Wyatt Earp Paket 3 – Western. William Mark D.
ohne weiteres von anderen Orten aus geben, nämlich von dort, wo er sich gerade befand. Aber trotzdem hatte der Marshal das Gefühl, daß die Bande, neben den zahlreichen kleinen Schlupfwinkeln, irgendwo ein festes Camp haben mußte. Die Orte, die er bis jetzt aufgesucht hatte, beherbergten dieses Lager nicht. Wyatt hatte keine besondere Veranlassung dazu, anzunehmen, daß ausgerechnet die McLowery Ranch im fernen San Pedro Valley dieses Lager beherbergen würde, aber da er nicht nur Phin Clanton sondern auch Kirk McLowery suchte, war der weite Ritt berechtigt.
Kirk McLowery hatte sich mehrmals in Tombstone und auch in der Umgebung der Stadt verdächtig gemacht. Aber immer war er dem Marshal im letzten Augenblick entgangen.
Wyatt wußte, daß Kirk mit den Clantons entfernt verwandt und nach wie vor auch befreundet war. Kirk, der zweitälteste der drei McLowery-Brüder (sein älterer Bruder Frank und sein jüngerer Bruder Tom waren bei dem Gefecht im O.K.-Corall gefallen) war ein ungewöhnlich gefährlicher, rücksichtsloser und kaltblütiger Mensch.
Doc Holliday beispielsweise traute ihm es eher zu, Chief der Galgenmänner zu sein, als Phin Clanton.
Es war ein weiter Weg hinunter zum San Pedro Valley. Wyatt Earp kannte ihn nicht genau. Er war vor Jahren einmal in der Nähe des Tales gewesen, aber die McLowery Ranch kannte er nicht.
Gegen acht Uhr am Vormittag hatten sie bereits elf Meilen zwischen sich und die Stadt gebracht. Sie ritten östlich von der Straße nach Bisbee und passierten die Parker-Weide. Da sahen sie in der Ferne einen Reiter im scharfen Galopp auf die Overlandstreet zuhalten.
»Was hat der denn vor?« Der Georgier beschattete die Augen mit der Hand.
Da hatte auch der Reiter die beiden bemerkt und lenkte auf sie zu.
Es war ein Cowboy von der Parker Ranch. Mißtrauisch blickte er die beiden an.
»Wo kommt ihr denn her?«
Wyatt stützte sich mit beiden Händen auf den Sattelknauf und blickte den Weidereiter forschend an.
»Mein Name ist Earp, Cowboy. Haben Sie irgend etwas auf dem Herzen?«
»Earp? Sind Sie etwa Wyatt Earp?«
»Ja.«
Da brach es aus dem Mann hervor: »Ich war gerade auf dem Weg nach Tombstone. Ich wollte Sie holen, Marshal!«
»Mich?« fragte der Missourier verblüfft. »Was ist denn passiert?«
Der Cowboy berichtete, was sich in der Nacht auf dem Ranchhof ereignet hatte.
Holliday stieß einen leisen Pfiff durch die Zähne.
»Daß dieser blödsinnige alte Trick immer noch zieht! Brand auf der Nachbarranch! Und die ganze Mannschaft eilt zu den Gäulen.«
»Warum ist der Boß nicht mitgeritten?« erkundigte sich der Marshal.
»Das konnte er nicht«, entgegnete der Cowboy. »Vor einigen Tagen hat er sich draußen beim Vorwerk das Bein verletzt. Heute hätte ohnehin schon seine Tochter an seiner Stelle mit den Zählbuch zum Brennen hinauskommen müssen.«
»Sie sind beim Brennen? Jetzt?«
»Ja, es ging nicht anders…«
Wyatt nickte: »Well, reiten wir!«
In voller Karriere sprengten sie der Parker Ranch entgegen.
Der Anblick des Galgens, der sich dem Missourier und seinem Begleiter bot, war nichts Neues für die beiden Männer, dennoch erfüllte er Wyatt mit unbändigem Zorn. Sie hatten also wieder einmal zugeschlagen, die Graugesichter.
Unbekümmert um das, was oben in Tombstone geschah, gingen sie ihren Geschäften nach. Nicht ganz dreizehn Meilen von der Stadt entfernt hatten sie wieder ein Menschenleben ausgelöscht.
