Wyatt Earp Paket 3 – Western. William Mark D.
er die Verhandlung eröffnet hatte.
»King, Jimmy.«
»Woher kommen Sie?«
»Aus Tucson.«
»Seit wann sind Sie hier?«
»Seit vierzehn Tagen.«
»Was treiben Sie hier?«
»Ich arbeite in Forgess’ Mühle.«
»Aha, und dann stehlen Sie nachts Pferde, um sich den Ausgleich für den schmalen Verdienst zu beschaffen?«
»Das stimmt nicht. Euer Ehren, ich habe keine Pferde gestohlen«, rief der verschlagen wirkende Bursche.
»Sie sind doch aber beim Diebstahl überrascht worden.«
»Ich bin nicht überrascht worden, denn der Mann, der die Anzeige gegen mich erhoben hat, ist wahrscheinlich von irgend jemandem bestochen worden.«
»Weshalb wohl? Ich kann mir nicht denken, daß Sie hier jemand des Pferdediebstahls bezichtigt, ohne Grund dazu zu haben.«
»Kennen Sie den Mann?«
»Ja.«
»Wer ist es?«
Da entgegnete der Gefangene zur Verblüffung des ganzen Saales, während er den Arm ausstreckte und auf den Mayor deutete: »Thomas Angerer!« Für einige Sekunden herrschte tiefstes Schweigen in der City Hall. Und dann brandete die Entrüstung los.
Richter Croydon verschaffte sich Ruhe.
»Thomas Angerer?« fragte er verwundert. »Aber ich muß doch sehr bitten. Mister Angerer ist ein angesehener Mann und seit Jahren der Mayor dieser Stadt! Er selbst hat Sie ja beim Diebstahl beobachtet.«
Angerer war plötzlich bleich geworden. Er erhob sich, kam um den Richtertisch herum und blieb vor dem Gefangenen stehen.
»Sind Sie wahnsinnig, Mensch?« fragte er entrüstet. »Was haben Sie da eben behauptet?«
Der Gefangene wandte unsicher den Kopf und blickte wieder in die Zuschauermenge. Als er das Augenpaar gefunden hatte, das er suchte, hatte er neue Kraft geschöpft und wandte sich um.
»Sie haben die Anzeige gegen mich erstattet, Mister Angerer, obgleich Sie wissen, daß ich schuldlos bin. Denn Sie selbst haben das Pferd gestohlen! Es steht ja noch in Ihrem Stall! Ich verlange, daß Ihr Stall durchsucht wird. Und ehe das geschieht, werde ich dem Hohen Gericht erklären, warum Sie dieses Spiel mit mir getrieben haben. Sie wollten mich vernichten, weil Sie befürchteten, ich könnte Ihr Geheimnis verraten. Und das werde ich jetzt tun, weil Sie mich so tief ins Unglück stürzen wollten, Thomas Angerer. Sie sind ein Galgenmann! Jawohl, ein Galgenmann! Ich kann es beweisen. Daheim in Ihrem Schrank bewahren Sie mehrere graue Gesichtstücher auf. In Ihrem Flur hängen zwei Gewehre, auf deren Kolben das Dreieckzeichen der Galgenmänner eingraviert ist. Und Sie haben auch Harry Bensons Tochter entführen lassen.«
Der Mayor prallte zurück. Entgeistert starrte er dem Mann, der ihn so schwer beschuldigt hatte, in die Augen.
In diesem Moment brüllte jemand aus dem Zuschauerraum: »Das Haus des Mayors soll durchsucht werden!«
Jetzt hatte der Richter verstanden. Das also hatte Phin von ihm gewollt! Er tastete mit den Augen die Menschen im Saal ab, und plötzlich hatte er das Gesicht des Tombstoners entdeckt.
Croydon schlug mit dem silbernen Hammer dreimal auf den Tisch und erhob sich. »Ich ordne hiermit eine Untersuchung des Hauses und des Stalles von Mister Angerer an.«
»Aber, Euer Ehren, ich bitte Sie, Sie werden doch nicht den haltlosen Anschuldigungen dieses Tramps glauben.«
»Wir wollen völlig gerecht sein, Mayor«, wich der Richter gewandt aus. »Um all dem den Wind aus den Segeln zu nehmen, werde ich zusammen mit dem Sheriff und einigen anderen Männern sofort eine Lokaluntersuchung folgen lassen. Was kann Ihnen das schon ausmachen. Sie haben ja ein sauberes Gewissen!«
Leichenblaß stand der Mayor da und hatte das Gefühl, daß jetzt der Himmel über ihm einstürzen müsse. Er begriff das alles nicht. Wie hätte er es auch begreifen können, das heimtückische Spinnennetz, das ein haßerfüllter Mensch um ihn gesponnen hatte.
