Wyatt Earp Paket 3 – Western. William Mark D.
ich plötzlich die Bäume. Unwillkürlich zählte ich sie… Vielleicht wäre ich sonst gleich in den Hof geritten.«
»Dann sind Sie noch etwas früher darauf gekommen als ich«, entgegnete der Marshal mit einem leisen Lächeln.
*
Dieses Wochenende, der 17. September, versetzte den Tombstoner Banditen einen schweren Schlag.
Der Mörder Halman Flanagan wurde zum Tode durch den Strang verurteilt.
Und die anderen, die im Jail saßen, wurden zu mehrjährigen Strafhaft in Fort Worth verurteilt. Lediglich Edward Flanagan kam auf Betreiben des Marshals mit einer milden Strafe davon.
Der Mexikaner Enrique hatte der Verhandlung nicht das mindeste über die Organisation der Galgenmänner verraten. Obgleich ihm der Richter mit zehnjähriger Zwangslagerstrafe drohte, schwieg er beharrlich. Zu groß war seine Furcht vor den Graugesichtern.
Nach der Verhandlung stand Wyatt mit Doc Holliday und Luke Short im Marshals Office.
Der Riese nahm den silbernen Sechszack von der Hemdbrust und legte ihn auf den Schreibtisch.
»So, ich glaube, das Ding kann ich jetzt niederlegen.«
Da schüttelte der Marshal den Kopf.
»Nein, Luke, noch nicht. Ich muß Phin Clanton finden.«
Der Texaner blickte den Marshal nachdenklich an.
»Was haben Sie vor, Wyatt?«
»Wir müssen zum San Pedro Valley reiten.«
»Zum San Pedro Valley? Hausen da nicht irgendwo die McLowerys?«
»Ja, ich werde das Gefühl nicht los, daß wir dort nicht nur Phin finden…«
*
Luke Shorts grauhaariger Deputy wurde übrigens wieder ganz gesund. Seine zähe Natur ließ ihn den Messerstich, den ihm Hal Flanagan beigebracht hatte, überwinden. Von nun an stand er wieder an der Seite des Texaners, um ihm zu helfen, im wilden Tombstone für Ruhe und Ordnung zu sorgen.
Wie Baumstümpfe hoben sich die vier Männer auf der Hügelkuppe gegen den hellen Nachthimmel ab.
Der rothaarige Jack Halbot hatte die Fäuste in die Hüften gestemmt und blickte finster auf die Talmulde zu seinen Füßen, in der die kleine Parker Ranch lag. Neben Halbot stand Jimmy Hilton, ein hagerer, sehniger, kaltgesichtiger Bursche von siebenundzwanzig Jahren. Auch er starrte unverwandt auf die Ranch hinunter.
Links hinter Halbot stand der einäugige Pat Balthasar. Rechts neben Hilton hatte sich Mike Ferkas aufgebaut, ein übelaussehender Bursche von vielleicht dreißig Jahren, der ein schmutzigweißes Tuch um den Hals gewickelt hatte, das wie ein Verband wirkte.
Die vier Männer standen mehrere Schritte von ihren Pferden entfernt und blickten schweigend in die Talmulde hinab.
Da hob Halbot die rechte Hand und deutete mit dem Daumen nach unten: »Es geht los.«
Niemand antwortete, niemand nickte. Sie wandten sich ihren Pferden zu und zogen sich in die Sättel.
Jimmy Hilton schleppte am Lasso einen großen Balken hinter sich her. Ferkas hatte zwei kleine Balkenstücke hinter dem Sattel aufgeschnallt.
Galgenmänner!
Als sie die Nähe des Ranchhofes erreicht hatten, hob Halbot die linke Hand. Sie hielten die Pferde an und nahmen graue Tücher aus den Taschen, die sie sich bis hoch unter die Augen um die untere Gesichtshälfte banden.
Dann ritten sie weiter.
Als sie nur noch etwa hundert Yard vom Hof entfernt waren, stiegen sie von den Pferden.
Ferkas nahm die Balkenstücke, und Balthasar schnallte einen Campspaten und einen Pickel von seinem Sattel ab, und dann blickten beide zu Halbot hinüber. Der hob wieder die Hand und nahm die Zügelleinen auf, um in den Hof zu sprengen.
