der Fackel am nächsten stand, einen Wink.
Der Bandit verstand und warf sie in den Brunnen.
Und oben am Fenster ihrer Schlafkammer stand mit bleiernem Gesicht und vor Schreck gelähmt, die siebzehnjährige Ireen Parker. Sie hatte miterleben müssen, wie ihr Vater kaltblütig ermordet worden war. Unfähig, sich auch nur zu rühren, stand sie da und starrte auf die Männer, die jetzt, nachdem die Fackel verlöscht war, wie schwarze Pfähle unten im bleichen Mondschein des Hofes standen.
Ich muß fliehen! hämmerte es in ihrem Hirn, Hilfe holen! Sie werden mich suchen und töten wie den Vater!
Aber sie vermochte sich nicht zu bewegen.
Da kam Leben in die Gestalten der vier Desperados.
Jake Halbot hob den Arm, und auf dies stumme Zeichen hin schritten die vier Verbrecher zum Hof hinaus.
Wenige Sekunden später war nur noch der dumpfe Hufschlag ihrer Pferde zu hören.
Minutenlang stand das Mädchen am Fenster und starrte hinunter auf den dunklen leblosen Körper vor der Veranda.
Endlich raffte sie sich zusammen und ging hinunter. Die Haustür stand offen. Vom Flur aus hatte sie einen Blick über die Veranda in den Hof.
Aber sie sah von hier aus nur einen Arm und eine Hand, die sich in den Boden gekrallt hatte.
Ireen machte noch zwei Schritte vorwärts, dann taumelte sie zur Seite, prallte gegen die Wand, suchte sich an der Tür zu halten, glitt aber an ihr nieder und schlug an der Schwelle auf.
Sie wußte nicht, wieviel Zeit vergangen war, als sie die Augen wieder aufschlug. Wie ein gespenstischer Traum schien ihr alles. Die schweren Schlagschatten des Mondes waren länger geworden und griffen wie gigantische schwarze Finger in den Hof.
Ireen richtete sich auf und sah wieder den Arm des Vaters und die in die Erde verkrampfte Hand.
Sie sog die Luft tief in die Lungen ein, um ihre Angst hinauszuschreien, aber die Furcht drückte ihr die Kehle zu.
Langsam zog sie sich am Türgriff hoch, stand auf der Schwelle und starrte auf den leblosen Körper des Vaters.
Ihre Lippen sprangen auseinander. »Vater…« Lautlos kamen die beiden Silben über ihre Lippen.
Sie mußte all ihren Mut zusammennehmen, überquerte den Vorbau und stieg die Treppe hinunter.
»Vater!«
Sie kniete neben dem Körper des Niedergeschossenen und suchte ihn auf den Rücken zu drehen.
Joe Parker war tot.
Mehrere Geschosse hatten ihn niedergestreckt und sein Leben ausgelöscht. Fünfunddreißig Jahre hatte er auf diesem Fleck Erde gelebt und schwer gearbeitet.
Ireen kniete immer noch im Hof und blickte über den Körper des Toten hinweg mit tränennassen Augen in die Savanne hinaus. Was war denn das? Deutlich sah sie gegen den hellen Himmel die Konturen eines scheußlichen Gerüsts.
»Ein Galgen!« flüsterte sie verstört. Und dann zuckte der Schreck in jähem Begreifen durch ihren Körper, wie eine glühende Nadel stach er nach ihrem Herzen.
»Die Galgenmänner…!«
*
Im Morgengrauen verließen die beiden Reiter die Stadt.
Keiner von ihnen blickte sich um. Das düstere Tombstone war es nicht wert, daß man auch nur einen Blick darauf verschwendete.
Wyatt Earp und Doc Holliday waren auf dem Weg zum fernen San Pedro Valley, auf dem Weg zu der Ranch der McLowerys.
Seit Wochen jagte der Dodger Marshal hinter dem geheimnisvollen Boß der Galgenmänner her. Er war in Costa Rica gewesen, in Martini und in der heißen Grenzstadt Nogales. Überall hatte er die Spuren der Graugesichter, wie die Galgenmänner auch genannt wurden, gefunden; die Spuren ihrer scheußlichen Taten. Mehrmals glaubte er dicht auf der Fährte des Chiefs dieser Verbrecherorganisation zu sein, hatte aber bis jetzt immer wieder feststellen müssen, daß er sich geirrt hatte.
Wer führte die Verbrecher an? Es könnte unmöglich ein kleiner x-beliebiger Bandit oder Tramp sein, denn zu gut war die Bande organisiert, zu straff war ihr Reglement. Wer eine solche Bande auf die Beine stellte, der mußte schon über ungewöhnliche Fähigkeiten auf diesem Gebiet verfügen.
Und der Missourier Wyatt Earp kannte eigentlich nur einen Mann, dem er die Begabung für diesen Job zutraute: Ike Clanton!
Aber die Jagd nach diesem Mann hatte bisher so gut wie nichts erbracht. Wenn auch der frühere Chief der berüchtigten Clanton-Gang und jetzige Rancher mehrfach an Orten aufgetaucht war, die den Verdacht des Missouriers zu bestärken schienen, so hatte der Marshal bisher doch keine echte Handhabe gegen diesen Mann finden können.
Nicht ganz so stand es um den Bruder Ikes – um Phineas Clanton. Dieser Phin war ein Spieler und Trinker und hatte sich früher viel mit anderen Banden herumgetrieben, ehe er selbst mit seinem großen Bruder ritt. Dann, als die Clantons nach dem Kampf im O.K.-Corall zerschlagen schienen, suchte er wieder eigene Banden auf die Beine zu bringen. Das kam soweit, daß sein eigener Bruder ihn einmal versehentlich oben in Lorrac niederschoß. Damals hatten alle geglaubt, Phin wäre tot, aber der zähe Tombstoner Cowboy war dem Totengräber im wahrsten Sinne des Wortes noch einmal von der Schippe gesprungen.
In Martini hatte sich Phin offen gegen den Marshal gestellt, und seine Zugehörigkeit zu den Graugesichtern schien damit erwiesen zu sein. Wyatt Earp hatte ihn in Martini festgenommen, aber Phin war mit anderen Männern wieder ausgebrochen und geflüchtet.
Daß er der Boß der Galgenmänner sein könnte, hielt Wyatt Earp für nicht sehr wahrscheinlich. Ausgeschlossen war es jedoch nicht, da der Name Clanton immer noch einen gewichtigen Klang in diesem Lande hatte.
Der Marshal hatte in Tombstone eine ganze Reihe von Banditen dingfest gemacht, die auch abgeurteilt wurden. Allerdings hatte sich in der Verhandlung gegen die Banditen nichts herausgestellt, das dem Marshal auf seinem Weg hätte weiterhelfen können. Die Graugesichter fürchteten ihren Boß offenbar zu sehr, als daß sie es gewagt hätten, ihn oder etwas das ihn betraf, zu verraten.
Der Missourier hatte deshalb beschlossen, seine Taktik zu ändern. Er würde seine Suche jetzt weniger auf die Person des Bandenführers richten, als auf die Auffindung des Hole (Gangstercamp). Es war wahrscheinlich sehr viel schwerer, einen Mann zu suchen, der sich mit etwas Glück mühelos von Ort zu Ort bewegen konnte, als ein feststehendes Camp.
Irgendwo mußten die Galgenmänner ja ihr Headquartier haben. Es war nicht wahrscheinlich, daß dieses