Die Haussuchung wurde durchgeführt, das Ergebnis war schockierend: das gestohlene Pferd befand sich in einem Verschlag hinter dem Stall des Mayors. In Angerers Hausflur wurden tatsächlich die beiden Waffen mit den Dreieckszeichen der Galgenmänner gefunden. Und in einem der Schlafzimmerschränke des Bürgermeisters entdeckte der Sheriff auch die grauen Tücher, die als äußeres Zeichen der Bande nur schon allzu bekannt waren…
Im weiteren Verlauf des Verfahrens wurde Mayor Thomas Angerer von Richter Croydon wegen Pferdediebstahls und nachgewiesener Mitgliedschaft bei einer gefährlichen Bande seines Amtes enthoben und zu lebenslänglicher Zwangsarbeit verurteilt.
Die Menschen in der Stadt waren wie vor den Kopf geschlagen. Niemand begriff, was da so urplötzlich geschehen war.
Der Mayor, der weder eine Frau noch sonst irgendeinen Verwandten in der Stadt hatte, stand völlig allein da. Und seine einstigen Freunde wagten es nicht, ihm irgendwie zu helfen.
Selbst der Lawyer Johnson traute sich nicht, ein einziges Wort für ihn einzulegen, obgleich er nicht von der Schuld des Bürgermeisters überzeugt war. Im Gegenteil, er war sogar von seiner Unschuld überzeugt. Aber er begriff das Ganze nicht. Und da er wenig Interesse daran hatte, im Dunkeln herumtappend durch eine finstere und hinterhältige Macht ins Verderben gestürzt zu werden wie Angerer, ließ er lieber die Finger davon.
Als die Menschen den Saal der City Hall verließen, wurden sie von der Nachricht über den Tod des Viehagenten überrascht.
Eine regelrechte Panik ergriff die Stadt.
In der Nacht war die Tochter des Pferdehändlers Benson entführt worden. Richter Croydon hatte den Mayor des Pferdediebstahls und der Zugehörigkeit zu den Galgenmännern überführt und zu lebenslänglicher Straflagerschaft verurteilt. Und jetzt war der vitale Viehhändler Cox am hellichten Tag in seinem Futterhaus ermordet worden!
Nogales hielt den Atem an.
Aber noch gaben sich die Drahtzieher im Hintergrund nicht zufrieden.
Aus den Fenstern und der offenstehenden Tür des Waschhauses der Witwe Morrison drangen weiße Schwaden in den Hof.
Ein etwa siebzehnjähriges Mädchen schleppte einen großen Wäschekorb ins Freie, stellte ihn ab, wischte sich das erhitzte Gesicht, und als sie aufsah, blickte es in die Mündung eines Revolvers.
Vor Judy Morrison stand ein großer Mann, der ein graues Tuch vor dem Gesicht hatte.
Der Angstschrei erstickte in der Kehle des Mädchens.
Der Mann sprang auf sie zu, preßte ihr die Hand auf den Mund, aber da sank das Mädchen schon ohnmächtig in sich zusammen.
Der Fremde nahm sie auf die Arme und rannte mit ihr hinter das Haus, wo sie von zwei anderen Männern übernommen und auf einen bereitstehenden Wagen geschafft wurde.
Erst eine halbe Stunde später vermißte die Mutter ihre Tochter, die doch nur einen Korb in den Hof hatte bringen wollen.
Judy war bisher immer sehr fleißig gewesen und hatte die Mutter nie bei der schweren Arbeit im Stich gelassen.
Als die alte Frau ins Haus ging, um sich einen Kaffee zu machen, fand sie auf dem Tisch einen Zettel, auf dem mit großen Buchstaben die Worte standen: Wo ist Gil?
Alma Morrison begriff nichts.
Es dauerte Minuten, bis sie klar denken konnte und endlich aufnahm, was da stand.
Jemand suchte ihren Sohn Gil! Judys Bruder. Der neunundzwanzigjährige Gilbert Morrison war seit drei Wochen verschwunden. Seit vielen Jahren schon war der wilde, ungebärdige Gilbert das Sorgenkind seiner Mutter. Sehr früh schon hatte er mit dem Trinken und dem Pokerspiel in den Bars von Nogales begonnen. Und vor einigen Jahren verschwand er plötzlich, wurde dann drüben in Tombstone gesehen,