»Feuer! Feuer!« gellte es über den weiten Ranchhof.
Es dauerte nicht sehr lange, da sprang die Bunkhaustür auf, und mehrere halbbekleidete Männer stürmten in den Hof.
Es waren Parker Cowboys.
Halbot rief ihnen zu: »Feuer! Drüben bei uns auf der Lucas Ranch!«
Der Bandit riß sein Pferd wieder herum und galoppierte vom Hof.
Einer der Cowboys, ein bärtiger älterer Bursche, brüllte den anderen zu: »Los, seht zu, daß ihr auf die Pferde kommt, Boys.«
Es dauerte nur wenige Minuten, und die Parker Cowboys ritten aus dem Hof.
Der Vormann rannte zum Wohnhaus hinüber und lief dem Rancher entgegen, der eben aus der Haustür kam.
»Wir müssen hinüber zu Lucas, Mr. Parker! Die Ranch brennt! Bleiben Sie nur hier und schonen Sie Ihr Bein!«
Der Boß nickte. »All right, Jim!«
Der Cowboy schwang sich auf seinen Schimmel und preschte den anderen hinterher.
Der siebenundfünfzigjährige Joe Samuel Parker blickte ihm nach, wandte sich schließlich um und ging kopfschüttelnd und vor sich hin murmelnd ins Haus zurück.
»Wann das mit den Bränden nur endlich mal ein Ende nimmt…«
Er ging zurück in seine Kammer und legte sich wieder nieder.
Im Obergeschoß des Wohnhauses hatte die siebzehnjährige Ireen Parker ihr Zimmer. Sie war seit zwei Tagen wieder auf der Ranch. Ein halbes Jahr hatte sie drüben in St. Louis bei ihrer Tante Mary verbracht, einer Schwester des Vaters, die schwer krank gewesen war. Nachdem die Tante sich erholt hatte, war Ireen zurückgekehrt.
Das Mädchen hatte bis spät in die Nacht hinein in der Küche über Näharbeiten gesessen und war gerade erst in sein Zimmer gekommen, als unten der Ruf: Feuer! im Hof erscholl. Ireen saß noch völlig angekleidet auf dem Bett und hatte den Kopf in die Hände gestützt.
Ihre Gedanken eilten den weiten Weg bis hinauf nach St. Louis zurück und verweilten bei einem jungen Mann, der blondes Haar und helle Augen hatte.
Ireen hatte Greg bei einer Freundin von Tante Mary kennengelernt. Greg Honter war ein junger Zahnarzt. Die beiden hatten einander nur ein einziges Mal wiedergesehen. Und dieses Wiedersehen stand noch im Herzen des Mädchens. Ireen hatte Greg versprochen, bald zu schreiben.
Wie sollte sie dem Vater beibringen, daß Greg sie heiraten wollte?
Ireen erhob sich, zog die lederne Jacke aus, die sie heute zum erstenmal wieder angelegt hatte, und ging hinüber in die kleine Kammer, in der sie früher geschlafen hatte, als Mutter noch lebte, und in der jetzt die Wäschetruhen standen. Sie wollte sich ein frisches Hemd zurechtlegen, da sie morgen mit dem Vormann hinaus aufs Vorwerk reiten sollte.
Währenddessen huschten die beiden Banditen Ferkas und Balthasar in den Ranchhof und gruben unweit der Veranda des Wohnhauses ein Loch in den nicht sehr harten Boden.
Dann stellten sie das rasch zu einem Galgen zusammengeschraubte Gerüst auf und verließen so lautlos, wie sie gearbeitet hatten, den Hof.
Von alldem hatten weder der Rancher, der inzwischen eingeschlafen war, noch seine Tochter Ireen, die oben in der Wäschekammer herumhantierte und jetzt erst wieder in ihr Schlafzimmer zurückkam, etwas gehört.
Dann wurde unten plötzlich gegen die Tür gepocht.
Ireen trat ans Fenster, vermochte aber durch das Verandavordach niemanden zu sehen.
Joe Parker war aufgewacht. Er zog sich hastig eine Hose und seine Stiefel an und polterte dann durch den Vorraum zur Tür.
Als er sie aufstieß, sah er gegen das bleiche Mondlicht, das über dem Hof lag, die Silhouette eines Mannes vor sich.