Dr. Norden Bestseller Paket 1 – Arztroman. Patricia Vandenberg

Dr. Norden Bestseller Paket 1 – Arztroman - Patricia Vandenberg


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      »Für mich im falschen«, korrigierte Birgit. »Mir bedeutet das Leben nichts. Anderen hätte es sicher viel bedeutet. Um mich trauert auch niemand.«

      »Und Ihr Kind?«, fragte er.

      Ihr Gesicht versteinerte. »Was wissen Sie von meinem Kind?«

      »Dass es Ihre Gedanken so sehr ausfüllt, dass Sie Ihre Schmerzen darüber vergessen. Sie wollen Ihr Kind doch wiedersehen, Frau Blohm.«

      Sie lachte blechern auf, und das tat seinen Ohren weh, denn es passte nicht zu den Augen und zu dem schönen weichen Mund.

      »Sie werden dafür sorgen, dass ich mein Kind nicht mehr wiedersehe, Herr Doktor«, kam es mit klirrender Stimme. »Und wahrscheinlich werden Sie mich wieder dorthin zurückbringen, woher ich kam. Aber auch das ist mir jetzt gleichgültig. Nur wäre es besser gewesen, Sie hätten mich sterben lassen.«

      »Na, dazu waren Sie aber ein bisschen zu lebendig«, entgegnete er lächelnd. »Frau Blohm, Sie sind eine vernünftige junge Frau, die wahrscheinlich ihre Probleme hat, aber es gibt Menschen, die Ihnen helfen werden, diese Probleme aus der Welt zu räumen.«

      Die Kranke schüttelte den Kopf, sah ihn mit traurigem Blick an.

      »Ich habe niemanden. Oder glauben Sie, dass mein Mann mir mehr glauben würde als seiner Mutter?«, entfuhr es ihr. Dann presste sie erschrocken die Lippen aufeinander.

      »Das kann ich nicht beurteilen«, erwiderte Daniel nach kurzem Zögern. »Ich erfahre in meiner Praxis sehr viel über menschliche Konflikte. Es kommt aber auf den Betroffenen an, sich dagegen zu wehren. Jeder Mensch hat das Recht dazu. Man kann sich natürlich auch in die Dulderrolle drängen lassen und sich damit abfinden. Es kommt darauf an, wie man sich selbst begreift, und in Ihrem Fall scheint es mir darauf anzukommen, wie viel Ihr Kind Ihnen tatsächlich bedeutet. Denken Sie einmal darüber nach. Vielleicht kommen Sie zu der Überzeugung, dass Sie mit einem Menschen Ihre Probleme durchsprechen sollten. Ich stehe zu Ihrer Verfügung, oder wenn Sie eine Frau vorziehen, wird Dr. Jenny Lenz die richtige Gesprächspartnerin für Sie sein. Aber verstecken Sie sich bitte nicht hinter dem Vorurteil, dass alle Menschen Ihnen feindlich gesinnt sind.«

      Er nahm ihre unverletzte Hand und hielt ihren Blick fest. Zuerst schien es, als wollte sie diesem ausweichen, doch dann hielt sie ihm stand. Und Dr. Norden las in ihren Augen die Qualen, die sie litt.

      »Ich werde darüber nachdenken, Herr Doktor«, sagte sie verhalten.

      »Und Sie bestehen weiterhin darauf, dass niemand benachrichtigt wird?«

      »Lassen Sie mir bitte noch einen Tag Zeit. Vielleicht kann ich jetzt alles klar überdenken. Sie haben den Anstoß gegeben.«

      »Manchmal wird man zum Kampf herausgefordert, wenn man dazu auch nicht geboren ist. Selbstverteidigung ist auch von Gesetzes wegen erlaubt. Wer einen geistig gesunden Menschen in ein Nervensanatorium sperrt, macht sich strafbar.«

      »Können Sie Gedanken lesen?«, fragte Birgit leise.

      »Das will ich nicht sagen, aber ich bin schon lange genug Arzt, um die Menschen zu kennen, und im Kombinieren war ich schon immer gut.«

      »Und Humor haben Sie. Wenn Bert doch auch nur ein bisschen Humor hätte, aber fast möchte ich glauben, dass in seinem Elternhaus das Lachen verboten war.«

      Wie von selbst begann sie zu sprechen, und Daniel Norden erfuhr die Geschichte einer Frau, die durchaus nicht außergewöhnlich war und doch der Dramatik nicht entbehrte.

      *

      Im Alter von siebzehn Jahren war Birgit Gülden Waise geworden. Als Kapitän eines Handelsschiffs hatte ihr Vater seine Frau und seine Tochter mit auf eine Ostasienreise genommen. Dort waren sie von einer seltenen Viruskrankheit befallen worden, von der Birgit verschont geblieben war. Warum gerade sie, hatte sie sich immer wieder gefragt und sich gewünscht, mit ihren toten Eltern vereint zu sein.

