Dr. Norden Bestseller Paket 1 – Arztroman. Patricia Vandenberg

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stand der Chef ihr näher. Da Tonio Laurentis anscheinend etwas an dem Professor auszusetzen hatte, entzog sie ihm sofort ihre Sympathie. Was ging sie denn dieser arrogante Architekt an?

      Sie sagte es ihrem Chef mit anderen Worten. Er lächelte flüchtig.

      »Man sollte frei von Vorurteilen sein, Oberschwester Erika«, sagte er hintergründig. Dann ging er nochmals zu Kerstin Torstensen.

      Diesmal lehnte sie mit geschlossenen Augen im Bett. Ihre Gedanken waren wieder bei der vergangenen Nacht, bei den demütigendsten Minuten ihres Lebens. Ihr Stolz rebellierte.

      Professor Albrecht setzte sich an ihr Bett und griff nach ihrem Handgelenk. Ganz mechanisch fühlte er ihren Puls.

      »Ihr Chef war hier«, sagte er beiläufig. Er spürte ein Erschrecken.

      »Wieso?«, fragte Kerstin. »Haben Sie ihn benachrichtigt?«

      »Ich wusste gar nicht, wer Ihr Chef ist«, erwiderte er nachsichtig. »Die Polizei ist natürlich schon fest bei den Ermittlungen. Herr Laurentis wollte Sie besuchen.«

      »Wozu?«, stieß Kerstin hervor, und das machte ihn wiederum stutzig.

      »Ich soll Ihnen Grüße ausrichten und die Hoffnung ausdrücken, dass er Sie bald gesund sieht. Er braucht Sie nötig.«

      »Dieser erbärmliche Schuft«, entfuhr es ihr, doch dann biss sie sich erschrocken auf die Lippe.

      Er zögerte einen Augenblick, dann sagte er: »Ich will mich nicht in Ihr Vertrauen drängen, aber wenn Sie den Besuch von Herrn Laurentis nicht wünschen, werde ich entsprechende Anordnungen geben.«

      »Danke, nein, ich wünsche den Besuch dieses Herrn nicht«, sagte Kers­tin. »Überhaupt keinen Besuch, abgesehen von Ihrem Sohn, wie ich es schon sagte.«

      Sie weiß, was sie will, aber vielleicht will sie nur nicht bemitleidet werden, dachte Professor Albrecht. Klug wurde er nicht aus Kerstin.

      »Sie werden noch heute Abend umgebettet werden«, sagte er ablenkend. »Das Zimmer ist frei geworden. Es ist übrigens unser schönstes.«

      »Nur keine Extravaganzen«, sagte Kerstin. »Vielleicht kann ich nicht einmal Ihr Honorar zahlen, Herr Professor.«

      Er wurde unter ihrem Blick schrecklich verlegen. Und im Augenblick war er aus der Fassung gebracht. Dann gewann er aber seine Selbstsicherheit zurück.

      »Es wäre wohl noch schöner, wenn ich Ihnen eine Rechnung stellen würde, dafür, dass mein Sohn Sie gefährdet hat«, sagte er.

      Mit einem merkwürdig ernsten Blick sah sie ihn an.

      »Ich sage es noch einmal mit allem Nachdruck, ich habe den Unfall verschuldet. Am Steuer muss man sich nur auf den Verkehr konzentrieren. Ich habe die Ampel überhaupt nicht bemerkt.«

      Was war das für ein seltsames Geschöpf. Sie hatte schwere Verletzungen erlitten, ihren Wagen eingebüßt und dadurch auch noch großen finanziellen Verlust, wenn sie auf ihrem Standpunkt beharrte.

      »Dann möchte ich Ihnen sagen, dass ich in einer Haftpflichtversicherung bin«, erklärte er.

      »Und denken Sie nicht daran, welchen seelischen Schaden es bei Ihrem Sohn anrichten könnte, verantwortlich gemacht zu werden? Was sagt Ihre Frau dazu, Herr Professor Albrecht?«

      Er sah an ihr vorbei. »Stefans Mutter ist tot«, erwiderte er leise. »Ich trage für meinen Sohn die alleinige Verantwortung.«

      »Dann helfen Sie ihm, über diesen Schrecken hinwegzukommen.«

      Sie sagte nichts mehr. Ihr Gesicht war wieder ganz verschlossen. Es war nicht der Unfall allein, der ihr einen Schock versetzt hatte. Professor Albrecht fühlte es. Er nahm ihre Hand und zog sie an seine Lippen.

      »Ich bedanke mich in Stefans Namen für Ihre Großmut«, sagte er leise.

