Dr. Norden Bestseller Paket 1 – Arztroman. Patricia Vandenberg
abgefertigt zu werden. Daniel erklärte, dass er einen ganz dringenden Besuch machen müsse, und das entsprach ja auch der Wahrheit. Er konnte gar nicht schnell genug in die Klinik kommen. Es war genau siebzehn Uhr dreißig, und er ging im Eilschritt direkt auf den Kreißsaal zu, aber da kam die Hebammenschwester Rosi aus der Tür. Ein verschmitztes Lächeln glitt über ihr Gesicht.
»Erst den Kittel anziehen, Herr Doktor«, sagte sie rigoros.
»Wie weit ist es?«, fragt Daniel erregt.
»Das werden Sie schon sehen. Hier müssen Sie die Anordnungen auch befolgen. Bazillen dürfen nicht eingeschleppt werden.«
Das war eigentlich selbstverständlich, aber wenn man so aufgeregt war wie Daniel Norden, vergaß man auch das Selbstverständlichste.
Und als er dann alle Anordnungen der Schwester befolgt hatte und durch eine Schiebetür trat, vernahm er schon ein kräftiges Gebrüll.
Benommen blieb er stehen, hielt den Atem an und presste seine Hände aneinander.
»Herzlichen Glückwunsch zum Stammhalter, Dan«, hörte er Schorsch sagen, bevor er ihn überhaupt wahrgenommen hatte. Er sah nur, leicht verschwommen, Fees Gesicht, ein glückliches Gesicht, und er hörte ihr leises Lachen. Und dann kniete er auch schon an ihrem Bett nieder und bedeckte ihr Gesicht mit zärtlichen Küssen.
Sagen konnte er nichts. Kein Wort konnte ausdrücken, was er fühlte, als Schorsch ihn dann sacht zur Seite schob und Fee das Baby in den Arm legte. Ein winziges Köpfchen, bedeckt mit schwarzen flaumigen Haaren, sah er, und da er eben erst einen Dreijährigen versorgt hatte, kam ihm dieses Baby noch winziger vor, als es war.
Sein Kind, sein Sohn, der nicht etwa die Augen zusammengekniffen hatte, sondern weit aufriss.
Konnte man solch ein winziges Händchen überhaupt berühren? Fee tat es. Sie hatte ihr Kind im Arm, und die winzigen Finger des Kindes umschlossen schon ihren Zeigefinger.
Endlich fand Daniel die Sprache wieder. »Er hat sich die schönste Mutter der Welt ausgesucht«, sagte er innig. »Er konnte es nicht mehr erwarten, sie anzuschauen, wie mir scheint.«
»Er schaut dich an«, sagte Fee mit einem kleinen glucksenden Lachen. »Friedrich Johannes Daniel Norden, das ist dein Vater.«
»Nicht Daniel«, sagte er, »Felix.«
»Ich möchte zuerst meinen Danny haben«, erklärte Fee. »Als Ausgleich dafür, dass sein Papi so wenig Zeit für uns hat.«
»Hoffentlich wirst du überhaupt noch Zeit für mich haben, Feelein. Aber was rede ich. Wie geht es dir? Wie ist das so schnell gekommen?«
»Es war halt höchste Zeit, aber als rücksichtsvoller Sohn hat Danny sich sehr beeilt und gar keine Umstände gemacht.«
»Du hast eine Frau, Dan«, sagte Schorsch bewundernd.
»Ich weiß es zu schätzen. Aber jetzt sollte Fee wohl doch ein bisschen Ruhe haben.«
»Jetzt bekommt die tapfere Mami erst einmal ein Glas Sekt.«
»Und ihr trinkt dann die Flasche aus, wie ich euch kenne«, lächelte Fee.
»Und der Sohn kommt ins Bettchen«, warf Schwester Rosi ein, »sonst denkt er, dass er immer in Mamis Arm schlafen darf.«
Das schien dem kleinen Danny schon sehr viel besser gefallen zu haben, als nun ins Bettchen gelegt zu werden. Er begann sogleich zu protestieren. Aber ebenso schnell beruhigte er sich auch wieder.
Bevor der Sekt eingeschenkt wurde, nahm Daniel seine Fee noch einmal ganz zärtlich in die Arme. Jetzt hinderte ihn das Baby nicht daran.
»Du bist eine wunderbare Frau, Fee«, sagte er innig. »Ich hoffe, dass unser Sohn dir sehr ähnlich wird.«
»Ich hoffe, dass er dir sehr ähnlich wird«, lächelte sie zurück.
Und dann machte sich Schorsch mit einem diskreten Räuspern und einem leisen Gläserklingen bemerkbar.
