Dr. Norden Bestseller Paket 1 – Arztroman. Patricia Vandenberg

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»dann würden wir gern mit ihr in einem Hause wohnen, gell, Mami?«

      »Jeder Mensch hat seine Eigenheiten, Toby«, erwiderte Birgit darauf.

      Sie wollte sich von den bösen Erinnerungen lösen, sie wollte keinen Hass in ihrem Innern wachsen lassen, sie wollte nichts zurückbehalten, was ihre Liebe zu Bert unnötig belasten könnte. Die Wand, die sie und ihre Schwiegermutter trennte, war ohnehin immer höher und unüberwindlich geworden.

      Wie ein Keulenschlag traf es Bert indessen, wie voll Hass seine Mutter in ihrem Rachedurst war. Er machte sich überdies schreckliche Gedanken, weil seinem Gesuch auf Versetzung nun doch nicht stattgegeben worden war. Der Generaldirektor hatte ihm im Stammwerk eine leitende Stellung geboten, die so große finanzielle Vorteile mit sich brachte, dass er sie in der jetzigen Situation gar nicht ablehnen konnte. Nirgendwo hätte er einen gleichwertigen Posten bekommen, abgesehen davon, hätte er eine Ablehnung mit seinen familiären Konflikten begründen müssen, was ihm doch zu peinlich war.

      An seinem Arbeitsplatz erreichte ihn daher eines Tages eine Vorladung zum Vormundschaftsgericht, für die er keine Erklärung hatte. Umso härter traf es ihn, als er dort erfuhr, dass seine Mutter den Antrag gestellt hatte, den Geisteszustand ihrer Schwiegertochter zu überprüfen. Dazu hatte sie Angaben gemacht, für die man bei aller Toleranz keine Entschuldigung finden konnte, so auch dass er, der Ehemann, erpresserisch unter Druck gesetzt würde.

      Arglos hatte er auf der Behörde zuerst zugegeben, dass sich seine Frau in einem Sanatorium befände und Toby bei ihr sei.

      Anscheinend besaß seine Mutter mehr Überzeugungskraft als er, denn als er erklärte, ob es nicht besser sei, sie von einem Psychiater untersuchen zu lassen, bekam er zu hören, dass es wohl der Wahrheit entspräche, dass er und seine Frau es darauf anlegten, seine Mutter auch noch um das Haus zu bringen.

      Diesmal suchte Bert allerdings keine Aussprache. Er wandte sich an Dr. Biel. Er war jetzt nicht mehr bereit, Rücksicht zu nehmen. Aber er war nicht fähig, Birgit und Toby zu besuchen, wie er es versprochen hatte. Er machte die schlimmste Zeit seines Lebens durch. Er konnte nur Dr. Cornelius bitten, Birgit unter seinen Schutz zu nehmen. Bert aber fürchtete, dass alles, was nun wieder so schön zu keimen begonnen hatte, erneut zerstört würde.

      Toby war bekümmert, dass sein Papi nicht kam, obgleich Birgit ihn damit tröstete, dass er mit der Haussuche sehr beschäftigt sei.

      Aber auch sie wurde durch ein beklemmendes Gefühl bedrückt. Berts Stimme hatte so eigenartig deprimiert

      geklungen, als er mit ihr telefonierte. Toby vergaß im Spiel mit Mario seinen Kummer schnell, Birgit dagegen hatte wieder einmal einen schweigsamen melancholischen Tag.

      Wieder einmal überfiel sie die Angst, dass ihre Schwiegermutter hier auftauchen könnte, um sie zu demütigen.

      Warum hatte sie vor dieser Frau eigentlich so viel Angst? Warum hatte sie nie gewagt, ihr die Stirn zu bieten? Nur, weil sie Berts Mutter war? Nur, weil sie sich immer wieder sagte, dass sie den Mann geboren hatte, den sie liebte und dessen Frau sie geworden war?

      Und warum hatte sie jetzt noch immer Angst, obgleich sie sich doch mit Bert ausgesprochen hatte?

      Plötzlich wusste sie es, als sie Toby betrachtete, ihren Sohn, den sie so sehr liebte. Die Bindung zwischen Mutter und Kind war die stärkste, die es überhaupt gab. Und was immer auch geschehen war, Bert war der Sohn seiner Mutter.

      Solange sie lebte, würde sie zwischen ihnen stehen und sei es nur als Schatten. Aber damit würde sie sich nicht zufriedengeben. O nein, sie würde sich bestimmt immer wieder in Erinnerung bringen. Kinder waren gesetzlich dazu verpflichtet, für ihre Eltern zu sorgen, das wusste Birgit und daran erinnerte sie sich jetzt. Adelheid Blohm würde bestimmt einen Weg finden, ihren Sohn zu zwingen, für sie zu sorgen. Sie konnte ja nicht wissen, dass sie viel Schlimmeres im Schilde führte.

      Doch der Volksmund sagte: »Wer andern eine Grube gräbt, fällt selbst hinein.« Adelheid Blohm begann es zu spüren.