      *

      Stefan und Lenchen waren ein Herz und eine Seele. Der Junge war richtig enttäuscht, als sein Papi ihn dann gegen sieben Uhr abholte, obgleich es wirklich schon reichlich spät war.

      »Besuchst mich wieder, Stefan«, sagte Lenchen liebevoll. »Ist ja so ein herziger Bub, Herr Professor.«

      Nun war der »herzige Bub« eher ein Häufchen Unglück, denn daheim war ja Tante Hella.

      Aber dann konnte er nur noch staunen, denn sie empfing ihn überschwänglich, sagte »mein Liebling« und zerdrückte sogar ein paar Tränen.

      Vater wie auch Sohn waren sprachlos. Und dann flötete Hella in den höchsten Tönen.

      »Es tut mir ja so leid, Martin, dass ich mich so dumm benommen habe, aber du wirst verstehen, welche Angst ich um unseren Jungen ausgestanden habe.«

      »Ich bin aber nicht dein Junge, ich bin Papis Junge«, fiel Stefan ihr ins Wort, da er so viel Falschheit nicht ertragen konnte und sein Instinkt ließ ihn aber jetzt nicht im Stich.

      »Mein armer Kleiner, was bin ich froh, dass dir nichts Schlimmeres widerfahren ist«, fuhr Hella jedoch im gleichen theatralischen Ton fort. »Ich weiß ja, dass du immer vorsichtig bist und keine Schuld hast.«

      »Ich hatte aber Schuld«, sagte er trotzig.

      »Nein, nein, sag das nicht, mein Kleiner. Komm jetzt, ich habe dir dein Lieblingsessen gemacht.«

      »Ich habe bei Lenchen gegessen«, erwiderte er bockig. »Und jetzt will ich ins Bett.«

      Hella schluckte, behielt aber ihr süßliches Lächeln bei.

      »Ich habe jetzt nämlich auch mal Migräne«, sagte Stefan noch triumphierend und lief eilends zu seinem Zimmer.

      »Du siehst, wie schwer er es mir macht«, sagte Hella nun spitz zu ihrem Schwager. »Ich bringe ihm alle Liebe entgegen, aber er stößt mich immer wieder vor den Kopf.«

      »Kinder haben ihren eigenen Instinkt, Hella«, erklärte Martin Albrecht.

      »Ich will nicht mit dir streiten, Martin. Stefan ist auch das Kind meiner einzigen, lieben Schwester. Mein ganzes Herz hängt an ihm.«

      »Ich will auch nicht streiten, Hella, aber ich bin fest entschlossen, eine Kraft zu engagieren, die Stefan korrekt versorgt. Ich lasse dir Zeit, Entscheidungen über dein künftiges Leben zu treffen und bin bereit, dir bei einem neuen Start zu helfen, aber unsere Wege müssen sich trennen. Ich möchte auch nicht, dass du dich noch länger falschen Hoffnungen hingibst. Ich werde dich nicht heiraten. Es tut mir leid, dass ich es so deutlich sagen muss, aber einmal muss es gesagt werden.«

      »Ah, so ist das. Du willst eine andere Frau ins Haus bringen. Du willst Irenes Sohn eine Stiefmutter geben«, rief sie mit flammender Empörung.

      »Davon kann gar keine Rede sein. Benimm dich nicht so albern. Du solltest doch genau wissen, dass es keine Frau in meinem Leben gibt, aber ich will in meinem Hause meine Ruhe haben.«

      Hella zog es vor zu schweigen. Sie musste erst zu anderen Überlegungen kommen. Mit Worten war es nicht getan, das hatte sie begriffen. Aber sie dachte nicht daran, das Feld zu räumen, dieses sorglose Leben aufzugeben. Ihre besten Jahre hatte sie geopfert. Das wollte sie Martin doch bei einer anderen Gelegenheit einmal klarmachen. Und wenn doch eine andere Frau dahintersteckte, nun, dann sollte sie ruhig wissen, dass mit Hella Günther zu rechnen war. Insgeheim ballte sie schon kampfbereit die Hände.

      »Nun, ich denke, wenn es dir recht ist, wird Stefan ein paar Tage von der Schule daheim bleiben«, sagte sie mit gekünstelter Ruhe.

      »Ein Tag genügt. Ich nehme ihn morgen mit in die Klinik.«

      Sie sah ihn überrascht an, dann senkte sie aber schnell den Blick.

      »Du willst ihn vorsichtshalber sicher röntgen«, sagte sie.

      »Ja«, brummte er. Sollte sie doch bei diesem Glauben bleiben. Warum er Stefan mit in die Klinik nehmen wollte, hätte er ohnehin nicht verraten.

      *

      Dr. Norden machte


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