Frau mit Vogel sucht Mann mit Käfig. Maja Siffredi
Plus einem halben Kilo Haarspray und ein wenig Sperma, quasi der exakten Inhalt des Beischlafutensilienkoffers. Zumindest wäre ich dann aus der Schusslinie, sollten uns die Bullen doch noch erwischen.
»Wir schießen Raketen zum Mond, es wird wohl möglich sein bisschen Spaß zu den richtigen Menschen zu bringen, oder?«
Ich boxe gegen die Fensterabsperrung, und tatsächlich – das Schloss springt knatternd auf, mit ein bisschen Nachdruck stehen wir auf der ebenerdigen Terrasse. Auf Augenhöhe stehender Vollmond treibt den Kitschfaktor des Moments unaufhaltsam nach oben.
Raus, nichts wie weg von hier. Wir nehmen die Beine in die Hand, stolpern, laufen, rennen.
Haben Sie Wien schon bei Nacht gesehen?
25.3.2015
Wachsende Aufregung vermischt sich mit Ungeduld, was soll ich anziehen? Eine Million Mal entscheide ich mich um, bis die Wahl auf einen schwarzen Rock, ein rotes Oberteil aus Satin, schwarze Strapse und Unterwäsche fällt.
Die Sonne ist gerade untergegangen, einsetzender Frühsommer fegt eine warme Brise durchs geöffnete Fenster. Ich bin kurz davor mich mit einem Mann zu treffen, den ich vor zwei Wochen über eine Handy-App kennengelernt habe. Seinem Profiltext zufolge heißt er Andreas, arbeitet als Fotograf, ist Ende dreißig, durchtrainiert, etwas kleiner als ich und hat kurzes blondes Haar. Ich steh auf Blondinen.
Wir haben uns die Wochen davor gegenseitig sehr viele Mails geschickt, er macht einen sympathischen Eindruck. Ich mag seinen trockenen Humor und seine großen blauen Augen. Jedes Mal wenn eine neue Nachricht von ihm im Posteingang landet, kann ich es kaum erwarten sie zu öffnen.
Für den Abend sind wir für ein Fotoshooting verabredet. Je näher der Termin kommt, desto mehr kann ich die Anspannung in mir spüren, trotzdem packt mich die Neugier, ich strotze vor Vorfreude als ich mich auf den Weg mache.
Kurz nach neun treffen wir uns in einer gut besuchten Pizzeria am Stadtrand, sein charmantes und aufmerksames Benehmen lassen auf einen interessanten Verlauf des Abends schließen.
Er hält mir die Tür auf und nimmt mir die Jacke ab, bevor uns die Kellnerin zu unserem Tisch begleitet. Wir nehmen Platz, ordern Pizza und Wein. Während wir warten, zeigt er mir einige Aufnahmen auf seinem Tablet.
»Also ich find das hier richtig gut, dass könnten wir auch machen.« Er deutet dabei auf ein Bild auf dem eine sehr attraktive und nackte junge Frau mit gespreizten Beinen zu sehen ist, die ihr Allerheiligstes mit der Hand verdeckt.
»Wow. Das ist richtig schön.« Begeistert von der Ästhetik der Aufnahme, kann ich nicht aufhören auf den Display zu starren.
»Ja, find ich auch. Sowas können wir auch hinbekommen!« Enthusiastisch zwinkert er mir zu.
»Na, da bin ich ja mal gespannt. Hast noch paar Ideen?«
»Klar …« Mit wenigen Bewegungen wischt er über den Bildschirm.»Was hältst davon?«
Auf dem nächsten Beispielbild liegt eine gefesselte Frau auf dem Boden, im Mund einen Knebel, die Augen weit aufgerissen.
Ihre Hände sind hinter dem Rücken fest verschnürt, die Beine waren angewinkelt, an den Knöcheln zusammengebunden und mit den Fesseln der Hände verknüpft. Sie scheint ihrem Peiniger hilflos ausgeliefert, sowie völlig bewegungsunfähig zu sein. Dennoch hat ihre Mimik einen Hauch von:»Ist das wirklich alles?«
»Cooles Pic, Andreas. Aber schon sehr düster für die Jahreszeit. Hast du das fotografiert?« Souverän überspiele ich die aufkeimende Nervosität. Irgendein kleines Detail an der ganzen Szene lässt mich fast wahnsinnig werden, auch wenn ich noch nicht weiß, welches. Ob Andreas meine Unsicherheit spürt? Das Restaurant füllt sich immer weiter mit Studenten und alternativ aussehenden jungen Leuten, die Musik wird von den Nebengeräuschen der vielen Menschen übertönt. Ich schiebe meine Bedenken zur Seite und konzentrierte mich wieder auf das Gespräch mit diesem überaus gut aussehenden jungen Kerl.