      So hatte sie es dann auch drei Jahre später ausgesprochen, als sie in der gleichen Firma wie Bert Blohm als Auslandskorrespondentin tätig war und sich mit dem jungen Abteilungsleiter manchmal unterhalten hatte.

      Es war keine Liebe auf den ersten Blick gewesen. Dazu waren sie beide nicht geschaffen. Bert lebte mit seiner verwitweten Mutter zusammen und war gewöhnt, Rücksicht auf sie zu nehmen. Und Gnade fand Birgit auch nur vor ihren Augen, nachdem sich Adelheid Blohm insgeheim nach den Vermögensverhältnissen des Mädchens erkundigt hatte. Das jedoch wussten weder Bert noch Birgit.

      Birgits Vater hatte eine hohe Lebensversicherung abgeschlossen. Er war auch sonst gut situiert gewesen, und Birgit war nach dem tragischen Tod ihrer Eltern anspruchsloser denn je.

      Bei den Blohms sah es etwas anders aus, denn Adelheid Blohm führte ein aufwändiges Leben. Ihr Haus war mit Hypotheken überlastet, als ihr Mann starb, der durch Fehlspekulationen an den Rand des Ruins gekommen war. Sie war darauf bedacht, dass ihr Sohn eine gute Partie machte, sonst hätte sie sich wohl gegen jede Heirat gesträubt.

      Davon jedoch erfuhr Dr. Norden nichts. Birgit sah alles anders.

      Dass Geld eine Rolle bei dieser Heirat gespielt haben könnte, hatte sie anfangs nicht erwogen, aber dann hatte sie es doch bemerkt. Später, nach der Hochzeit …

      »Wir freundeten uns an«, erklärte sie das Kennenlernen mit Bert. »Er war so ruhig und besonnen und nicht so wie andere Männer, die nur Vergnügen im Kopf haben. Bert war der erste Mensch, mit dem ich wieder richtig reden konnte seit dem Tode meiner Eltern. Er stellte mich seiner Mutter vor. Sie war sehr reserviert, aber nicht unfreundlich. Eigentlich war sie es, die alles forcierte, und Bert sagte einmal, dass er nie so schnell den Mut gehabt hätte, mir einen Heiratsantrag zu machen, wenn seine Mutter ihn nicht dazu gedrängt hätte. Er freute sich, dass seine Mutter so einverstanden mit seiner Wahl war.«

      Sie machte eine lange Pause, und Dr. Norden ließ ihr Zeit, obgleich er langsam in Zeitnot geriet. Aber er ahnte, dass sie nie wieder den Faden finden würde, wenn er sich jetzt verabschiedete. Sie würde nachdenken und meinen, zu viel über sich gesagt zu haben.

      »Wir waren eigentlich sehr glücklich, erst recht, als Tobias geboren wurde«, fuhr Birgit fort. »Berts Mutter war viel auf Reisen. Wir lebten in ihrem Haus, hatten aber getrennte Wohnungen. Sie bemängelte schon hin und wieder, dass ich zu viel Geld für Kleidung ausgeben würde, aber das war ja mein Geld. Ich wollte, dass mein Mann immer gut aussah.«

      »Und Sie selbst hoffentlich auch«, half Daniel ihr.

      »Ach, ich brauchte nicht viel. Ich kaufte mir natürlich hübsche und gute Sachen, aber nicht so, dass es zu viel gewesen wäre. Wir gingen ja auch nur ganz selten aus. Und außerdem hatte ich das meiste Geld …«, sie unterbrach sich und senkte den Blick.

      »Was war mit dem Geld?«, fragte Daniel. »Ich will nicht neugierig sein, aber anscheinend hatten Sie doch eine hübsche Mitgift mit in die Ehe gebracht, wenn ich richtig kombiniere.«

      »Vati hatte gut vorgesorgt«, sagte Birgit leise, »aber weil doch die Hypothek fällig war, war es selbstverständlich, dass ich es meiner Schwiegermutter gab. Ich dachte auch, dass sie dann nicht immer davon sprechen würde, dass es ihr Haus sei, in dem wir leben.«

      Viel zu kombinieren brauchte Daniel nun nicht mehr. Ihm fehlte eigentlich nur noch die Erklärung, warum es dann später zu jenem Eklat gekommen war, der diese junge Frau jedes Lebenswillens beraubt hatte.

      Doch diese Erklärung blieb ihm vorenthalten, da nun Dr. Behnisch mit einem fremden Mann das Krankenzimmer betrat.

      »Inspektor Grünberg möchte nur ein paar Fragen an Sie stellen, Frau Blohm«, sagte Dr. Behnisch. Daniels fragenden Blick beantwortete er mit einem Achselzucken.

      »Ich fühle mich nicht wohl«, sagte Birgit.

      Daniel dachte daran, wie viel Patienten er für den Nachmittag bestellt hatte. Molly würde schon wie auf Kohlen sitzen. Und was sollte er hier noch ausrichten? Er hoffte, dass Birgit Blohm sich dieser Situation gewachsen zeigte. Er hoffte, dass sie sich nicht wieder in Schweigen verlor.

      Er


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