Warum? Was hatte ihnen dieser fast sechzigjährige Joe Parker getan? Der einzige, der dem Marshal darauf eine Antwort hätte geben können, lag hinter dem Scheunenhaus auf dem winzigen Graveyard unter einem frischen Erdhügel, der mit Herbstblumen geschmückt war und auf dessen Kreuz das heutige Datum stand.
Als der Marshal und Doc Holliday mit dem Vormann in den Hof zurückkamen, deutete der Cowboy auf das Haus.
»Sie ist oben, Mr. Earp.«
Wyatt blickte auf das Haus.
»Wie alt ist sie?«
»Siebzehn. Ich glaube, sie wird erst im Januar achtzehn.«
»Gehen Sie bitte hinauf und fragen Sie sie, ob ich mit ihr sprechen kann.«
Der Vormann nickte und ging auf das Haus zu. Aber er hatte kaum den Fuß auf die Verandatreppe gesetzt, als oben die Haustür geöffnet wurde.
Ireen Parker stand mit bleichem Gesicht und rotgeränderten Augen im Türrahmen. Sie war mittelgroß, hatte brünettes Haar und grüne Augen.
»Wer sind Sie?« fragte sie, während sie den Blick auf den Missourier richtete.
»Mein Name ist Earp, Miß Parker.«
Da schaltete sich der Vormann ein: »Er ist Wyatt Earp, Ireen…«
Sofort trat das Mädchen auf den Vorbau und blickte in die Augen des Missouriers.
»Wyatt Earp? Der Marshal?«
»Ja.«
»Bitte, kommen Sie herein.«
Und als Holliday im Hof stehenbleiben wollte, meinte die junge Rancherstochter: »Sie sind sicher Doc Holliday, nicht wahr?«
Der Georgier nickte.
»Bitte, kommen Sie mit ins Haus.«
Als die beiden vor ihr im Arbeitszimmer ihres Vaters standen, war es mit der Fassung Ireens vorbei. Sie schob die Tür hinter sich zu und senkte den Kopf. Große Tränen rollten von ihrem Gesicht auf die weißgescheuerten Fußböden.
Der Marshal wandte den Kopf und blickte den Georgier an.
Der hatte sofort verstanden. Mit Frauen konnte der Missourier nie besonders gut umgehen. Und eine Frau in dieser Verfassung war sicher nicht leicht zu behandeln. Darauf verstand sich der elegante, geschliffene ehemalige Bostoner Arzt sehr viel besser.
Holliday hatte seinen großen schwarzen Hut in beiden Händen und blickte darauf nieder.
»Wir haben nicht die Absicht, Sie mit vielen Fragen zu belästigen, Miß Parker, aber falls Sie doch etwas wissen sollten, das dem Marshal bei der Verfolgung der Verbrecher nützlich sein könnte, so möchte ich Sie sehr bitten, kurz zu berichten. Vielleicht ist es einfacher, wenn ich Sie frage. Haben Sie auch den Reiter gesehen, von dem die Cowboys dem Marshal berichteten?«
Ireen schüttelte den Kopf.
»War es einer? Oder waren es mehrere Männer?«
Das Mädchen nickte. »Mehrere.«
»Drei oder vier?«
»Vier«, kam es tonlos über Ireens Lippen.
»Sie haben sie also sehen können? Waren Sie selbst oben oder unten im Haus?«
»Ich war oben und sah sie unten im Hof stehen.«
»Ist Ihnen irgend etwas an den Männern aufgefallen?«
»Ja, der eine, der eine Fackel in den Brunnen warf, hatte einen weißen Verband um den Hals.«
»Eine Fackel? Sie sind mit einer Fackel gekommen?«
»Nein…«
»So hat Ihr Vater sie angezündet?«
»Ja, und zwar, als er bedroht wurde. Er hat immer eine von diesen neuen Oakland-Fackeln neben der Tür hängen.«
»Und dann wurde geschossen?«
»Ja.«
»Und, haben alle geschossen?«
»Ja, mein Vater ist von sieben Kugeln getroffen worden, wie Mr.