»Nein, das ist keins von meinen, ich bin Hochzeitsfotograf. Schau mal, wie findest die?«
Nach dem geschätzt fünfhundertsten Beispielbild, das digital vor unseren Drinks flimmert, favorisieren wir eine Handvoll davon, trinken aus und machen uns auf den Weg ins Studio. Mittlerweile nieselt es, wir spazieren durch die erfrischende Abkühlung zu dem nahegelegenem Häuserblock.
»Komm wir sind schon da, Maja. Hier geht’s rein … « Andreas deutet auf den schmale Hinterhofeingang, der in einigem Abstand in einen lichtleeren Raum mündet.
»Willst du mich jetzt im Keller einsperren? Typisch Österreich.« Kichernd folge ich ihm zum Fahrstuhl.
»Nein. Wenn dann im Dachboden, der müsste nämlich dringend mal sauber gemacht werden …«
Ich fühle seine Blicke, als sich die Aufzugtür schließt; mit jeder Sekunde schnellt die Hitze der Atmosphäre nach oben – genauso wie auch wir. Kribbelnde Sprachlosigkeit endet zeitgleich mit der Fahrt, die auf direktem Weg ins Penthouse führt.
»Voila´, da sind wir. Willkommen im Studio.«
Außer dem schwarzen Hintergrund, der knapp neben einem Schreibtisch über die Wand verläuft, sowie dem aufgestellten Blitz, erinnert hier nichts an ein Fotostudio.
Begeistert von der großzügigen Glasfront lasse ich mich von dem Ausblick auf die Stadt fesseln:»Was für ein Panorama.«
Fasziniert von dem Anblick abertausender Lichtern unter uns, starre ich wie gebannt über die Dächer.
»Was darf ich dir zu trinken anbieten?« Andreas´ Frage schafft es, meine Aufmerksamkeit zurück auf ihn zu lenken.
»Du willst mich doch nur wehrlos und gefügig machen …«, mit gespielter Entrüstung drehe ich mich zu ihm um.
»Ja, das war der Plan. Das mach ich mit all meinen Internet-Bekanntschaften.«
»Find ich gut. Ich bleib bei Rotwein.«
Als er aus der Küche wiederkommt, stehe ich in Unterwäsche vor ihm. Unbeeindruckt stellt er den Wein auf den Schreibtisch, um mit der freien Hand nach der Kamera zu greifen.
»Sehr schön … Geh mal etwas näher zum Licht.«
Klick. Klick.
Langsam bewege ich mich vor ihm, drehe mich ohne ihn aus dem Fokus zu verlieren.
»Gut so?«
Klick. Klick.
»Perfekt. Dreh den Kopf mehr nach links.«
»Den Satz hat noch nie ein Mann zu mir gesagt …«
Klick.
Andreas Gelassenheit steckt mich an, er legt die Canon zur Seite um eine Pause einzulegen, streckt mir eins der Gläser entgegen.
»Cheers.«
Seine Augen blitzen für den Bruchteil einer Sekunde eiskalt auf:»So und jetzt zieh dich ganz aus und setzt dich auf den Hocker da hinten. Wir versuchen das, was wir uns vorhin angesehen haben, in Ordnung?«
Ich lege das Oberteil ab und nehme noch einen Schluck Wein. Andreas beobachtet mich, wie ein Raubtier seine Beute kurz vorm Angriff.
»Alles ausziehen«, der bestimmende Unterton in seiner Stimme bringt mich nicht aus der Ruhe.
»Ja, das haben schon mehrere Männer zu mir gesagt.«
»Na dann los … Und dann auf den Hocker dort.«
Mit weit gespreizten Beinen setzte ich mich, rufe mir das Bild, das er mir in der Kneipe gezeigt hat in Erinnerung. Eine meiner Hände lege ich in den Nacken, mit der anderen verdecke ich die Sicht auf meine Mitte.
»Ja, gut so. Leg deinen Kopf in den Nacken. Ja, gut so.« Andreas feuert mich an, er ist sichtlich zufrieden:»Komm und mach die Beine weiter