      Das sehr amtliche Schreiben von Dr. Biel mit Strafandrohnung wegen Verleumdung war nur der Anfang. Dann blieb die Zugehfrau weg mit der Erklärung, dass sie nur der jungen Frau zuliebe gekommen sei und gehofft habe, dass sie nun zurückkommen würde. Da der junge Herr jetzt aber auch ausgezogen sei, habe sie sich eine andere Stellung gesucht.

      Die Nachbarn mieden sie schon seit einiger Zeit, aber jetzt trat es immer deutlicher zutage. Der Klatsch, den sie selbst erzeugt hatte, kam als Bumerang zurück. Und wie!

      Schließlich wohnten sie zwanzig Jahre in diesem Viertel, und jeder kannte jeden. Dass Frau Blohm Haare auf den Zähnen hatte, wusste man ja längst, aber dass sie sich ihrer netten Schwiegertochter gegenüber so gemein benahm, war erst in letzter Zeit durchgesickert. Dafür hatte allerdings auch Frau Biel ein bisschen gesorgt. Wer wollte es ihr verübeln? Das Böse sollte nicht siegen.

      Adelheid Blohm sah sich isoliert, aber die Schuld suchte sie bei den anderen. Und so sah sich Bert eines Abends seiner Mutter gegenüber. Sie hatte vor der Fabrik auf ihn gewartet. Neben seinem Wagen. Sie hatte lange ausgeharrt, denn er hatte an diesem Abend Überstunden gemacht.

      »Du hast anscheinend vergessen, dass du eine Mutter hast, Bert«, begann sie. »Also muss ich dich wohl daran erinnern.«

      Er sah sie mit einen Blick an, der sie erblassen ließ. »Du sorgst schon dafür, dass ich dich nicht vergesse, aber auch, dass ich mich sehr ungern daran erinnere«, erwiderte er.

      »Du veranstaltest ein Kesseltreiben gegen mich«, warf sie ihm vor.

      »Ich gegen dich?«, fragte er mit kühler Stimme. »Du verdrehst die Tatsachen. Du wirst es nicht verhindern, dass ich meine Frau verteidige. Ich bin nicht mehr der kleine Junge, der vor dir kuscht – und Respekt habe ich schon lange keinen mehr vor dir. Habe ich mich deutlich genug ausgedrückt?«, fragte er zornig.

      »Es ist dir hoffentlich klar, dass du mich ins Elend treibst, mich, deine Mutter.«

      »Ins Elend? Du hast das Haus und deine Pension. Von Elend kann man da nicht reden. Wenn du doch endlich einsehen würdest, dass du alles selbst verschuldet hast.«

      »Und wenn ich dich bitte, diese Differenzen beizulegen, Bert? Ich habe dich doch nicht aus dem Hause getrieben. Ich habe immer das Beste für dich gewollt, warum siehst du das nicht ein?«

      »Das Beste in meinem Leben ist meine Frau, und ich werde ihr ewig dankbar sein, dass sie trotz allem, was sie durchmachen musste, zu mir hält. Was du getan hast, ist nicht mehr gutzumachen. Ich kann nichts anderes sagen, und ich werde nie etwas anderes denken. Birgit will das Geld nicht zurückhaben. Wir werden auch so zurechtkommen. Aber das Mindeste, was ich erwarten kann, ist doch wohl, dass du sie künftig in Ruhe lässt. Die ärztlichen Zeugnisse liegen dem Gericht vor. Sie sprechen gegen dich und vieles andere auch.«

      »Bert, unsere Nachbarn behandeln mich wie eine Aussätzige. Ich kann dort nicht mehr leben«, jammerte sie.

      »Dann musst du dir etwas anderes suchen. Ich könnte in diesem Haus auch nicht mehr leben. Ich kann dir nur den Vorschlag machen, dass es verkauft wird und dass du in eine Gegend ziehst, in der dich niemand kennt. Und nun sag bitte nicht wieder, dass man so mit seiner Mutter nicht spricht. Mit der Tatsache, ein Kind geboren zu haben, erwirbt man sich nicht für ein ganzes Leben das Recht, seinen Lebensweg zu bestimmen. Ich weiß jetzt, welchen Weg ich gehen muss, und ich kann nur hoffen, dass du auch einen findest, der dich von ungerechtem Hass entfernt.«

      Sie sah ihn mit einem Blick an, der ihm das Blut in den Adern gefrieren ließ. Welten trennten sie. Es gab keine Verständigung mehr. Er war nicht mehr der gehorsame Sohn und so auch für sie ein Fremder. Aber wie es schien, konnte sie sich auch darüber hinwegsetzen.

      »Vielleicht wirst du mich einmal brauchen«, sagte sie, »aber dann werde ich auch vor dir meine Tür verschließen. Ich werde dir beweisen, dass ich dich nicht brauche.«

      Er sah, wie sie in ihrem Wagen davonfuhr. Er brauchte ein paar Minuten, bevor er den Zündschlüssel umdrehte und sich ebenfalls auf den Weg machte.

      Nun war er in ihren Augen also der undankbare Sohn.


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