»Ich möchte noch auf euer Wohl trinken, meine Lieben, dann muss ich wieder an die Arbeit, und ich ahne, dass die Geburt nicht so heiter verläuft.«
Fee lächelte.
»Ich habe unseren Sohn auch immer ermahnt, seinen Papi ja nicht zu lange in Atem zu halten, und wer wagt nun noch daran zu zweifeln, dass er ein braves Kind ist?«
Das stand außer Zweifel. Eine halbe Stunde später konnte Daniel seinen Blick zwischen seiner schlafenden Fee und einem schlafenden Sohn hin und her schweifen lassen, erfüllt von tiefem Glück und Dankbarkeit. So erfüllt, dass er fast vergessen hätte, die Freudenbotschaft zur Insel weiterzugeben und Molly und Lenchen zu verständigen.
*
Auch für Penny Holzmann war es ein ereignisreicher Tag gewesen, der sie in der Hoffnung bestärkte, früher in ihr Heim zurückkehren zu dürfen, als anzunehmen gewesen war. Die Arme, sie konnte sich schon für kurze Zeit im Bett aufsetzen.
Die Gesichtsbehandlung wirkte Wunder. Dr. Behnisch meinte allerdings auch, dass es ihr gesundes Blut sei, und im Übrigen hatten sie Penny ja nun schon als ein Energiebündel kennengelernt, der der eiserne Lebenswille mehr half, als alle ärztliche Kunst. Die wäre nur eine Unterstützung, äußerte sich Jenny Lenz zu Dirk Holzmann.
Aber es war auch seine Liebe, seine unermüdliche Geduld, die Penny half. Jede freie Minute verbrachte er an ihrem Bett.
So viel Geduld brachte der kleine Tim nicht auf, aber er hatte ja seine Großeltern, bei denen es ihm nicht langweilig wurde. Es war schon ein großer Trost für Penny, ihn in so guter Hut zu wissen. Tim entwickelte sich schnell. Er redete jetzt schon wie ein Buch. Er beschwerte sich auch, dass Tobys Mami schon so lange aus der Klinik entlassen worden war und seine immer noch hierbleiben musste.
Sosehr er sich mit Jenny Lenz und Dr. Behnisch angefreundet hatte, das machte er ihnen doch zum Vorwurf, aber niemals erfuhr er, wie sehr sie um das Leben seiner Mami gebangt hatten und wie glücklich sie waren, dass es für Penny ein Weiterleben gab.
Für Bert und Birgit Blohm hatte an dem Tage, als der kleine Daniel Norden geboren wurde, das neue Leben schon begonnen. Bert holte seine Frau und seinen Sohn von der Insel ab, und das Abschiednehmen hatte sich so lange hingezogen, dass sie gerade noch die Nachricht von der glücklichen Geburt erfuhren.
Tränen der Freude traten in Frau von Dehlens Augen, doch Toby schob diese auf den Abschiedsschmerz.
»Brauchst nicht weinen, Tante Charlotte«, sagte er. »Wir vergessen dich nicht und besuchen dich oft, und du besuchst uns auch, gell?«
Frau von Dehlen hatte hier herrliche Wochen verlebt, aber sie wusste tief in ihrem Innern sehr genau, dass sie nicht noch auf glückliche Jahre hoffen konnte. Diese Wochen waren ein kostbares Geschenk gewesen, doch Pläne für die Zukunft schmieden wie diese drei Menschen, die nun winkend davonfuhren, konnte sie nicht mehr.
Mit einem stillen, gedankenverlorenen Lächeln ging sie an Annes Seite ins Haus zurück.
»Sie werden sicher bald nach München fahren, um sich den kleinen Erdenbürger anzuschauen«, sagte sie leise. »Nehmen Sie bitte meine Grüße und Wünsche mit.«
»In vier Wochen werden Sie den Kleinen kennenlernen. Er wird hier getauft werden, Frau von Dehlen«, sagte Anne.
»In vier Wochen«, wiederholte die alte Dame, und ihr Blick wanderte zum Himmel empor. Anne wurde ganz eigenartig zumute. »Darf ich denn bleiben?«, fragte Frau von Dehlen.
»Solange Sie wollen«, erwiderte Anne herzlich.
*
Bert hielt vor einem hübschen Einfamilienhaus, das außerhalb der Stadt, inmitten eines Gartens, lag, in dem jetzt auch die Rosen blühten wie auf der Insel.
»Wie schön«, sagte Birgit.
»Toll, Papi«, echote Toby. »Das hast du fein gemacht.«
»Wenn es euch nur gefällt«, meinte Bert und nahm beide in die Arme. »Den letzten